Merkel stellt Rösler-Biographie vor:Eine Stunde Lob - mit Grenzen

Angela Merkel hätte allen Grund, ihrem Wirtschaftsminister gram zu sein. Doch heute will die Kanzlerin loben. Sie präsentiert die erste Biographie über ihren Vizekanzler und sagt Sätze wie: "Wer Philipp Rösler unterschätzt, hat schon verloren." Sie betont die Ähnlichkeiten ihrer Lebenswege und schwärmt mit dem FDP-Chef über Udo Jürgens. Nur in einer Frage versteht Merkel keinen Spaß.

Thorsten Denkler, Berlin

Nein, die Sache mit der Barbie-Puppe, die hat Angela Merkel nicht vergessen. Vor gut einem Jahr war das, als Philipp Rösler, damals noch Gesundheitsminister, auf dem Gillamoos-Volksfest über die Kanzlerin herzog. Die gebe es jetzt auch "als Barbie-Puppe", lästerte er. Für 300 Euro. "Das heißt die Puppe gibt es für 20 Euro. Aber richtig teuer werden die 40 Hosenanzüge."

Buchvorstellung Philipp Rösler

Gute Laune bei der Buchvorstellung: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) präsentierte in Berlin die Biographie Philipp Rösler - ein Porträt. Glaube. Heimat. FDP, die Michael Bröcker über den Vizekanzler geschrieben hat.

(Foto: dpa)

An diesem Dienstag stellt Merkel eine Biographie des Journalisten Michael Bröcker über Philipp Rösler vor. Titel: Philipp Rösler - ein Porträt. Glaube. Heimat. FDP. Der Wirtschaftsminister ist natürlich auch da - und hofft, dass ihn die Kanzlerin gut wegkommen lässt. Aber da hat er wenig zu befürchten. Wer Merkel so reden hört, der kann den Eindruck bekommen, dass sie den netten Vizekanzler wohl auch adoptieren würde.

Nur die Sache mit der Barbie-Puppe, die schmiert sie ihm hier in der Katholischen Akademie in Berlin noch mal aufs Butterbrot. Dabei ist Nachtreten eigentlich keine sehr christliche Eigenschaft. Vor allem in diesen vom Papst vergangene Woche durch seine pure Anwesenheit geheiligten Räumen.

Merkel sagt an sich sehr nette Sachen über den netten Herrn Rösler. Der sei ein "Homo politicus" und somit sei "Nettigkeit die völlig falsche Kategorie". Bei der steilen Karriere, die Rösler hingelegt habe, muss gesagt werden, der verstehe sein Geschäft. Und er sei einer, der den Menschen die Dinge erklären könne. "Ob mit oder ohne Handpuppe", sagt sie in Anspielung auf das Hobby des FDP-Chefs. Rösler ist begeisterter Bauchredner. Dann setzt sie nach: "Ich könnte auch sagen mit oder ohne Barbie-Puppe." Der Blick, den sie da Rösler zuwirft, ähnelt dem einer Mutter, die ihrem erwachsenen Sohn mal wieder vor der versammelten Verwandtschaft vorhält, vor Jahren die versteckten Süßigkeiten im Schrank aufgegessen zu haben.

Rösler grinst und duckt sich ein wenig weg, als habe er Angst, dass es gleich Haue geben könnte.

Es ist genau dieses Verhalten, das dem 38-Jährigen das Nett-Image eingebracht hat. Merkel scheint zu wissen, dass das nicht ganz zutrifft. "Wer Philipp Rösler unterschätzt, der hat schon verloren", sagt sie.

Gemeinsamkeiten von Merkel und Rösler

Merkel zeigt die Parallelen auf, die es zwischen ihren beiden Lebenswegen gibt. Rösler habe "eine der ungewöhnlichsten Politikerbiographien, die es in Deutschland je gegeben hat", sagt sie. Er, der als Waisenkind in den Wirren des Vietnamkriegs geboren wurde, ist zum Wirtschaftsminister und Vizekanzler aufgestiegen. Auch die deutsche Einheit habe ungewöhnliche Biographien hervorgebracht, schmunzelt Merkel. Da sei es nicht ganz verkehrt, wenn sie das Buch jetzt vorstelle.

Beide hätten sich auch erst bei anderen Parteien umgesehen, bevor sie sich festgelegt hätten. Pragmatisch nennt Merkel ihren Zugang zur Politik. Genau dies werfen ihr ihre Kritiker gerne vor: Die Kanzlerin stehe mit zu wenig Herzblut für die christdemokratische Sache ein.

Aber war es jetzt Zufall, dass es beide in die Politik verschlagen hat? Merkel findet nicht. "Philipp Rösler geht es um das Zusammenleben in einer freien Gesellschaft", sagt sie, "um die Verantwortung des Einzelnen gegenüber seinen Mitmenschen." Da gehe es ihr sehr ähnlich.

