Merkel und Minister beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten:Lächeln für Wulff

Der Druck auf Bundespräsident Christian Wulff nimmt weiter zu. Wegen der Kredit- und Medienaffäre haben Transparency International und der Deutsche Journalisten-Verband ihre Teilnahme am Neujahrsempfang abgesagt. Zudem setzen Medienhäuser Wulff unter Zugzwang, die Korrespondenzen zwischen ihm und den Zeitungen zu veröffentlichen.

Der traditionelle Neujahrsempfang von Bundespräsident Christian Wulff ist von mehreren Absagen wegen der Kredit- und Medienaffäre überschattet worden. Aus Protest gegen eine vom Bundespräsidenten versprochene und nicht eingehaltene Transparenz bei der Aufklärung boykottierten sowohl Transparency International als auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) den Empfang im Schloss Bellevue.

Die Vorsitzende der Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland, Edda Müller, verteidigte ihre Absage. "Im Moment hat man den Eindruck, dass er auf das Vergessen der Leute spekuliert", sagte sie im ZDF und fügte an: "Das ist für mich und unsere Organisation unerträglich." Eine Demutsgeste in der Öffentlichkeit zu signalisieren und dann zur Tagesordnung überzugehen, sei kein Verhalten, das der Würde des Amtes gemäß sei.

Überraschend hat auch der DJV-Bundesvorsitzende, Michael Konken, seine Teilnahme abgesagt. Damit protestiere er gegen die "Desinformationspolitik des deutschen Staatsoberhaupts", teilte Konken in Berlin mit. Nach DJV-Angaben ist es das erste Mal, dass der Verbandsvorsitzende den traditionellen Neujahrsempfang beim Bundespräsidenten boykottiert.

Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier kritisierte beide Organisationen für ihren Boykott. "Das ist stillos und falsch. Zu einer sachgerechten Aufklärung der gegen den Bundespräsidenten erhobenen Vorwürfe gehört auch der Respekt vor dem Amt und seinem Inhaber", sagte Altmaier Spiegel online. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hält die Debatte über Wulff zudem für "scheinheilig". Die Beurteilung der Arbeit des Bundespräsidenten sei nicht von der Kreditaffäre abhängig, Wulff repräsentiere Deutschland im Ausland "hervorragend", sagte Bouffier.

An seinem Amtssitz in Berlin empfing Wulff Vertreter der Politik, des öffentlichen Lebens und Bürger, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht haben. Auch das Bundeskabinett unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel war geladen. Den Auftakt des Defilees machte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Dessen Parteikollege, Ministerpräsident Kurt Beck aus Rheinland-Pfalz, forderte den Bundespräsidenten am Rande des Empfangs auf, "alle denkbaren Fragen zu beantworten". Er hoffe, dass "dann eine Chance besteht, wieder zur Normalität zurückzukehren".

Zeitungen erteilen Freigabe zur Veröffentlichung der Anfragen

Zusätzlichen Druck erzeugte die Bild-Zeitung, die Wulffs Anwalt die Veröffentlichung ihrer Anfragen zur Kreditaffäre erlaubte. In einem Brief habe die Zeitung Anwalt Gernot Lehr die "ausdrückliche Genehmigung" zur Veröffentlichung ihrer Anfragen sowie Wulffs Antworten erteilt, damit der Präsident eine "größtmögliche Transparenz" herstellen könne, sagte der stellvertretende Sprecher des Axel-Springer-Verlags, Tobias Fröhlich, der Nachrichtenagentur dapd. "Wir hoffen, dass viele Journalisten dem Beispiel folgen werden", sagte Fröhlich.

Die Berliner Zeitung und die Frankfurter Rundschau kündigten bereits an, dass sie den Anwalt ebenfalls von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden werden. Auch der Spiegel hat nichts gegen eine Veröffentlichung. Der Focus will seine Rechercheergebnisse jedoch für sich behalten.

