Merkel trifft Trump:Nebendarstellerin im Trump-Drama

In den US-Medien kommt Angela Merkel gut weg, weil anderes dominiert: Wieso hält der US-Präsident am Abhör-Vorwurf fest und warum saß Ivanka Trump neben Merkel?

Von Matthias Kolb, Washington

Um 11.50 Uhr war es endlich soweit: US-Präsident Donald Trump empfing die deutsche Bundeskanzlerin vor dem Weißen Haus mit einem kurzen Händeschütteln. Wegen einer Sturmwarnung war der Besuch von Angela Merkel um drei Tage verschoben worden - auf unzählige Analysen, die zu Wochenbeginn das Treffen zwischen der "Person des Jahres 2015" und der "Person des Jahres 2016" (jeweils Time Magazine) einleiteten, folgten noch mehr Texte und Diskussionen in den Kabelsendern.

Am Freitagmorgen wurde in Washington am häufigsten über eine Schlagzeile von Politico geredet, in der Merkel zum wiederholten Mal zur Retterin erklärt wurde: "Der leader der freien Welt trifft Donald Trump". Die Kanzlerin hielt sich stoisch an die vorab ausgegebene Botschaft: Sie wollte den neuen US-Präsidenten persönlich kennenlernen und erklärte in der Pressekonferenz, es sei besser miteinander als übereinander zu reden.

Wer am Abend - Merkel ist bereits auf dem Rückweg und Trump mit First Lady Melania in Florida angekommen - durch die TV-Sender schaltete und die Nachrichtenseiten absurfte, merkte schnell: Die Kanzlerin ist Nebendarstellerin in der täglichen Trump-Show. "The defender meets the disruptor" überschreibt die New York Times ihren Bericht und bestätigt den Gegensatz zwischen der Verteidigerin der alten Ordnung und dem potenziellen Zerstörer.

Die abendlichen Talkshows bei Fox News widmen Merkel nur wenig Raum und auf ihrer Website geht es darum, dass eine CNN-Analystin zugegeben hat, Hillary Clintons Team im Frühjahr 2016 Fragen vor einer TV-Debatte mit Bernie Sanders mitgeteilt zu haben. Es dominiert ein anderes Thema - sowohl bei CNN als auch bei der Washington Post oder dem US-Ableger des Guardian geht es darum, dass Trump weiter unbeirrt und ohne jegliche Beweise behauptet, sein Vorgänger Barack Obama habe ihn während des Wahlkampfs abhören lassen.

Trump verlässt sich auf "Fox News" - ohne Kompromisse

"Trump zieht zwei Alliierte hinein in die Kontroverse um unbelegte Abhör-Vorwürfe", schreibt die Post auf ihrer Website. Das bezieht sich einerseits auf das Vereinigte Königreich: Das Weiße Haus hatte den britischen Geheimdienst GCHQ beschuldigt, Trump im Auftrag Obamas abgehört zu haben. Das hatte der GCHQ in einer offiziellen Mitteilung als "Unfug" bezeichnet und Premierministerin Theresa May erklärte, Washington werde diese Behauptung nicht mehr wiederholen.

Es kam anders: In Gegenwart von Bundeskanzlerin Merkel stellte Trump die Sache nicht klar, sondern rechtfertigte sich damit, nur die Meinung eines Fox News-Experten wiedergegeben habe. Dies ist an sich schon ungewöhnlich (ein US-Präsident hat andere Informationsquellen), doch hinzu kommt, dass der konservative Sender selbst die Behauptung seines Experten Andrew Napolitano nicht bestätigen kann.

Die Frage, ob Trump oder irgend jemand einen Beleg für den Abhör-Vorwurf bringen kann, wird das politische Washington bis auf Weiteres beschäftigen (Unterlagen des Justizministeriums, die einem Kongressausschuss übergeben wurden, beinhalten laut CNN keine Beweise). Das Thema wird die Sonntagsshows dominieren und am Montag sagt FBI-Chef James Comey öffentlich aus - er hatte Trumps via Twitter erhobene Behauptung vor zwei Wochen als Unfug bezeichnet.

Online-Debatten um Handschlag und Ivankas Rolle

Ausführlich wurde auch kurz vor dem Wochenende debattiert, wieso Donald Trump im Oval Office Kanzlerin Merkel nicht die Hand reichen wollte, als ein Fotograf danach fragte. Manche sehen dies als grobe Unhöflichkeit, während andere glauben, dass Trump Merkels Frage schlicht nicht gehört habe. Möglichkeit drei: Trump sei vorab informiert worden, dass Merkel eher distanziert sei und man wollte weitere Debatten über Trumps ausdauerndes Händeschütteln vermeiden (19 Sekunden zerrte er an Japans Premier Abe).

Bei Websites wie Mashable, die ein jüngeres Publikum ansprechen, ging es um die Frage, warum Präsidententochter Ivanka Trump beim Gespräch mit Wirtschaftsvertretern über die Vorteil des deutschen "dualen Ausbildungssystems" neben der Kanzlerin saß. Ein Foto mit einem skeptische Merkel-Blick wurde schnell zu einem kleinen Internet-Hit.

Ivanka Trump schrieb auf Twitter, sie sei geehrt, mit Merkel diskutieren zu dürfen. Die 35-Jährige hat kein offizielles Amt im Weißen Haus inne; allerdings ist ihr Ehemann Jared Kushner ein wichtiger Berater seines Schwiegervaters. Als Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau Washington besuchte, hatte Trumps älteste Tochter eine ähnliche Veranstaltung mitorganisiert: Wie kann man es Frauen erleichtern, Beruf und Familie zu vereinbaren.

Laut der Nachrichtenagentur AP hatte Ivanka Trump die Unternehmensbosse für das Treffen mit Merkel und den Chefs von Siemens, BMW und Schaeffler auserwählt. Ein Beamter des Weißen Hauses sagte AP, Mitarbeiter des Kanzleramts hätten den Kontakt zu Ivanka gesucht.

Der Artikel sieht die Tatsache, dass die dreifache Mutter neben der Bundeskanzlerin platziert wurde, als Beleg für Ivankas Einfluss. Das Verhalten ihres Vaters in der Pressekonferenz mit Angela Merkel zeigte jedoch, dass Trump auch als Präsident vor allem an sich selbst glaubt - und nicht bereit ist, Fehler einzugestehen oder sich für etwas zu entschuldigen.

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