Kurioses auf Regierungsreisen:"Wenn Sie schon einmal an Bord klatschen wollten, wäre jetzt der richtige Augenblick"

Merkel reist zum EU-Gipfel

Hinter den Fenstern der Regierungsmaschinen erleben SZ-Korrespondenten ungewöhnliche Situationen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mal sind es Nagetiere, mal eine Peking-Ente oder ein Vulkanausbruch: Auf Reisen mit Politikern haben SZ-Korrespondenten schon allerlei kuriose Geschichten erlebt. Eine Auswahl.

Von SZ-Autoren

Wegen eines Defekts an der Regierungsmaschine Konrad Adenauer musste Bundeskanzlerin Angela Merkel in Köln zwischenlanden. Ihren Weg zum G-20-Gipfel nach Argentinien setzte sie mit einem Linienflug fort. Der Vorfall ist nicht das erste Vorkommnis in einem Regierungsflugzeug, in dem zu solchen Anlässen stets eine Gruppe Journalisten die reisenden Politiker begleitet. SZ-Korrespondenten aus aller Welt erinnern sich an teils kuriose Geschichten.

Eyjafjallajökull: Asche statt Airbus

Am Donnerstag, den 15. April 2010, soll eine Reise der Bundeskanzlerin an die Westküste der USA zu Ende gehen. Wir haben Angela Merkel unter anderem in Hollywood begleitet. Aber die beste Story erleben wir erst jetzt.

Gegen Mitternacht amerikanischer Zeit hebt ihre Maschine nach einem Tankstopp auf dem US-Stützpunkt Grand Forks in Richtung Europa ab. Kurz darauf meldet sich der Kapitän: Die Maschine müsse Island wegen der Asche des Vulkans Eyjafjallajökull im Abstand von 2000 Kilometer südlich umfliegen. Dadurch verlängere sich der Flug um 1000 Kilometer, rund eineinhalb Stunden. Zu diesem Zeitpunkt ist es schon zweifelhaft, ob wir in Berlin landen können. Beate Baumann, die Büroleiterin der Kanzlerin, kommt zu den Journalisten. Sie sagt, man solle sich keine Sorgen machen: "Keiner wird zurückgelassen." Wo auch immer.

Ansonsten passiert nicht mehr viel im Flugzeug. Die Kanzlerin schläft in ihrer Kabine. Viele andere Passagiere im Airbus Konrad Adenauer - nicht zu verwechseln mit der Konrad Adenauer, die jetzt nicht nach Buenos Aires fliegen konnte - versuchen das auch.

Am Morgen kommt Beate Baumann wieder. Sie teilt uns mit: Alle Flughäfen nördlich der Alpen sind zu. Das Ziel des Fluges liegt deshalb südlich: Lissabon. Ankunft in zwei Stunden. Vom Flugzeug aus würden bereits Hotels organisiert. Auch die Kanzlerin ist wach. Die Haare sind verstrubbelt, ein wenig hängt der Kanzlerin noch der Schlaf im Gesicht.

Um 16.15 Uhr deutscher Zeit landet die Konrad Adenauer mit Angela Merkel in Lissabon. Am nächsten Morgen fliegen wir weiter nach Rom. Von dort mit Limousinen und Bussen bis Bozen, wo übernachtet wird. Am nächsten Tag geht es weiter. Das erste Stück fährt Merkel noch im Bus mit, schwatzt mit den Journalisten. Am Fuße des Brenners steigt sie für die restliche Strecke in ihren Dienstwagen, verabschiedet sich und sagt: "War schön." Nico Fried

Ein typischer Stoiber

Bei aller Verwurzelung in bayerischer Heimaterde hat sich die CSU schon immer auch für Weltpolitik zuständig gefühlt, und niemand mehr - außer Vielflieger Franz-Josef Strauß - als Edmund Stoiber. Im Dezember 2004 besuchte der Ministerpräsident Kanada. Mit einer Linienmaschine sollte Stoibers Delegation von Montreal nach Quebec fliegen. Die Reisegruppe aus Bayern war allerdings etwas spät dran, weshalb die kanadischen Gastgeber am Flughafen von Montreal fast flehend um Eile baten.

