Gemeinsam mit zahlreichen politischen Weggefährten der CDU hat Altkanzlerin Angela Merkel am Mittwochabend in Berlin ihren 70. Geburtstag nachgefeiert. Der amtierende Parteivorsitzende der CDU, Friedrich Merz, würdigte in seiner Begrüßungsrede im Festsaal der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Merkels politisches Wirken. Er betonte ihre Neugier, die sie sich als promovierte Physikerin auch als Politikerin bewahrt habe: „Die Überzeugung von der Kraft der Freiheit hat dein politisches Handeln bestimmt“, sagte Merz.
Die Altkanzlerin, begleitet von ihrem Ehemann Joachim Sauer, hatte sich für den Abend einen Festvortrag des Kunsthistorikers Horst Bredekamp gewünscht. Bredekamp sprach über die Dialektik der Aufklärung, die Bedeutung von Bildern und darüber, was sich durch die Erfindung des Internets geändert habe. Als Schlussbild des Vortrags zeigte er Merkel umrundet von der siegreichen deutschen Fußballnationalmannschaft 2014. Bredekamp verriet zuvor, dass er Angela Merkel als Ehefrau seines wissenschaftlichen Kollegen Sauer kennengelernt hatte – bei einer Einladung zum Abendessen mit von ihr gekochten Rouladen.
Merkel war am 17. Juli 70 Jahre alt geworden. Sie war von 2000 bis 2018 CDU-Parteivorsitzende. Politisch galt das Verhältnis zu Merz als belastet, seit sie ihn 2002 vom Vorsitz der Unionsfraktion im Bundestag verdrängt hatte. An dem Festabend war jedoch nichts davon zu spüren. Merkel erwähnte in ihrer kurzen Dankesrede, dass sie in ihrem gemeinsamen politischen Weg „Höhen und Tiefen“ gehabt hätten, sprach Merz jedoch mit „lieber Friedrich“ an. Kanzlerkandidat der CDU/CSU zu sein, sei etwas ganz Besonderes, das wisse sie besonders gut, betonte Merkel, es sei Ehre und Auftrag zugleich. Merz wirkte ergriffen.
Von den bisher 70 Jahren ihres Lebens habe sie genau die Hälfte, nämlich 35 Jahre, in der DDR verbracht und 35 Jahre in Freiheit, sagte Merkel. „Ich bin dankbar dafür, was ich erleben durfte“, so die Altkanzlerin, denn Veränderungen würden auch viel Gutes mit sich bringen.
Unter den Festgästen waren neben dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) aktuelle Abgeordnete der Unionsfraktion sowie CDU-Politiker wie Peter Altmaier, der unter Merkel mehrere Ministerposten innehatte, außerdem der ehemalige hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth.
Dass die Physikerin Merkel sich zu ihren runden Geburtstagen Fachvorträge wünscht, hat eine gewisse Tradition. Zu ihrem Fünfzigsten sprach ein Hirnforscher, zum Sechzigsten ein Historiker. Die Altkanzlerin ist seit ihrem Abschied aus dem Kanzleramt 2021 kaum noch öffentlich in Erscheinung getreten – erst recht nicht im Zusammenhang mit ihrer Partei. Auch den CDU-Parteitagen bleibt sie konsequent fern. Beim diesjährigen Parteitag im Mai nahmen ihr das auch deshalb nicht wenige Christdemokraten übel, weil sie wenige Tage nach dem großen CDU-Treffen sehr wohl Zeit fand, um beim Abschied des langjährigen Grünen-Politikers Jürgen Trittin eine Rede zu halten. Am Mittwochabend aber konnten Merkel und ihre Partei sich nicht länger ausweichen.
Verhältnis zwischen Merkel und Merz
Ebenfalls nicht länger ausweichen konnten sich Merkel und der aktuelle CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Die beiden verbindet seit Jahrzehnten ein äußert schwieriges Verhältnis. Merkel verdrängte Merz 2002 vom Vorsitz der Bundestagsfraktion, was dieser nie wirklich verwunden hat. Rund zwei Jahre später trat er vom Amt des Fraktionsvizes, das ihm geblieben war, zurück; 2009 kandidierte er nicht noch einmal für den Bundestag und schied vorerst aus der Politik aus. Merz arbeitete als Anwalt, saß in mehreren Aufsichts- und Beiräten von Unternehmen und war von 2016 bis 2020 Aufsichtsratsvorsitzender des Vermögensverwalters Blackrock in Deutschland.
Als Merkel 2018 nicht noch einmal als Parteivorsitzende kandidierte, unterstützte sie im Wettstreit um ihre Nachfolge die damalige CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer – und nicht Merz, der seine Chance gekommen sah, in den politischen Betrieb zurückzukehren. Auch Merz’ zweite erfolglose Kandidatur, Anfang 2021 gegen Armin Laschet, beförderte Merkel nicht – und ihr Kabinett mochte sie ebenfalls nicht umbilden, um Platz zu schaffen für den Sauerländer. Als Merz schließlich das dritte Mal kandidierte und im Januar 2022 doch noch zum CDU-Vorsitzenden gewählt wurde, war Merkel schon aus der Politik ausgeschieden.