Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl:Merkel geht auf Distanz zu Scholz

Lange war die Kanzlerin im Wahlkampf zurückhaltend, nun kritisiert sie den Kandidaten der SPD deutlich: Zwischen ihnen bestehe "ein gewaltiger Unterschied für die Zukunft Deutschlands".

Von Nico Fried und Robert Roßmann, Berlin

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich erstmals deutlich von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz distanziert. "Mit mir als Bundeskanzlerin würde es nie eine Koalition geben, an der die Linke beteiligt ist", sagte sie am Dienstag in Berlin. Ob dies von Scholz so geteilt werde, das "bleibt offen". Es bedürfe jedoch "für die Zukunft gerade in diesen Zeiten auch sehr klarer Aussagen über die Fortführung von Regierungsarbeiten, egal in welcher Konstellation", sagte Merkel. Hier bestehe "ein gewaltiger Unterschied für die Zukunft Deutschlands zwischen mir und ihm". Scholz will bisher eine Koalition mit der Linkspartei nicht ausschließen.

Merkel nahm mit ihrer Einlassung Vorwürfe aus der Union auf, Scholz betreibe eine Art "Erbschleicherei", indem er Merkel im Stil kopiere. Sowohl CSU-Chef Markus Söder als auch CDU-Vize Volker Bouffier hatten diesen Begriff zuletzt gegen Scholz gewendet. Merkel sagte, sie freue sich, "dass Olaf Scholz anerkennt, was wir in der großen Koalition geleistet haben". Sie finde, man habe eine Menge miteinander bewegt. Und "dass darüber seitens der SPD positiv gesprochen wird, das war in der Vergangenheit nicht immer so", sagte die Kanzlerin. "Aber es ist gut, dass es so ist."

CDU-Chef Armin Laschet hatte am Montag mit Blick auf Scholz gesagt, "kanzlerisch" werde man nicht, indem man Merkels Raute nachmache. Dafür müsse man schon Merkels Politik nachmachen. Davon habe er bei Scholz aber auch im Triell nichts gemerkt. Der Sozialdemokrat habe ja noch nicht einmal eine Koalition mit der Linkspartei ausschließen wollen, die Kanzlerin hätte dies getan.

CSU-Chef Söder hatte Scholz vorgeworfen, den Eindruck zu erwecken, "quasi der Nachfolger" Merkels zu sein. Dies sei "so ne Art Erbschleicherei", die man nicht akzeptieren dürfe. Deswegen müsse man jetzt über die Probleme und Fehler von Scholz reden, davon gebe es "ja eine Menge" - zum Beispiel seine Rolle in den Affären um Wirecard und die Cum-Ex-Geschäfte. Außerdem habe Scholz "den Kurs finanzieller Solidität aufgegeben". Er sei sich "ganz sicher, dass wir mit einem Kanzler Scholz am Ende Euro-Bonds" haben werden, sagte Söder der ARD.

Keine leidenschaftliche Unterstützung Merkels für Laschet

In der CDU war in den vergangenen Wochen der Unmut über Merkels Zurückhaltung im Wahlkampf immer größer geworden. Dass die Kanzlerin sogar in einer Lage, in der die CDU die Macht zu verlieren drohe, nicht deutlich für Laschet werbe, sei erstaunlich und schmerze, hieß es. Ausgerechnet am Tag nach dem Triell, an dem Laschet Unterstützung besonders nötig gehabt hätte, habe die Kanzlerin ein Jubiläumsfest von Greenpeace besucht und dabei die Umweltorganisation gewürdigt. Dabei kritisiere Greenpeace ständig die CDU und sei wegen Aktionen wie der vor dem EM-Spiel Deutschland gegen Frankreich zu Recht umstritten. Damals war ein Greenpeace-Mitglied mit einem Gleitschirm ins Stadion geflogen und hatte dabei Zuschauer verletzt.

Bisher ist Merkel nur bei einer Wahlkampfveranstaltung der Unionsparteien aufgetreten. Auch dabei war sie Laschet keine besonders große Hilfe. Die Kanzlerin sagte zwar, sie sei "zutiefst überzeugt", dass der CDU-Chef Kanzler werde. Und sie lobte, dass das C im Parteinamen für Laschet nicht irgendein Buchstabe sei, sondern ihm das Christliche, in allem was er tue, der Kompass sei. Doch auf leidenschaftliche Appelle für Laschet wartete man beim Zuhören vergebens.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5397126
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.