Merkel in Kiew:Seelenmassage für eine verunsicherte Führung

Bundeskanzlerin Merkel in der Ukraine

,,Ich bin sehr gerne hierhergekommen": Bundeskanzlerin Merkel bei Ukraines Präsident Poroschenko.

(Foto: dpa)

Solidarität, Geld und Vermittlungsdienste: Merkels Kurzvisite in der Ukraine soll dem kriegsversehrten Land auf vielerlei Weise helfen. Aber für eine sichere Zukunft muss Kiew sich auch um die Menschen im Süden und Osten des Landes kümmern.

Von Stefan Braun, Kiew

Als Angela Merkel am Samstagmittag vor dem Empfangshaus des ukrainischen Präsidenten eintrifft, wartet sie nicht lange mit ihrer wichtigsten Botschaft. Bei der Begrüßung mit Pedro Poroschenko sagt sie das, was man immer sagt in solchen Momenten, nämlich: "Ich bin sehr gerne hierhergekommen in schwierigen Zeiten." Und dann erklärt sie, dass sie mit Poroschenko über Berlins Unterstützung sprechen wolle "auf dem Weg zu einem Frieden, den wir gehen müssen''.

Es ist keine harte Aussage. Es ist ein Fingerzeig Merkel'scher Prägung. Aber der liest sich auch wie eine leise Vorbereitung auf schwere Beschlüsse. Die deutsche Kanzlerin will Hilfe bringen, aber auch über langfristige Notwendigkeiten reden. In Berlin macht sich das Gefühl breit, dass der Krieg in der Ostukraine von keiner Seite wirklich gewonnen werden könnte. Nicht von den Separatisten, aber auch nicht von der Ukraine. Deshalb stellt sich immer drängender die Frage, was das vor allem für Kiew bedeutet.

Bürgschaften für 500 Millionen Euro

Zunächst freilich geht es um Hilfe, Unterstützung, wenigstens ein bisschen Sicherheit in schwierigen Zeiten. Deshalb hat die Kanzlerin gleich mehrere Zeichen der Solidarität im Gepäck. Sie berichtet Poroschenko, dass Berlin die Hilfen des Entwicklungsministeriums in den letzten Tagen von 25 auf 45 Millionen Euro aufgestockt hat.

Außerdem verspricht Merkel zusätzliche 25 Millionen Euro, mit denen Berlin den Bau von winterfesten Flüchtlingsunterkünften unterstützt, die rund 7000 Menschen festen Unterschlupf bieten werden. Noch ist es Sommer in Kiew. Aber der Winter wird kommen. Und Berlin will zeigen, dass es schon jetzt daran denkt. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz sagt Merkel, die territoriale Integrität und das "Wohlergehen der Ukraine" seien zentrale Ziele Deutschlands.

Das zeigt sich in besonderer Weise auch an einer anderen Zusage der Kanzlerin. Sie hat angeboten, dass zwanzig schwer verletzte ukrainische Soldaten auf Kosten der Bundeswehr nach Deutschland gebracht und dort behandelt werden. Und sie hat darüber hinaus noch ein Geschenk mit im Gepäck: Berlin bietet Bürgschaften für 500 Millionen Euro, die von der Ukraine oder auch privaten Investoren für den Bau oder die Wiederherstellung von Schulen und der Wasser- und Energieversorgung genutzt werden sollen.

"Deutschland, ein zuverlässiger Freund"

Mit all dem verbindet Merkel die Hoffnung, dass die ukrainische Regierung gestärkt wird. "Sie kämpft einen Herkuleskampf gegen unglaubliche Schwierigkeiten und Widerstände", heißt es unter europäischen Diplomaten. Deshalb seien derlei Hilfen so wichtig. Sie sollen dazu beitragen, eine Führung in extrem unsicherer Lage zu stabilisieren.

Kein Wunder, dass sich der ukrainische Präsident in besonderer Weise bedanken möchte. Von 20 Telefonaten mit Merkel berichtet er und von noch mehr Kontakten, die alle belegten, wie entschlossen Berlin sich einsetze für eine friedliche Zukunft der Ukraine. "Deutschland hat heute demonstriert, dass es unser zuverlässiger Freund und Partner ist."

Poroschenko steht aus vielen Richtungen unter Druck

Allerdings ist das nicht die einzige Botschaft, die Merkel mitbringt. Schon nach den ersten zwei, drei Sätzen erinnert sie daran, wie sehr die Ukraine aus "sehr unterschiedlichen" Regionen bestehe und dass es nun einmal "sehr wichtig" sei, allen Regionen und ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Verpackt in ein Lob für den Präsidenten, der seit seiner Wahl Ende Mai in dieser Hinsicht schon vieles versucht hat, wendet sich Merkel mit diesem im Ton freundlichen, politisch gleichwohl klaren Hinweis vor allem an jene anderen Mitglieder der ukrainischen Regierung, die längst nicht so verbindlich bemüht sind, sich auch um die russischsprachigen Menschen im Süden und Osten zu kümmern - also jene Menschen, die sich nicht den Separatisten angeschlossen haben, aber gleichwohl unzufrieden sind mit der Zentrale in Kiew. Echte Stabilität und sichere Zukunft, das sagt sie zwischen den Zeilen sehr deutlich, wird es ohne mehr Hilfen und Verständnis und Dezentralisierung nicht geben.

Dabei weiß Merkel, dass Poroschenko aus vielen Richtungen unter Druck steht. Denn der Krieg im Osten schafft ihm nicht nur dort große Probleme. Längst wächst im Westen des Landes der Unmut darüber, dass Poroschenko sich um die Interessen der Menschen dort viel zu wenig kümmert. Und das könnte Poroschenko auch dort das Handeln erschweren, wo er möglicherweise mehr Handlungsfreiheit bräuchte.

Bei den bevorstehenden Gesprächen Anfang der kommenden Woche mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Minsk wird es ja gerade darum gehen, wie das Assoziierungsabkommen und das geplante Freihandelsabkommen mit der EU so gestaltet werden könnte, dass es keine ""unnötigen Friktionen mit Russland" provoziert, wie Merkel in Kiew betont. Am Samstag hat Merkel fünf Stunden Kiew besucht - und vor allem versucht, Poroschenko zu unterstützen.

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