Streit um Migrations-Äußerung:Merkel widerspricht Seehofer

Merkel und Seehofer 2018 bei einer Kabinettssitzung

Angela Merkel und Horst Seehofer vor einer Kabinettssitzung.

(Foto: AP)

Der Innenminister sieht die Migrationsfrage als "Mutter aller politischen Probleme". Die Kanzlerin sieht das etwas anders - ebenso die anderen Parteien. Nur die AfD verteidigt Seehofer.

Von Robert Roßmann, Berlin

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat mit seiner Äußerung bei der CSU-Kausurtagung in Neuhardenberg, die Migration sei die "Mutter aller Probleme", für erheblichen Unmut gesorgt. "Ich sag' das anders", widersprach ihm Kanzlerin Angela Merkel im RTL-Sommerinterview. "Ich sage, die Migrationsfrage stellt uns vor Herausforderungen. Und dabei gibt es auch Probleme" - es gebe aber auch Erfolge.

Auch SPD, FDP, Grüne und Linke äußerten sich kritisch. Die AfD verteidigte Seehofer dagegen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf Seehofer in einem Tweet "rechtspopulistisches Gequatsche" vor. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner verspottete den 69 Jahre alten CSU-Chef als "Großvater aller Berliner Regierungsprobleme". Und der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, sagte, die tatsächlichen Mütter aller Probleme seien "die schreiende Ungerechtigkeit und die Kriege dieser Welt". FDP-Chef Christian Linder beklagte, Seehofer sehe in Migration nur ein Problem. Das sei aber "zu klein gedacht". Denn mit "Management und Steuerung" könne Einwanderung auch eine Chance für ein alterndes Land sein.

In einem Interview mit der Rheinischen Post wiederholte und präzisierte Seehofer am Donnerstag seine Aussage. Der Innenminister sagte, der Aufstieg der AfD und der schwindende Rückhalt für die Volksparteien liege "natürlich nicht alleine" an der Migrationspolitik. Aber die Migrationsfrage sei "die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land". Das sage er seit drei Jahren - und das würden viele Umfragen bestätigen. Viele Menschen würden "ihre sozialen Sorgen mit der Migrationsfrage" verbinden. Bereits jetzt sei "in Sachsen kaum mehr eine Regierung möglich ohne AfD oder Linkspartei". Das sei doch kein akzeptabler Zustand.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie warf Seehofer trotzdem vor, mit seiner Äußerung "Millionen von Zugewanderten vor den Kopf" zu stoßen, die in Deutschland leben und "ohne die Deutschland jetzt und auch in Zukunft" nicht auskomme.

Bei der Klausur der CSU-Landesgruppe in Schloss Neuhardenberg hatte Seehofer auch Verständnis für die Bürger gezeigt, die in Chemnitz nach dem gewaltsamen Tod eines 35-Jährigen auf die Straße gegangen sind. Die Tat sollen Asylbewerber begangen haben. An den Demonstrationen hatten auch viele Rechtsradikale teilgenommen, einige von ihnen zeigten den Hitlergruß, andere griffen Journalisten an.

Seehofer sagte, er verstehe, "dass die Bevölkerung aufgewühlt ist, dass sie empört ist über dieses Verbrechen - und das sollte die Bevölkerung auch wissen, dass man eine solche Empörung nach einem so brutalen Verbrechen versteht". In der Rheinischen Post sagte der CSU-Chef sogar: "Ich wäre, wenn ich nicht Minister wäre, als Staatsbürger auch auf die Straße gegangen - natürlich nicht gemeinsam mit Radikalen."

Grünen-Chefin Annalena Baerbock verurteilte diese Äußerungen scharf. Sie sagte, "statt nun gemeinsam in einem breiten Bündnis an unserer Demokratie zu arbeiten", würde Seehofer die Ereignisse in Chemnitz kleinreden. Dieses Vorgehen sei nicht nur fatal, es konterkariere auch die Aufgabe eines Innenministers. Denn dieser habe eigentlich den Rechtsstaat vor Verfassungsfeinden zu schützen.

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