Merkel und die SPD:Fünf Gründe für eine große Koalition

Merkel und Gabriel beim SPD-Jubiläum in Leipzig

SPD-Chef Gabriel und Bundeskanzlerin Angela Merkel: Neuauflage einer politischen Vernunftehe?

(Foto: AFP)

Die FDP ist raus, für Rot-Grün reicht es nicht. Angela Merkel verpasst knapp die absolute Mehrheit. Ein klassisches Patt. Aber es gibt eine Lösung: die große Koalition. Von den Bürgern gewollt - von den Parteien gehasst.

Eine Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

Die FDP ist also nicht mehr in der Regierung und zum ersten Mal auch nicht mehr im Bundestag. Die Wähler haben die FDP knallhart raus- und die schwarz-gelbe Koalition abgewählt. Angela Merkels CDU hat ein triumphales Ergebnis eingefahren, knapp an der absoluten Mehrheit vorbei. Aber was jetzt? Wie wird das Land regiert werden?

Den Ankündigungen der Parteien vor der Wahl nach zu urteilen, ist Deutschland jetzt unregierbar geworden. Die Grünen wollen sich nicht mit der Union einlassen. Auf die FDP kommt es nicht mehr an, genauso wenig wie auf die AfD. Die SPD hat ein Linksbündnis mit Grünen und Linken vor allem wegen der Linken für unmöglich erklärt. Ihr gescheiterter Spitzenkandidat Peer Steinbrück fand eine große Koalition mit Merkel an der Spitze so furchtbar, dass er einer persönlichen Beteiligung mehrfach eine überaus deutliche Absage erteilte.

Und dennoch: Die große Koalition wird kommen. Mag Steinbrück wollen oder nicht. Ab jetzt geht es nicht mehr um ihn. Fünf Gründe, warum Merkel bald zusammen mit der SPD das Land regieren wird.

1. Die Hintertüren der SPD sind weit geöffnet

Steinbrück hat sich selbst ins Off manövriert mit seiner Ankündigung, unter einer Kanzlerin Merkel nichts werden zu wollen. Das gilt aber nicht für alle Sozialdemokraten. Sein Schattenarbeitsminister Klaus Wiesehügel hat schon vor der Wahl klargemacht, dass er Minister werden möchte - egal, wer im Kanzleramt sitzt. Innerlich haben sich viele SPDler bereits Wochen vor der Wahl auf diese Konstellation vorbereitet. Steinbrück mag noch aus persönlichen Gründen - er ist 66 und vielleicht reicht es einfach auch mal - ein solches Bündnis ablehnen. Staatspolitisch würde es der SPD aber als verantwortungslos ausgelegt werden, wenn sie sich verweigert. Erst das Land, dann die Partei. Kleine Parteien können sich den Luxus leisten, diese Regel zu ignorieren. Die SPD, die immer noch den Anspruch hat, Volkspartei zu sein, kann dies nicht.

2. Merkel ist diesmal billig zu haben

Eine Neuauflage der großen Koalition bringt für die SPD einige Vorteile mit. Anders als 2005 stellt die SPD vor der Wahl nicht den Kanzler. Damals war es wichtig, aus der Führungsrolle in der rot-grünen Regierung heraus nicht umgehend in der Opposition zu landen. Diesmal ist Merkel auf die SPD angewiesen. Sie kann sogar von Glück sagen, dass es nicht für die absolute Mehrheit gereicht hat. Das wäre ein Pyrrhussieg, denn jeder einzelne Abgeordnete von CDU und CSU hätte die Regierung an die Wand fahren können. Nachdem sie die SPD aber 2009 auf 23 Prozent herrunterregierte, werden die Sozialdemokraten ihre Fehler von damals nicht wiederholen wollen. Sie werden sich in Koalitionsverhandlungen teuer verkaufen können. Auch deshalb, weil ein Linksbündnis grundsätzlich nicht nur rechnerisch möglich ist, wie schon 2005. Es ist auch inhaltlich und personell nicht mehr Lichtjahre von der SPD entfernt. Da kann die SPD-Basis auf ihrem Parteitag Mitte Oktober beruhigt der großen Koalition zustimmen.

3. Die größten Brocken hat Merkel schon abgeräumt

Merkel ist flexibel, solange ihr eigener Anspruch auf das Kanzleramt nicht in Frage gestellt wird. Ein gesetzlicher Mindestlohn ist da ebenso drin wie eine Mietpreisbremse, eine Pflegereform oder bessere Bedingungen für Leiharbeiter. All diese Themen hat Merkel ohnehin schon auf der Agenda. So irre weit entfernt von der SPD ist die CDU nicht mehr, als dass Merkel mit ihrer Basis Schwierigkeiten bekommen könnte, wenn sie sich auf weitreichende Kompromisse einlässt. Die sind mit der SPD wenigstens möglich. Die FDP hat dagegen immer Paketlösungen gefordert: Ihr kriegt das Betreuungsgeld komplett so, wie ihr das wollt. Wir kriegen dafür die Abschaffung der Praxisgebühr. Auch die Erinnerung an die "Ganz-oder-gar-nicht"-Art der FDP-Verhandlungsführer erleichtert Merkel den Schwenk hin zur SPD.

Bundestagswahl 2013

4. Regieren ist besser als opponieren

Opposition ist Mist. Das hat der ehemalige SPD-Vorsitzende und Vizekanzler der vergangenen großen Koalition Franz Müntefering mal gesagt. Ein wahrer Satz. Auch wenn es mit Merkel nicht leicht ist: Wer gestalten will, muss mitregieren. Ministerien sind mächtige Apparate. Sie komplett den anderen zu überlassen, nur weil bei der Wahl 2009 die Rechnung nicht aufging, wäre aus sozialdemokratischer Sicht arg fahrlässig. Und nicht zu unterschätzen: In der Opposition gibt es so gut wie keine Chance, Posten zu verteilen. Fraktionschef, Parteichef, das war es in der ersten Reihe. Mit ein paar Ministern und neuen Mitarbeiter in den Ministerien - vom Referatsleiter bis zum Staatssekretär - lässt sich weitaus mehr bewegen, als wenn man in der Opposition immer neue Gesetzentwürfe schreibt, die im Bundestag keine Mehrheit finden.

5. Eine große Koalition hat es leichter im Bundesrat

Im Bundesrat hätte zwar auch eine große Koalition keine absolute Mehrheit. Aber Union und SPD stellen in allen Ländern außer Baden-Württemberg die Regierungschefin oder den Regierungschef. Das macht Lösungen einfacher, als wenn etwa Schwarz-Gelb auf eine rote Front in der Länderkammer stieße. Die große Koalition wäre also eine Chance, wichtige Reformen im Einvernehmen mit den Ländern umzusetzen. Die gäbe es in anderen Konstellationen so nicht.

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