Merkel und die Türkei:Außer Kontrolle

Die Kanzlerin besucht nach vier Jahren erstmals die Türkei. Auch wegen dieses Desinteresses kommt es zu unnötigen Debatten. Merkel sollte mehr mit Premier Erdogan reden - statt über ihn.

Kai Strittmatter

Die beiden haben noch einmal die Kurve gekriegt. Die Bundeskanzlerin schenkte dem türkischen Premier eine weiße Friedenstaube aus Ton. Und der betonte gleich mehrmals vor der Presse das "große Glück", das er empfinde ob des Besuches aus Deutschland. Die beiden sollten sich öfter treffen. Im Ernst. 2006 war Merkel das letzte Mal in der Türkei, ein Desinteresse, das von türkischer Seite leicht als Geringschätzung ausgelegt wird. Und wo nicht miteinander geredet wird, wird umso mehr übereinander geredet. Dann vor allem mit Blick aufs heimische Publikum.

Der Streit um türkische Schulen in Deutschland war das beste Beispiel, wie leicht so ein Gefecht über Bande außer Kontrolle geraten kann. Natürlich ist Premier Tayyip Erdogan ein Meister der unglücklichen Formulierung, manchmal liegt auch ein unglücklicher Gedanke zugrunde.

Aber wie die deutsche Debatte sich zu immer neuen Höhen der Entrüstung emporschraubte, das hatte hysterische Züge. Merkel besucht Ankara, auf der Agenda stehen der Griff Irans nach der Atombombe, die Energieversorgung Deutschlands und die Zukunft Europas - und es wird über nichts anderes debattiert als über türkische Gymnasien?

Am Montag sah es dann so aus, als habe der Streit mindestens zur Hälfte auf einem Missverständnis beruht. Ein Grund zum Aufatmen ist das nicht. Es hat sich wieder einmal gezeigt: Das Erregungspotential ist hoch, die Atmosphäre leicht zu vergiften.

Gerade für Deutschland mit seinen drei Millionen türkischstämmigen Bürgern steht viel auf dem Spiel. Merkel sollte öfter mit Erdogan reden. Eine Friedenstaube abliefern, reicht da nicht. Auch in der Türkei ist Tontaubenschießen ein beliebter Sport.

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