Angela Merkel:Im Amt gefangen

Angela Merkel

Trennt Berufliches und Privates konsequent: Kanzlerin Angela Merkel

(Foto: Getty Images)

Nüchtern, pragmatisch, sachlich - das ist Angela Merkels Regierungsstil. Die Kanzlerin will Gefühle nicht politisch instrumentalisieren. Aber genau deswegen wirkt sie oft nur kalt.

Kommentar von Nico Fried

Zu Beginn ihrer Amtszeit hat Angela Merkel gesagt: Ich will Deutschland dienen. So ein Satz erscheint lässigeren Gemütern als ein wenig altbacken. Er war auch eher an die eigene konservative Klientel gerichtet, die sich damals nicht sicher war, ob diese protestantische Frau aus dem Osten überhaupt Kanzlerin kann. Doch der Satz enthielt einen Kern, den Angela Merkel in bald zehn Jahren an der Regierungsspitze durchaus beachtet hat: Das Amt hat Priorität, die Person muss dahinter zurückstehen.

Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, war für Merkel stets ein striktes Gebot. Berufliches und Privates hat sie so konsequent getrennt wie kein Kanzler vor ihr. Politik ist für sie eine ernste Angelegenheit. Sie macht sich öffentlich selten über andere lustig - auch ein Grund, weshalb ihre Reden meistens langweilig sind. Sie setzt keine Emotionen als politische Instrumente ein. Wo sie geht und steht, trägt sie das Amt mit sich herum. Der einzige Ort, an dem sie sich öffentlich hemmungslose Gefühle gestattet, ist die Ehrentribüne im Fußballstadion. An Wahlabenden dagegen nicht.

Bei Flüchtlingsmädchen Reem konnte Merkel nicht aus ihrer Haut

Diese Strenge hilft Merkel, solange Politik das Abwägen von Interessen, das Ringen um Kompromisse ist, solange Ergebnisse berechnet, Fakten recherchiert und Verhandlungen geführt werden. Aber die Strenge zieht sich in dem Moment wie eine Fessel fest, in dem Emotionen politisch werden. So ist es Merkel im Umgang mit dem palästinensischen Mädchen Reem gegangen, das nach vier Jahren Aufenthalt in Deutschland nun abgeschoben werden soll. Die Kanzlerin konnte nicht aus ihrer Haut.

Nüchternheit, Pragmatismus, Schritt für Schritt - das sind die Begriffe, die sich mit Merkels Regierungsstil verbinden. Immer schön sachlich bleiben. Wenn die Partner Seehofer heißen oder Gabriel, ändert sich daran nichts, es dauert nur noch länger, weil Merkel abwartet, bis sich die Gemüter beruhigen.

Die Kanzlerin, die das Persönliche in der Politik so sehr reduzierte, hat gerade damit als politische Person zunächst Respekt, dann Anerkennung und sogar Vertrauen in einem Maße gewonnen, wie es vor zehn Jahren niemand für möglich gehalten hätte. 2013 konnte die Union deshalb mit Erfolg ihre Wahlkampagne komplett auf Merkel ausrichten. Ihren Siegersatz im Fernsehduell mit Peer Steinbrück sprach sie direkt zu den Zuschauern: "Sie kennen mich."

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