Süddeutsche Zeitung

Merkel und Putin:Auf Immerwiedersehen

  • Wenige Staatschefs kennt Bundeskanzlerin Merkel besser als Russlands Präsidenten Putin, mit dem sie seit ihrer ersten Kanzlerschaft 2005 immer wieder zu tun hat.
  • Auch bei einem Arbeitsbesuch am Samstag werden die beiden Regierungschefs über die großen Themen im deutsch-russischen Verhältnis sprechen.
  • Beim Thema Syrien gibt es einen leichten Hoffnungsschimmer - auch weil Putin in seiner Heimat nicht mehr so unangreifbar ist wie einst.

Von Nico Fried und Frank Nienhuysen

An diesem Samstag empfängt die Bundeskanzlerin auf Schloss Meseberg Wladimir Putin. Angela Merkel und der russische Präsident setzen bei diesem sogenannten Arbeitsbesuch im Gästehaus der Bundesregierung einen deutsch-russischen Dialog fort, von dem es merkwürdigerweise immer mal wieder heißt, er müsse verstärkt werden. Dabei war gerade der Austausch zwischen Merkel und Putin in den vergangenen Jahren intensiv - nicht trotz, sondern gerade wegen des Ukraine-Konflikts und des Krieges in Syrien.

So haben Merkel und Putin allein seit dem Sommer 2013, also über einen Zeitraum von fünf Jahren, gemäß den offiziellen Mitteilungen des Bundespresseamtes mindestens 54 Mal miteinander telefoniert - meistens nur zu zweit, seit der russischen Annexion der Krim aber auch häufig mit dem ukrainischen und dem französischen Präsidenten im sogenannten Normandie-Format. Persönlich getroffen haben sie sich im selben Zeitraum 15 Mal, sowohl in bilateralen Begegnungen oder im Normandie-Format, auf internationalen Gipfeltreffen oder auch auf der Ehrentribüne beim Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien.

Putin ist für Merkel eine Art Seehofer der Außenpolitik

Die Gespräche über das Ukraine-Abkommen in Minsk im Februar 2015 gehören mit 17 Stunden zu den längsten Verhandlungen, die Merkel je geführt hat. Aber auch die Zweiertreffen mit Putin, dem nachgesagt wird, vor allem zu Beginn eines Gesprächs gerne zu monologisieren, können dauern: Am Rande des G-20-Gipfels in Brisbane unterhielten sich Präsident und Kanzlerin im November 2014 vier Stunden lang, obwohl sie sich erst um 22 Uhr zusammengesetzt hatten.

Putin ist in Angela Merkels Kanzlerschaft eine Art Horst Seehofer der Außenpolitik: Immer wieder liegt sie mit ihm im Streit - und trotzdem ist er nicht wegzudenken. Seit Merkel 2005 ins Amt kam, sind beide Herren ständige Begleiter, der Bayer in Deutschland, der Russe international. Seehofer und Putin wechselten gelegentlich ihre Posten - beide waren zwischendurch Ministerpräsident - aber der Kanzlerin blieben sie stets und in jeder Funktion erhalten. Mit beiden hat Merkel bis heute manches erreicht, aber auch immer wieder hart gerungen - und über die Jahre jede Menge Ärger angehäuft. Dafür dürfte es keine anderen zwei unter all den Kollegen geben, mit denen Merkel zu tun hat, die sie so gut kennt. Und umgekehrt.

Beim Thema Syrien könnte es Bewegung geben

Syrien, die Ukraine und die Gas-Pipeline Nord Stream 2, seit Jahren Dauerthemen im deutsch-russischen Verhältnis, stehen auch diesmal auf der Agenda. Am Freitag nannte Merkel auch noch Libyen, wo sie daraufsetzt, dass Russland sich stärker für eine politische Stabilisierung einsetzt, was für die gesamte Migrationspolitik gegenüber Afrika eine wichtige Voraussetzung wäre. Obwohl die Kanzlerin die Erwartung an konkrete Ergebnisse vor dem Treffen mit Putin dämpfte, scheint es aber vor allem in Syrien Bewegung zu geben.

Während ihres Urlaubs hatte Merkel Russlands Außenminister und Generalstabschef empfangen, was Mutmaßungen Vorschub gab, es könne bereits um die Vorbereitung etwaiger deutscher Wiederaufbauhilfe gehen, um Flüchtlinge vor allem aus den überlasteten Nachbarstaaten wieder in die Heimat zu locken. Doch aus Berliner Sicht sind dafür noch zu viele Fragen offen, nicht zuletzt, was die Sicherheit der Eigentumsverhältnisse geflohener Syrer betrifft.

Putin hat die Aura der Unantastbarkeit verloren

Eine leise Hoffnung auf mehr Einigkeit mit Moskau ist dennoch zu vernehmen. Denn es gibt noch eine Parallele zwischen Putin und Seehofer: Wie der CSU-Chef hat auch der russische Präsident in seiner Heimat deutlich an Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Nur noch 16 Prozent der Russen unterstützen nach einer Umfrage des unabhängigen Lewada-Instituts Putins außenpolitischen Kurs. Von der Beteiligung Russlands am Syrienkrieg sind die Russen offenbar besonders ermüdet: "Viele von ihnen meinen, es reicht jetzt, jedem helfen zu wollen. Wir müssen uns selber helfen", sagte der Soziologe Denis Wolkow der Zeitung RBC. Und ähnlich wie Seehofer - und Merkel - hat auch Putin wohl nur noch die laufende Amtszeit, um seine Bilanz zu polieren.

Das gilt auch in der Wirtschaftspolitik. Der Rubel ist nach den jüngsten US-Sanktionen auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren gefallen. Und die Rentenreform, die von der Regierung im Taumel der Fußball-WM fast beiläufig eingeleitet wurde, ist daheim so umstritten wie kein anderes Projekt zuvor. Putin hat die Sehnsucht vieler Bürger gestillt, Russland außenpolitisch wieder Einfluss zu verschaffen. Allerdings setzen die wirtschaftliche Schwäche und auch die Sanktionen des Westens dem Land dauerhaft zu. So hat Putin die Aura der Unantastbarkeit in seiner Heimat verloren. Vor wenigen Tagen sah er sich sogar genötigt, die russische Jugend zu positiveren Äußerungen in den sozialen Medien aufzurufen.

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SZ vom 18.08.2018/csi
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