Und doch hat sie bemerkt, dass Rösler vor allem in seinem neuen Amt als FDP-Vorsitzender "misstrauischer" gegenüber seinen Mitmenschen geworden sei. Auch das gehört zu dem, was Merkels Kritiker lange Zeit an ihr selbst moniert hatten, nachdem sie 2005 ins Kanzleramt eingezogen war. Vielleicht hat sie das überwunden. Die CDU-Chefin geht mittlerweile lockerer mit ihren kleinen Fehlern um. Sie spricht ungelenk, was zuweilen zu unfreiwillig komischen Wortbeiträgen führt. Früher wirkte sie verstört, wenn ihr Publikum plötzlich lachte, ohne dass sie mitbekommen hätte, worüber. Heute spielt sie damit.

Das Vertrauen der Kanzlerin

Vielleicht kann sie Rösler deshalb diesen Hinweis mit auf den Weg geben. "Misstrauen gehört dazu. Aber Vertrauen kann belohnt werden." Und wer jetzt immer noch nicht glaubt, dass Merkel viel von Rösler hält, der höre auf diesen Satz: "Ich glaube, wir haben dieses Vertrauen zueinander gefunden." Da dürfte einiges dran sein. Wenn dem nicht so wäre, hätte sie sicher nicht dieses Buch vorgestellt.

Merkel kann ihn gar nicht genug loben. Rösler sei nicht nur nett, sondern auch "fix" und "schnell" und von "hoher Auffassungsgabe". Sie bewundere, wie schnell er Reden intus habe. Ihr gefalle seine "zurückhaltende, unprätentiöse Art". Die Kanzlerin spricht über Rösler, als wäre er ihr Zögling mit den Eigenschaften eines Wunderknaben.

Es wird irgendwann ein bisschen viel der Zuneigung, als Rösler und Merkel über den Schlagersänger Udo Jürgens ins Schwärmen kommen. Rösler, ein bekennender Fan, erklärt, dass der Jürgens doch für jeden etwas sei. Der sei "generationenübergreifend", sekundiert Merkel. Rösler schaut erstaunt: "Bist du auch ein Fan?" Merkel lächelt: "Ja." Rösler: "Wusste ich gar nicht." Und hat schon einen Tipp für die Kanzlerin: "Im Februar kommt er nach Berlin" sagt er und schiebt ein aufforderndes "Hhm?" hinterher. Da scheinen jetzt zwei für ein Date verabredet zu haben.

Ein Seitenhieb der Bundeskanzlerin

Kiebig wird die Kanzlerin nur, wenn Rösler ahistorische Bezüge herstellt. In der Griechenland-Frage etwa. Rösler hatte eine "geordnete Insolvenz" Griechenlands ins Spiel gebracht und sich der Kritik daran mit den Worten verwehrt, es dürfe da keine "Denkverbote" geben. Genau das hat Merkel ziemlich in Rage gebracht. Wie sehr, das deutet sie hier nur an. Es sei nicht um die Frage der Insolvenz gegangen, sondern um diese angeblichen Denkverbote. Selbst in der DDR habe man ihr "das Denken nicht verbieten können", sagt sie.

Rösler scheint verstanden zu haben, jedenfalls hat er die Argumentation irgendwann fallen lassen. Die Kanzlerin hat in der knappen Stunde erstaunlich viel Nähe zu ihrem Vizekanzler aufgebaut. Auch eine Art, den Koalitionspartner gefügig zu machen. Für Rösler muss das nicht nur gut sein. Will er mit der FDP irgendwann wieder Erfolg haben, muss er sein Profil schärfen. Zur Not auch gegen Merkel. Die glaubt, dass er das kann. Nur gezeigt hat er das bisher nicht wirklich. So schnell Rösler in der Euro-Frage auf dem Baum war, so schnell kam er auch wieder herunter.

Aber vielleicht kann Rösler das auch gar nicht, immer harte Kante fahren. Als ausgesprochen harmonie- und bindungsbedürftig beschreibt ihn Biograph Michael Bröcker (sehen Sie hier ein Video-Interview mit ihm). Das liege wohl an den traumatischen Erlebnissen als Kleinkind in Vietnam, dieses Herausgerissenwerden aus der gewohnten Umgebung, wie es auch Rösler kurz andeutet. Wer das ändern will, müsste schon Rösler als Menschen ändern. Er ist eben kein "Extrempolitiker", wie Bröcker sagt.

Da kann die FDP nur hoffen, dass so einer in der Extremsituation, in der sich die Partei gerade befindet, der Richtige ist.

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