Merkel über Prism-Skandal:Ich bin die Chefin. Ich weiß von nichts

Merkel über Prism-Skandal: Angela Merkel und Regierungssprecher Steffen Seibert während der Sommerpressekonferenz in Berlin.

Angela Merkel und Regierungssprecher Steffen Seibert während der Sommerpressekonferenz in Berlin.

(Foto: AFP)

Wer glaubt, Angela Merkel würde helfen, die Prism-Affäre aufzuklären, liegt falsch. Die Kanzlerin glänzt auf der Bundespressekonferenz durch demonstrative Unwissenheit. Ihre Botschaft: Details gehen mich nichts an. Sie offenbart dabei ein sehr merkwürdiges Amtsverständnis.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Angela Merkel ist Physikerin. Sie hat technisches Verständnis. Sie ist zudem neugierig und an Fakten interessiert. Eigentlich beste Voraussetzungen, um einen Skandal wie den um das US-Abhörprogramm Prism zu verstehen. Damit sollen die Amerikaner nahezu flächendeckend deutsche Bundesbürger ausgespäht haben.

Dass der Kanzlerin die intellektuellen Fähigkeiten fehlen, sich in das Thema einzuarbeiten, dürfte also unwahrscheinlich sein. Sie will einfach nicht. Sie sei schließlich nicht mehr Physikerin, sagt sie in ihrer Sommerpressekonferenz in Berlin. "Ich habe jetzt einen anderen Beruf." Kanzlerin nämlich. Für Details sei sie nicht mehr zuständig.

Eine Kanzlerin kann nicht alles wissen. Und sollte es auch nicht. Aber der Fall Prism ist anders gelagert. Seit Wochen bestimmt er die öffentliche Debatte. Wenn die Amerikaner wirklich unbescholtene Bundesbürger überwacht haben, dann ist das ein Angriff auf die Souveränität und Integrität Deutschlands. Spätestens da sollte Merkel wissen, worum es eigentlich geht. Das ist dann schlicht Chefsache.

Merkel scheint ein sonderbares Verhältnis zu ihrer Chefrolle zu haben. Eines, das so geht: Ich bin Chefin. Ich weiß von nichts.

"Ich kann zu dem Sachverhalt nichts sagen"

Sie gibt das auch noch offen zu. "Mir ist es völlig unmöglich, eine Analyse von Prism vorzunehmen", sagt sie gleich zu Beginn der Pressekonferenz. Wer hergekommen sei, um sich Aufklärung zu erhoffen, der sei aus den falschen Gründen da. Es sei nicht ihre Aufgabe, sich um Details zu kümmern. Oder: "Ich kann zu dem Sachverhalt nichts sagen."

Merkel bleibt an diesem Freitag ihrer Strategie der demonstrativen Unwissenheit treu. Solange es um Informationen geht, die die Amerikaner den Deutschen zur Verfügung stellen müssten, ist das schon schlimm genug. Aber selbst auf die Frage, ob es irgendein Abkommen oder irgendeine Rechtsgrundlage gebe, die den Amerikanern erlaube, in Deutschland Bundesbürger auszuspähen, sagt Merkel nur: "Meiner Kenntnis nach nicht."

Was bitte ist das für eine Antwort? Es sollte einer deutschen Kanzlerin doch möglich sein, festzuhalten, auf welcher Rechtsgrundlage Deutschland mit den USA über die Prism-Aufklärung verhandelt. Wenn nicht einmal das klar ist, dann erübrigen sich auch Merkel-Sätze wie: "Auf deutschem Boden gilt deutsches Recht." Sie weiß ja nicht mal welches Recht.

Merkels angebliches Interesse an Aufklärung ist keines. Seit Wochen wird über das durch Edward Snowden enthüllte NSA-Programm Prism diskutiert. Seitdem ist Merkel keinen Schritt weitergekommen. Ein Fragenkatalog sei an die Amerikaner geschickt worden. Der sei halt bis heute nicht beantwortet.

Der Referent in einer Unterabteilung ihres Kanzleramtes darf es sich vielleicht so einfach machen. Eine Kanzlerin darf das nicht.

Sie ist die Chefin. Sie sollte das wissen.

Linktipp: Den genauen Verlauf der Sommerpressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel können Sie im Süddeutsche.de-Liveblog nachlesen.

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