Merkel in Brasilien:Die Freundin mit dem Großkredit

Brazil's President Rousseff shakes hands with Germany's Chancellor Merkel after a meeting at the Itamaraty Palace in Brasilia, Brazil

Treffen in der Hauptstadt Brasilia: Präsidentin Dilma mit Bundeskanzlerin Angela Merkel

(Foto: REUTERS)

Die Kanzlerin will in Brasilien Verbesserungen für deutsche Unternehmen und den Regenwald erreichen - zur Freude ihrer ganz anders gestrickten Gastgeberin.

Von Nico Fried

Man sieht Dilma Rousseff die Krise jedenfalls nicht an. Gelassen steht die brasilianische Staatschefin am Donnerstagvormittag im Eingang ihres Präsidentenpalastes. Die Hände hat sie entspannt hinter dem Rücken verschränkt, kein Finger reibt nervös am anderen. Rousseff wartet auf Angela Merkel. Die Kanzlerin hat sich da schon alle Mühe gegeben.

Deutschland und Brasilien verbinde eine "spezielle Partnerschaft", sagt Merkel vor Beginn der ersten gemeinsamen Regierungskonsultationen. Man wolle diese Kooperation noch verbreitern, "deshalb kommt dieser Besuch genau zum richtigen Zeitpunkt". Doch an den ungünstigen Bedingungen für die Gespräche können auch Merkel und ihre sechs nach Brasilia mitgereistem Minister nicht wirklich etwas ändern.

Unterschiedliches politisches Temperament

Die Regierung ist angeschlagen, die Wirtschaft lahmt, Hunderttausende Demonstranten forderten zuletzt Rousseffs Rücktritt. Die Popularitätswerte der Präsidentin sind nicht mal ein Jahr nach ihrer Wiederwahl in den einstelligen Bereich abgesackt. Die politische Lage ist instabil.

Doch aus Sicht der Bundesregierung ist Brasilien politisch wie ökonomisch eine Art Ankerstaat in Lateinamerika. Und Rousseff selbst, die von guten Schlagzeilen derzeit nicht verwöhnt ist, macht sich einfach selber eine und nennt die deutsch-brasilianische Begegnung "historisch".

Teilnehmer des Staatsbanketts am Mittwochabend erlebten eine unbeirrte Präsidentin, die mit dem Hinweis auf die Euro-Krise deutlich machte, dass eben jeder sein Päckchen zu tragen habe. So wie Europa an seinen Problemen arbeite, sei man in Brasilien eben auch dabei, Schwierigkeiten zu überwinden. Am Donnerstag fällt auch die offizielle Begrüßung sehr freundlich aus, Küsschen inklusive.

Merkel und Rousseff kennen sich mittlerweile gut, allein im vergangenen Jahr trafen sie sich zweimal am Rande der Fußball-Weltmeisterschaft. Die Kanzlerin hat Respekt vor dem politischen Lebensweg der Präsidentin, die zu Zeiten der brasilianischen Militärdiktatur Anfang der 1970er Jahre als Mitglied einer marxistischen Widerstandsbewegung drei Jahre im Gefängnis saß, wo sie auch gefoltert worden sein soll.

"Liebe Freundin" - "Liebe Dilma"

Was das politische Temperament betrifft, könnten die beiden Frauen unterschiedlicher nicht sein. Während Merkel Nüchternheit und Pragmatismus zu ihren Markenzeichen gemacht hat und in der Öffentlichkeit deutliche Worte eher scheut, lässt es Rousseff an Klarheit selten fehlen.

Als Merkel 2013 erfuhr, dass der US-Geheimdienst NSA ihr Handy abgehört hatte, moserte sie ihr bekanntes "Abhören unter Freunden geht gar nicht". Rousseff hingegen, deren Telefonate, Mails und SMS offenbar aufgezeichnet worden waren, sagte 2013 einen geplanten Besuch in den USA ab und forderte eine Entschuldigung von Präsident Barack Obama.

Im Mittelpunkt der Beziehungen steht die Wirtschaft, kein Zufall bei einem potenziellen Absatzmarkt mit gut 200 Millionen Menschen. Schon 2014 lagen die deutschen Exporte bei rund zwölf Milliarden Euro. Ein Drittel des Handels zwischen Deutschland und Lateinamerika wird mit Brasilien abgewickelt. Die Wirtschaftskrise trübt mittlerweile jedoch manche Perspektive, deutsche Autohersteller zum Beispiel, die in Brasilien stark vertreten sind, müssen wegen des schwachen Konsums mit sinkenden Verkaufszahlen rechnen.

Am Donnerstagmorgen traf sich Merkel mit Vertretern deutscher Firmen in Brasilien, unter ihnen Manager von BMW, Bosch, Thyssen, Evonik und anderer Konzerne. Die deutschen Geschäftsleute treibt die Sorge um, dass die Wirtschaftskrise Rousseff zu mehr Protektionismus veranlassen könnte - ein Punkt, den auch Merkel mit der Präsidentin ansprechen wollte. Die deutschen Firmen bräuchten "verlässliche Investitionsbedingungen".

Im Sinne der Kanzlerin wäre auch eine Belebung der Verhandlungen um ein Handelsabkommen zwischen Europa und den Mercosur-Staaten, zu denen neben Brasilien unter anderem Argentinien gehört. Doch die Gespräche schleppen sich seit Jahren dahin. Merkel aber will nun bei Rousseff eine "neue Offenheit" bemerkt haben.

Brasilien Grafik

Brasiliens Regenwald

(Foto: Michael Mainka)

Noch vielversprechender gestaltet sich die Zusammenarbeit im Bereich der Ökologie. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass mit Umweltministerin Barbara Hendricks und ihren Kollegen Gerd Müller (Entwicklung) und Christian Schmidt (Landwirtschaft) drei Ressortchefs mitreisten, die mit diesem Thema befasst sind. Abkommen in Höhe von 550 Millionen Euro werden während der Konsultationen vereinbart, das meiste Geld soll in Form von Krediten in erneuerbare Energien fließen.

Brasilien will Regenwälder nur noch bis 2030 abholzen

Rousseff kündigt nach den Gesprächen an, dass Brasilien nicht nur die Abholzung der Regenwälder bis 2030 beenden, sondern auch zwölf Millionen Hektar wiederaufforsten wolle. Sie freue sich über "diese anspruchsvolle Klima-Agenda", lobt Merkel.

Als konkretes Ergebnis mit möglicher Signalwirkung präsentieren beide das Bekenntnis Brasiliens zu einem Verzicht auf fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas bis zum Ende des Jahrhunderts. Als erster Schwellenstaat übernimmt Brasilien damit das Ziel einer sogenannten Dekarbonisierung. Brasilien sei hier "einen Riesenschritt gegangen", sagt Merkel.

"Liebe Freundin" nennt Rousseff die Kanzlerin, "Liebe Dilma", erwidert Merkel kurz darauf immerhin. Zu sehr gemein machen will sie sich dann doch nicht mit der geschwächten Präsidentin.

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