Merkel in Rom und im Vatikan:Ein Termin, der aufhorchen lässt

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Angela Merkel bei einer Begegnung mit Papst Franziskus im Mai 2016. Die beiden verstehen sich gut. (Foto: Imago)

Kanzlerin Merkel besucht erst das Kinderschutzzentrum in Rom und im Anschluss den Papst im Vatikan. Wird sie dabei mehr politisches Engagement gegen Kindesmissbrauch fordern?

Von Annette Zoch, München

Angela Merkel bei einer Begegnung mit Papst Franziskus im Mai 2016. Die beiden verstehen sich gut. (Foto: Imago)

"Das nächste Mal gehen wir auf die Piazza und essen eine Pizza" - fast schon legendär ist dieser Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihrer ersten Audienz bei Papst Franziskus im Mai 2013. Nun trifft sie Franziskus an diesem Donnerstag bereits zum fünften Mal im Rahmen einer Privataudienz. Doch auch wenn Angela Merkel bald genügend Zeit für Pizza auf der Piazza haben wird, bei Franziskus ist das erst mal noch nicht so weit. So oft wie kein anderer deutscher Bundeskanzler vor ihr besuchte Merkel den Pontifex.

Das Verhältnis zwischen der ostdeutschen Protestantin Merkel und dem argentinischen Jesuiten Jorge Mario Bergoglio, der zeitweise in Frankfurt am Main studierte und ein wenig Deutsch spricht, gilt als ausgesprochen herzlich. Bevor Merkel den Papst trifft, wird sie aber erst noch das Kinderschutzzentrum an der Päpstlichen Universität Gregoriana besuchen.

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Ein Termin, der aufhorchen lässt - schließlich fordern sowohl Missbrauchsbetroffene als auch der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Johannes-Wilhelm Rörig, schon lange mehr Engagement der Politik sowohl in der Aufarbeitung als auch bei der Prävention. So ein Besuch einer scheidenden Kanzlerin allein ändert noch nichts, aber er erhöht zumindest ein wenig die Aufmerksamkeit.

"Ich hoffe, sie sendet ein starkes Signal"

Er freue sich sehr, dass Merkel "das wirklich wichtige und weltweit wirkende Kinderschutzzentrum in Rom besucht, ich war selbst auch schon dort", sagt Rörig der Süddeutschen Zeitung. "Ich hoffe, sie sendet dort in die katholische Welt und auch auf politischer Ebene ein starkes Signal, dass sie stabile und gestärkte Strukturen für den Kampf gegen sexuellen Missbrauch und die Aufarbeitung unterstützt, auch mit Blick auf die bei uns anstehenden Koalitionsverhandlungen."

Das Kinderschutzzentrum wurde im Januar 2012 gemeinsam von der Gregoriana, der Erzdiözese München und Freising und der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Ulm gegründet und war zunächst in München ansässig. Ende 2014 siedelte es nach Rom über und wurde vor Kurzem zu einem Institut für Anthropologie ausgebaut. Auf die Frage, was er Merkel mitgeben wolle, sagt dessen Direktor, der Jesuitenpater und Psychologe Hans Zollner, der Süddeutschen Zeitung: "Wo die kirchlichen Verantwortungsträger nicht willens sind, selber Verantwortung zu übernehmen, muss der Staat dies einfordern."

Wie es mit der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Gesellschaft und Kirche weitergeht, ist in der Schwebe zwischen Bundestagswahl und Regierungsbildung allerdings noch unklar. Rörig, der demnächst vorzeitig aus dem Amt ausscheidet, wünscht sich mehr Engagement bei dem Thema. Das Thema müsse in den Koalitionsverhandlungen "höchste Priorität" bekommen, sagt Rörig.

"Allen muss klar sein: Wir haben es mit schwerster Kriminalität gegen Kinder zu tun, sowohl in der analogen als auch in der digitalen Welt", so Rörig. Auch deshalb sei es wichtig, dass das Amt einer oder eines Missbrauchsbeauftragten nicht nur weitergeführt, sondern gesetzlich verankert werde. "Wir brauchen eine gesetzliche Berichtspflicht des Amtes, wir brauchen auch gesetzliche Kooperationen zwischen der Bundebene und den Bundesländern und eine engere ressortübergreifende Zusammenarbeit."

Eine "Haltung des Hinschauens" hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Kampf gegen sexualisierte Gewalt angemahnt. In den Wahlprogrammen der Parteien fand sich zu dem Thema allerdings vergleichsweise wenig. Rörigs Forderung, sein Amt gesetzlich zu verankern, haben nur die Grünen aufgenommen. Die SPD will Schutzkonzepte in Kitas und Schulen unterstützen, die Union verspricht vor allem Strafverschärfungen für Täter und eine bessere Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Jugendhilfe.

Die Politik dürfe sich nicht mehr nur mit dem Thema beschäftigen, wenn komplexe Missbrauchsverbrechen wie in Lügde, Staufen oder Münster aufgedeckt werden, "und alle emotional aufgeschreckt sind", sagt Rörig: "Sexueller Missbrauch trifft Tausende Kinder pro Jahr, ohne dass die Politik bisher bundesweit und flächendeckend maximalen Einsatz zeigt." Dieser akute Handlungsbedarf werde bisher nicht erkannt. "Hier drückt sich die Politik im Moment noch viel zu oft und ich hoffe, dass die neue Bundesregierung und auch der neue Bundestag hier mehr Verantwortung übernehmen", so der Missbrauchsbeauftragte.

Gut vorstellbar, dass Angela Merkel auch dieses Thema bei Papst Franziskus ansprechen wird.

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