Süddeutsche Zeitung

Deutschlandtag der Jungen Union:Merkel wirft FDP staatspolitischen Fehler vor

  • Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union sagte Kanzlerin Merkel, was nach dem Start der großen Koalition kam, sei aus ihrer Sicht enttäuschend gewesen.
  • Sie forderte die Europäische Union zur besseren Zusammenarbeit auf und will sich für Manfred Weber als EU-Kommissionspräsidenten einsetzen.
  • Merkel warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft. "Lassen Sie uns nicht anfangen, uns wieder in Gruppen zu teilen." Die Würde jedes Menschen sei unantastbar.

Von Philipp Saul

Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Kiel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Arbeit der Bundesregierung in den vergangenen Monaten kritisiert. "Was danach kam, war auch aus meiner Sicht enttäuschend", sagte sie mit Bilck auf den Start der großen Koalition im Frühjahr.

Vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen forderte Merkel die Koalition auf, sich an die Wähler zu wenden "und nicht miteinander Fingerhakeln machen". Sie wolle ihren Beitrag dazu leisten, dass die große Koalition ihre Arbeit besser darstelle und sich nicht mit sich selbst beschäftige. Die schlechten Umfragewerte der Union seien klar zu begründen. Eine gute Woche vor der Bayernwahl liegt die CSU teilweise bei unter 35 Prozent. Auch die CDU befindet sich in Hessen und im Bund im Umfragetief.

In Bezug auf die schwierige Koalitionsbildung nach der Bundestagswahl sagte Merkel, sie hätte vor einem Jahr noch nicht gedacht, dass man darum kämpfen müsse, regieren zu wollen. Es sei "staatspolitisch auch ein großer Fehler" der FDP gewesen, sich der Jamaika-Koalition zu verweigern.

Die Bundeskanzlerin forderte die Europäische Union auf, in zentralen Politikfeldern gemeinsame Positionen zu entwickeln. "Die Welt verändert sich und sie ändert sich rasant." Deutschland müsse sich stärker darauf einstellen, seine Interessen eigenständig wahrzunehmen. Wenn Deutschland weiterhin in der globalisierten Welt vorne mitspielen wolle, gehe das nur zusammen in Europa. "Die anderen schlafen nicht."

Auf europäischer Ebene setze sie sich zudem für den CSU-Politiker Manfred Weber als ersten deutschen Kommissionspräsidenten seit Walter Hallstein ein. "Manfred Weber hat die Chance und ihn sollten wir aus vollem Herzen unterstützen. Ich zumindest tue das."

Merkel warnt vor Spaltung der Gesellschaft

Als zentrale Bereiche für gemeinsame Strategien nannte sie vor allem die Außen- und Sicherheitspolitik sowie Forschung und Entwicklung. Es gehe um ein "gemeinsames Auftreten als globaler Akteur", etwa gegenüber Russland, China oder in Afrika, sagte Merkel. Man habe mit der Integrationsdebatte sehr viel Zeit verloren für die Weiterentwicklung in der Digitalisierung oder der Künstlichen Intelligenz.

Merkel warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft. "Lassen Sie uns nicht anfangen, uns wieder in Gruppen zu teilen." Man dürfe nicht wieder anfangen, in Gruppen aufzuteilen: hier Migranten, dort Deutsche, hier Osten, dort Westen. Auf Vorurteile und Verhetzung folgten Taten gegen andere Gruppen. "Die Würde, und zwar jedes Menschen, ist unantastbar."

In der Diesel-Debatte kritsierte Merkel, die Autoindustrie scharf. In der Diskussion um Schadstoffreduzierungen sei gelogen und betrogen worden. Etliche in der Autoindustrie hätten sich "sehr schuldig gemacht und Vertrauen verspielt". Sie wolle dennoch, dass es weiterhin eine starke Automobilwirtschaft in Deutschland gebe.

Der Deutschlandtag gilt als Stimmungstest für Angela Merkel vor dem Wahlparteitag Anfang Dezember in Hamburg. Dort will sich die Kanzlerin als Parteivorsitzende wiederwählen lassen. Über Auftritte beim Deutschlandtag sagte Merkel: "Das sind immer fordernde Auftritte." So solle es auch sein.

Die Junge Union forderte auf dem Treffen eine Amtszeitbegrenzung für Bundeskanzler auf drei Amtszeiten. Merkel befindet sich in ihrer vierten Amtszeit. Die Bundeskanzlerin merkte dazu an, dass damit die Mandatsfreiheit der Bundestagsabgeordneten beschnitten würde. Die rechtliche Einordnung sei eine "schöne Aufgabe für Promotionen, wünsche viel Erfolg."

JU-Chef Paul Ziemiak hatte bereits am Freitag zu Beginn des dreitägigen Treffens Kritik an Merkel geübt und angesichts verheerender Umfragewerte für die Union mehr Bereitschaft zur Erneuerung eingefordert. "Wer Bundeskanzler dieses Landes sein möchte, der muss auch immer bereit sein, dieses Land in die Zukunft zu führen", sagte Ziemiak.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4159106
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/saul/dpa/csi
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.