Merkel trauert um gefallene Soldaten:"Deutschland verneigt sich"

Kanzlerin Merkel spricht auf der Trauerfeier für die in Afghanistan gefallenen Soldaten den Angehörigen ihr Mitgefühl aus - und räumt Zweifel an dem Einsatz ein.

Marc Widmann

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei einer Trauerfeier drei am Karfreitag bei Kundus getötete Bundeswehrsoldaten geehrt und persönliche Zweifel am Afghanistan-Einsatz eingeräumt. "Ich verneige mich vor Ihnen, Deutschland verneigt sich vor Ihnen", sagte Merkel am Freitag in der Dorfkirche im niedersächsischen Selsingen.

Es gebe wohl "keinen Abgeordneten und kein Regierungsmitglied", die nicht schon Zweifel an der Mission gehabt hätten. Gleichzeitig verteidigte die Kanzlerin jedoch die Bundeswehrpräsenz. Afghanistan dürfe nicht wieder zur "Brutstätte des weltweiten Terrors" werden. "Ich stehe sehr bewusst hinter dem Einsatz, weil er der Sicherheit unseres Landes dient." Deutsche Soldaten kämpften dort, um zu verhindern, "dass Terroristen uns auch hier in Deutschland treffen". Sie erinnerte an die Anschläge in New York, Madrid und London. Merkel nahm erstmals an einer Trauerfeier für gefallene Soldaten teil.

Schwieriger Einsatz

Die Kanzlerin räumte ein, dass der Einsatz "schwieriger ist, als wir gedacht haben". Es habe manche Fortschritte gegeben, "aber auch zu viele Rückschläge". Die Bundeswehr werde "keinen Tag länger als notwendig" in Afghanistan bleiben. Einen Abzugstermin wollte sie aber nicht nennen. Merkel sagte, die meisten Soldaten würden den Einsatz in Afghanistan mittlerweile Bürgerkrieg oder Krieg nennen. "Ich verstehe das gut." Wer ständig mit Angriffen rechnen müsse, denke nicht an den von der Regierung verwendeten juristischen Begriff "nicht-internationaler bewaffneter Konflikt".

Deutlicher wurde Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). "Was wir am Karfreitag in Kundus erleben mussten, bezeichnen die meisten verständlicherweise als Krieg - ich auch", sagte er. Auf seinen früheren Zusatz, dass das nur umgangssprachlich gemeint sei, verzichtete er. Auf die Frage seiner Tochter, ob die drei Soldaten Helden seien und ob sie stolz auf sie sein dürfe, habe er kürzlich "nicht politisch, sondern ganz einfach mit Ja geantwortet".

Die in Afghanistan stationierten Soldaten müssten sich "darauf verlassen können, das zu bekommen, was sie brauchen", sagte Guttenberg und nannte den Rückhalt der Gesellschaft.

Hunderte Trauernde

Vor dem Altar der Kirche waren die Särge der drei Soldaten aufgestellt, bedeckt von der schwarz-rot-goldenen Fahne, dem Helm und einem Foto der Getöteten. Sie waren am Karfreitag gestorben, als ihre Einheit nahe Kundus auf der Suche nach Minen von Dutzenden Taliban-Kämpfern angegriffen wurde.

Der mit 35 Jahren gestorbene Hauptfeldwebel Nils Bruns hinterlässt ein kleines Kind, ebenso der 28-jährige Hauptgefreite Martin Kadir Augustyniak. Der dritte Soldat, Stabsgefreiter Robert Hartert, wurde 25 Jahre alt. Acht ihrer Kameraden wurden verletzt, vier von ihnen liegen noch immer im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz. Erst seit wenigen Wochen waren die Soldaten der Luftlandebrigade 31 im Norden von Afghanistan im Einsatz.

Am Samstag will Merkel das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam besuchen, um sich dort über die Ereignisse zu informieren.

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