Lehr hatte zuvor mitgeteilt, seine Kanzlei sei "aus Rechtsgründen daran gehindert", die im Zusammenhang mit Wulffs Kreditaffäre gestellten Fragen und die dazu gehörigen Antworten zu veröffentlichen. Eine Offenlegung der Antworten auf die Anfragen von Journalisten würde deren Recht am eigenen Wort und am Schutz ihrer Rechercheergebnisse oder -ziele verletzen. Das ist nun bei den genannten Medienhäusern nicht mehr gegeben.

Erste Rücktrittsforderungen aus Union

Erstmals seit Beginn der Affäre vor mehreren Wochen sieht sich Wulff auch mit Rücktrittsforderungen aus dem eigenen politischen Lager konfrontiert. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann legte dem Bundespräsidenten diesen Schritt nahe. Das Amt sei schon jetzt beschädigt, allein durch die öffentliche Diskussion in den Leitmedien, sagte der CDU-Politiker im ZDF. "Mein persönlicher Rat an ihn wäre, dass er sich und seiner Familie das nicht länger antut." Ein Ende mit Schrecken sei besser als ein Schrecken ohne Ende.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder nannte Berichte, wonach in der Union bereits über die Nachfolge für Wulff diskutiert werde, gegenüber den Kieler Nachrichten "Quatsch, der sich nicht toppen lässt". Kauder stellte sich demonstrativ hinter Wulff. "Der Bundespräsident genießt mein Vertrauen. Es kann keine Rede davon sein, dass die Stimmung in der Fraktion kippt", sagte der Parteikollege. Der Bundespräsident habe das Notwendige gesagt, "das sollte jetzt akzeptiert werden".

Immer mehr Parteifreude gehen auf Distanz

Allerdings mehren sich die kritischen Stimmen aus der Union. Nach dem Bericht des Berliner Tagesspiegel fordert auch der CDU-Abgeordnete Hans-Georg von der Marwitz indirekt den Rücktritt Wulffs: "Aufgrund der unwürdigen Diskussion der vergangenen Woche lege ich es dem Bundespräsidenten nahe, Verantwortung zu übernehmen und Konsequenzen zu ziehen", sagte der Parlamentarier aus Brandenburg. FDP-Bundesvorstandsmitglied Michael Theurer sprach sich ebenfalls indirekt für Wulffs Rücktritt aus.

Mehrere Unionspolitiker kritisierten, dass Wulff sein Versprechen gebrochen habe. Der Bundespräsident habe öffentlich im Fernsehen vor 18 Millionen Bürgern zugesichert, "dass die 450 Fragen beantwortet und offengelegt werden", erinnerte der niedersächsische CDU-Landtagsfraktionschef Björn Thümler. Die Position der Anwälte Wulffs, Informationen aus rechtlichen Gründen nicht zu veröffentlichen, "mag juristisch richtig sein, aber es ist politisch falsch", betonte er.

Auch der Alterspräsident des Bundestages, Heinz Riesenhuber von der CDU, geht auf Distanz zu Wulff. "Ich hatte von Christian Wulff als Bundespräsident sehr viel erwartet. Er hat sich aber in Dinge verheddert, die sehr unerfreulich und grenzwertig scheinen", sagte der frühere Bundesforschungsminister der Zeitung Die Welt. "Die Anstöße, die sich viele von ihm erwarteten, sind jetzt sehr schwierig geworden." Riesenhuber betonte, Wulff habe jetzt noch die Chance, alle Sachen auf den Tisch zu legen, so dass keine Frage mehr übrig bleibe. "Er sollte dies in einem einzelnen, abschließenden Paket tun", riet der Parteikollege.

Aus der nordrhein-westfälischen CDU wird Wulff ebenfalls aufgefordert, alle Details offenzulegen. "Wer der Öffentlichkeit sagt, wir brauchen Transparenz, muss sie am nächsten Tag auch so herstellen, wie er das versprochen hat", sagte der Fraktionsgeschäftsführer der CDU im Landtag, Armin Laschet, im WDR-Hörfunk. Wenn Wulff die Veröffentlichung nicht freigebe, "wird die Debatte weitergehen".

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