Die Bayern spurteten also Richtung Gate, Staatsbeamte genau wie Journalisten, einfach alle. Das heißt: alle, bis auf Stoiber. Eminent wichtige Handygespräche verlangsamten seinen Schritt, die Gespräche drehten sich a) um die Föderalismusreform und b) um das Champions-League-Spiel von Bayern München bei Ajax Amsterdam. Während sich Stoiber offenbar ein Tor von Roy Makaay in großem Detail beschreiben ließ, hallte der letzte, wirklich allerletzte Aufruf für Air-Canada-Passagiere nach Quebec durch die Abflughalle.

Natürlich wartete die Maschine am Ende auf die VIP-Bayern, aber dass die Geduld der einheimischen Fluggäste ziemlich strapaziert war, erkannten alle sofort bei Betreten der Kabine. Das heißt: alle, bis auf Stoiber. Der lief ins Flugzeug ein wie in Wolfratshausen ins Bierzelt, ein herzliches Grüßgott hier, ein fröhliches Winken da. Nur den Defiliermarsch musste man sich dazu denken.

Die Kanadier wirkten etwas verdutzt. "Who's that guy?", fragte ein Mann mit Eishockey-Kappe. Wer ist dieser Typ? Nach grober Aufklärung durch einen bayerischen Journalisten dachte der Mann etwas nach. Dann sagte er: "Ich glaube, er ist netter als die Politiker, die wir hier so haben." Roman Deininger

Mit Honeckers Maschine

Es war eine Iljuschin, und sie flog wie eine eins; es war die ehemalige DDR-Regierungsmaschine, das Flugzeug von Erich Honecker also. Die DDR gab es nicht mehr; Honecker war ein ehemaliger Staatschef eines nun nicht mehr existierenden Staates. Aber sein Flugzeug gab es noch, es gehörte jetzt der Bundesrepublik, und in diesem Flugzeug saßen (es war im Oktober 1991) der Bundesjustizminister Klaus Kinkel und die ihn begleitenden Journalisten, auf dem Flug zu Regierungsgesprächen nach Moskau.

Warum man ausgerechnet dieses russische Flugzeug ausgewählt hatte? Vielleicht deswegen, weil es den Weg nach Moskau am besten kannte. Und vorn im Cockpit saß denn auch die Crew, die ein paar Jahre vorher noch Erich Honecker geflogen hatte. Jetzt also flog sie den bundesdeutschen Justizminister zu Gesprächen nach Moskau - zu Gesprächen unter anderem über das weitere Schicksal des Erich Honecker, genauer: über seine Rückführung nach Deutschland. Honecker war im März 1991 von einem sowjetischen Militärflughafen in Berlin aus nach Moskau geflohen; dort sicher vor dem Zugriff der deutschen Justiz.

Albträume sind mir von diesem merkwürdig-historischen Flug im Oktober 1991 nicht erinnerlich. Aber Klaus Kinkel hat beim Hinflug seinen Traum erzählt: Dass es ihm gelingen möge, mit diesem Flugzeug, also mit dem Flugzeug Honeckers und mit der ehemaligen Crew Honeckers, diesen Honecker auf dem Rückkflug wieder nach Deutschland mitzubringen - und ihn dort der deutschen Justiz zu übergeben. Das wäre so ganz nach dem Herzen des zupackenden Kinkel gewesen; und es hätte etwas sehr Demütigendes gehabt für Honecker. Kinkels Traum ging nicht in Erfüllung. Man flog nach ein paar Moskauer Tagen ohne Honecker zurück. Heribert Prantl

Noch kurz Zigaretten holen

Am Anfang gab es noch Hoffnung. "Zehn Meter Sicht am Flughafen von Islamabad. Das sind 790 Meter zu wenig", hatte der Kommandant der Theodor Heuss verkündet. An Bord war damals im Januar 2011 der innenpolitisch mächtig unter Druck stehende Außenminister Guido Westerwelle. Der Plan bestand darin, die Maschine erst einmal in Lahore zu landen, etwa 400 Kilometer entfernt von der Hauptstadt, um auf Besserung zu warten - die allerdings auch nach Stunden nicht eintrat.

