Merkel: Rede zu Afghanistan:Soldaten-Lob mit abgehangenen Worten

Kanzlerin Merkel fordert mehr Respekt vor dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr - und zieht dafür Zitate von Sozialdemokraten heran.

M. König

Die Gedanken wogen schwer an diesem Vormittag. Viele der Kabinettsmitglieder nutzten ihren Unterarm als Kinnstütze. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) verbarg sein Gesicht hinter seiner Hand, Außenminister Guido Westerwelle (FDP) starrte minutenlang geradeaus. Als Bundestagspräsident Norbert Lammert zu einer Gedenkminute für die getöteten Bundeswehrsoldaten in Afghanistan aufrief, war vielen Politikern im Berliner Reichstag die Betroffenheit deutlich anzumerken.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Regierungserklärung Afghanistan, dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel während einer Gedenkminute für die jüngst in Afghanistan gefallenen Bundeswehrsoldaten

(Foto: Foto: dpa)

Die Kanzlerin gab sich nicht weniger berührt - aber ungleich stärker konzentriert. Als Lammert ihr das Wort erteilte, war sie schon auf halbem Weg zum Rednerpult und sortierte ihr Manuskript. Klare Worte sollten sich darin finden, das war nach dem tödlichen Angriff der Taliban auf vier Soldaten am vergangenen Donnerstag immer wieder gefordert worden - von der Opposition, aber auch aus den Reihen der Bundeswehr. Die Bevölkerung müsse überzeugt werden, den Soldaten gebührenden Respekt entgegenzubringen, hieß es.

"Nicht tragbar"

Der scheidende Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD) hatte es als "auf Dauer nicht tragbar" bezeichnet, dass ständig Umfragen veröffentlicht würden, in denen sich eine Mehrheit gegen den Einsatz der Bundeswehr ausspreche. Sekunden vor Merkels Rede hatte der Fernsehsender n-tv so eine Umfrage parat. Demnach hielten nur noch 13 Prozent der Befragten den Einsatz für sinnvoll.

Die Kanzlerin kam in ihrer Rede schnell zum Punkt, sie nahm die Soldaten in Schutz, verteidigte den Einsatz und rechtfertigte das Mandat. Sie fand klare Worte - es waren zum Teil jedoch nicht ihre eigenen.

Merkel zitierte zunächst SPD-Altkanzler Helmut Schmidt, der 2008 bei einem Gelöbnis von Bundeswehrsoldaten gesagt habe: "Euer Dienst kann Gefahren und Risiken umfassen. Aber dieser Staat wird euch nicht missbrauchen." Sie fügte hinzu, es verharmlose niemand das Leid der Soldaten, denen "Anerkennung und Respekt" gebühre. Sie befänden sich "in Extremsituationen, die wir uns in Deutschland kaum oder gar nicht vorstellen können". Wer so etwas erlebe, denke "nicht in juristischen Begrifflichkeiten". Sie verstehe deshalb gut, dass die Soldaten von einem Krieg sprechen würden, während in der Politik von einem "bewaffneten Konflikt" die Rede sei.

Ein Lob für Struck

Das Bundestagsmandat für diesen Konflikt sei über "jeden völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben", sagte Merkel - und ließ ein Lob für den einstigen SPD-Verteidigungsminister Peter Struck folgen, der 2004 gesagt hatte, die Freiheit Deutschlands werde auch am Hindukusch verteidigt.

Bis heute habe es "niemand klarer, präziser und treffender ausdrücken können, worum es in Afghanistan geht", sagte Merkel. Es sei ein "Trugschluss zu glauben, Deutschland wäre nicht im Visier des internationalen Terrorismus". Ein sofortiger Abzug der Bundeswehr sei deshalb verantwortungslos. Afghanistan dürfe nicht erneut ein Rückzugsgebiet für Terroristen werden. Um das zu verhindern, sei ein militärischer Einsatz das letzte Mittel, sagte Merkel - und zitierte aus einer Rede des US-Präsidenten Barack Obama im Jahr 2009: "Die Mittel des Krieges spielen eine Rolle in der Bewahrung des Friedens. Der Krieg selbst ist niemals ruhmreich, und wir dürfen ihn niemals so nennen."

"Weder semantisch, noch faktisch"

Es war eine ausgewogene Botschaft, die Merkel in ihrer Rede verbreitete: Respekt vor den Soldaten, ein ausdrückliches "Weiter so", und der Appell an Politik und Bevölkerung, das Mandat nicht in Frage zu stellen.

In seiner Antwort auf die Regierungserklärung der Kanzlerin machte SPD-Chef Sigmar Gabriel deutlich, seine Partei sehe das genauso: "Wir wollen das Mandat nicht verändern - weder semantisch, noch faktisch." Der Regierung warf Gabriel vor, keine klare Haltung zu haben: Der Verteidigungsminister spreche von einem Krieg, während der Außenminister darauf beharre, der Einsatz sei ein Konflikt.

"Ich stimme ausdrücklich dem Außenminister zu", sagte Gabriel und wandte sich direkt an die Kanzlerin: "Frau Merkel, Sie wollen das Mandat auch nicht ändern. Dann sorgen Sie dafür, dass Ihre Minister eine gemeinsame Sprache finden für das, was in Afghanistan stattfindet."

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