Deutsch-britische Beziehungen:"Zeit lassen und gucken, wie es sich hinruckelt"

Boris Johnson und Angela Merkel auf ihrer letzten gemeinsamen Pressekonferenz

"Wir werden das in Ordnung bringen", versicherte Boris Johnson in Bezug auf die Nordirland-Frage. Wie genau, verriet er nicht.

(Foto: AP)

Bundeskanzlerin Merkel und der britische Premierminister Johnson äußern sich zur Nordirland-Frage, aber auch zur Fußball-EM und der Delta-Variante - auf ihrer wohl letzten gemeinsamen Pressekonferenz.

Von Joshua Beer

Es ist die wohl letzte Reise für sie nach Großbritannien, zumindest als Bundeskanzlerin: Angela Merkel (CDU) hat am Freitag den britischen Premierminister Boris Johnson in London getroffen. Merkel und Johnson haben unter anderem die Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus besprochen sowie mögliche strengere Einreisebestimmungen für Briten in die EU und andere außen- und sicherheitspolitische Themen.

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz sprach Boris Johnson der Kanzlerin gleich zu Beginn seinen Dank aus: "Ich möchte Ihnen für das wirklich historische Engagement nicht nur in den deutsch-britischen Beziehungen, sondern auch in der globalen Diplomatie danken." Merkels "wissenschaftliche Expertise" habe die weltweite Antwort auf die Pandemie geprägt.

Auch Merkel lobte "die wunderbare Gastfreundschaft in Cornwall" zum G-7-Gipfeltreffen, auf dem sich die beiden zuletzt begegneten. Die dortigen Themen - etwa wie die Werte der Digitalisierung geschützt werden können und wie man mit Russland umgehen sollte - würden auch für die bilateralen Beziehungen der Länder eine Rolle spielen.

Die beiden Regierungschefs kündigten eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Großbritannien auch nach dem Brexit an. Es soll regelmäßige Regierungskonsultationen geben. Die bilateralen Beziehungen würden Merkel zufolge - das läge "in der Natur der Sache" - nach dem Brexit in den Vordergrund rücken, wenn das Forum der Europäischen Union (EU) als Ort des Austausches wegfällt.

"Wir werden das in Ordnung bringen"

Die Bundeskanzlerin betonte außerdem: "Deutschland wird Großbritannien bei der Cop 26 unterstützen." Gemeint ist der Weltklimagipfel, der im schottischen Glasgow abgehalten werden soll, nachdem er vergangenes Jahr entfiel. Johnson will Großbritannien als treibende Kraft im Klimaschutz aufbauen.

In der Nordirland-Frage blieb Merkel vorsichtig. Sie betonte, dass es im Rahmen des kürzlich um drei Monate verlängerten Nordirland-Protokolls "pragmatische Lösungen gibt". Dieses Protokoll ist Teil des 2019 beschlossenen Austrittsvertrags und soll verhindern, dass zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland Zöllner Lastwagen kontrollieren müssen. Es hat bereits zu einer Regierungskrise in Nordirland geführt. Merkel sagte, man müsse dem jetzt Zeit geben und "gucken, wie sich das hinruckelt". Auch Johnson gab sich vage und versicherte nur: "Wir werden das in Ordnung bringen" ("we will sort it out").

Wegen der in Großbritannien stark verbreiteten Delta-Variante des Coronavirus hatte sich die Bundeskanzlerin kritisch darüber geäußert, dass zu EM-Spielen in London eine Vielzahl an Besuchern im Stadion zuglassen worden waren. Die kommenden Halbfinalspiele und das Finale der EM sollen ebenfalls in London ausgetragen werden, dabei sollen jeweils mehr als 60 000 Fans ins Wembley-Stadion eingelassen werden.

Merkel zur EM: "Ich bin sorgenvoll und skeptisch"

Bei der Pressekonferenz mit Johnson wiederholte Merkel: "Ich bin sorgenvoll und skeptisch", doch es sei Großbritannien überlassen, wie mit der EM umzugehen sei. Johnson sagte, dass die Regierung wissenschaftlichem Rat folge, sobald welcher vorliege. Der entscheidende Punkt sei ja, dass Großbritannien "eine große Immunität" aufgebaut hätte. 85 Prozent der Briten hätten bereits ihre erste Impfdosis erhalten. "Es gibt ein sehr hohes Level an Resistenz gegen das Virus in der britischen Bevölkerung", sagte er. Die Impfungen hätten eine entscheidende Rolle dabei gespielt, "die Verbindung zwischen Infektion und Tod" zu brechen.

Ebenfalls wegen der Ausbreitung der Delta-Variante macht sich Merkel für EU-weite schärfere Einreisebestimmungen für Briten stark. Das sorgt in Großbritannien für Verstimmung. In Deutschland gilt bereits ein Beförderungs- und Einreiseverbot aus dem Virusvariantengebiet Großbritannien. Ausgenommen ist, wer einen Wohnsitz in Deutschland oder die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Trotzdem steht dann aber eine 14-tägige Quarantäne an. In andere EU-Länder können Briten hingegen weit einfacher einreisen. Auf der Pressekonferenz sagte Merkel, sie gehe davon aus, dass doppelt Geimpfte "in absehbarer Zeit" wieder einreisen können, ohne in Quarantäne gehen zu müssen.

Merkel scheiterte bislang mit ihren Bemühungen um eine europaweite Regelung. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass Deutschland die Einstufung Großbritanniens auch bald wieder zurücknehmen könnte - die Ausbreitung der Delta-Variante schreitet auch in der Bundesrepublik immer weiter voran. Abschottung ist daher immer weniger sinnvoll.

"Wir stellen uns gegenseitig keine Zeugnisse aus"

Auf die Frage, wie die Zusammenarbeit mit Johnson rückblickend gewesen sei, antwortete Merkel, dass sie bereits schon mit vielen britischen Premierministern zu tun hatte: "Jeder hat seine eigene Art." Und mit jedem, einschließlich "Boris", sei sie gut klargekommen. Teil der guten Beziehung sei es auch, "dass wir uns gegenseitig keine Zeugnisse ausstellen". Dem hatte Johnson nichts hinzuzufügen.

Einen Seitenhieb auf das Achtelfinale der Fußball-EM zwischen Deutschland und England konnte sich Großbritanniens Premier aber nicht verkneifen. Üblicherweise wären die Engländer den Deutschen ja unterlegen, aber er freue sich, dass das deutsche Team mit dieser Tradition nun gebrochen habe.

Merkel reagierte in Merkel-Manier: Dies sei aber "keine freiwillige Gabe von meiner Seite, um das Klima hier zu verbessern". Und: "Wir waren schon ein bisschen traurig." Sie wünsche der englischen Mannschaft dennoch viel Erfolg. Im Anschluss an das Gespräch mit Premierminister Johnson trifft Merkel die Queen auf Schloss Windsor.

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