Westerwelle entschied sich für die Reise auf dem Landweg, die allerdings erst angetreten werden konnte, nachdem es irgendjemandem gelungen war, drei altersschwache Minibusse zu chartern. Der Minister nahm auf einer durchgesessenen Doppelbank Platz, hinter ihm der Afghanistan-Beauftragte Michael Steiner, ein paar Journalisten und vier hochnervöse Personenschützer. Nach einer halben Stunde dann die erste Zwangspause: Einer der Fahrer musste noch Zigaretten kaufen.

Westerwelle redete wenig während der Fahrt und schaute viel aus dem Fenster, wo es Eselskarren und bunt bemalte Jingle Trucks zu sehen gab. Es sei doch eine "gute Gelegenheit, etwas vom Land zu sehen", verkündete er dann etwas gezwungen während einer aus nicht mehr ganz nachvollziehbaren Gründen anberaumten Pressekonferenz an der Raststätte Behra einige Schritte entfernt von einer Filiale der Schnellimbisskette KFC. Als die Delegation schließlich am Abend in Islamabad eintraf, war der Airbus der Flugbereitschaft der Bundeswehr übrigens schon da. Das Wetter war aufgeklart. Daniel Brössler

Ziemlich unprätentiös

Manchmal kommt die Alarmmeldung nicht erst in der Luft, sondern wenigstens kurz vor dem Abflug. So geschehen am 5. Oktober 2015. An dem Tag will die Kanzlerin mit großer Mannschaft zu den Regierungskonsultationen nach Indien reisen. Mal raus aus der in Deutschland längst heftig gewordenen Debatte um die Flüchtlinge. Außerdem ist Indien wichtig; Deutschland setzt auf Neu Delhi, um wenigstens ansatzweise Gegengewichte zu einem übermächtigen China zu schaffen.

Und dann, wenige Stunden vor dem Abflug, meldet die Flugbereitschaft: Das wird nichts werden. Panne, Schaden, Unsicherheiten, keiner wird genaueres erklären. Klar ist alleine, dass die Regierungsmaschine nicht in die Luft darf.

Und was macht Angela Merkel? Sie entscheidet, dass sie diese Reise nicht ausfallen lassen möchte. Mehrfach hat sie Neu-Delhi schon absagen müssen; das soll nicht noch einmal nötig werden.

Also muss die Bundeswehr Ersatz auftreiben und wird bei einem Truppentransporter für den Afghanistaneinsatz fündig. Das sind jene Flugzeuge, die mit mehr Stuhlreihen und ohne jede Extrakabine ausgestattet sind. Kein Luxus, keine Ruhezone, kein Bett zum Ausruhen, nirgends.

Merkel aber zuckt nicht mal mit der Wimper. Während die Konzernchefs deutscher Großunternehmen längst extra anreisen, teilweise sogar mit dem Firmenjet, reist Merkel mehr als zehn Stunden auf diese Weise. Indien soll nicht noch länger auf sie warten.

Wenn es eines Belegs bedurft hätte, dass die Kanzlerin für eine Regierungschefin ziemlich unprätentiös ist, dann erbringt sie den bei dieser Reise. Denn auch zum Rückflug hat sie sich nicht für etwas anderes entschieden, sondern demonstrativ an diesem Flugzeug festgehalten.

Auf manchen Unternehmensmanager wirkte das so unangenehm bescheiden, dass er sich nicht traute, mit dem eigenen bequemen Flieger zurückzureisen. Entsprechend war die Maschine beim Rückflug voller als auf der Hinreise. Ein interessanter Nebeneffekt dieser Indien-Visite, die mit einer verdammt blöden Flugzeugpanne begonnen hatte. Stefan Braun

Verschobener Neujahrstag

Die Geschichte ist etliche Jahre her, was man schon daran erkennt, dass es eine Reise mit einem hessischen Ministerpräsidenten namens Roland Koch war und ein Fax darin eine Rolle spielt. Geplant waren acht Tage Indien und auf dem Rückweg zwei Tage Vereinigte Arabische Emirate. Nach Delhi und nach Bangalore hatten wir es geschafft, außerdem in den Himalaya und in die Gegend von Bombay; jetzt waren wir in Chennai, der letzten Station in Indien. Morgen also Dubai. Man sieht zwar nicht viel von den Städten auf Delegationsreisen, im Grunde genommen gar nichts. Aber zumindest kann man behaupten, dass man dort war; und die Stempel im Reisepass kann einem sowieso keiner mehr nehmen.

Letzter Abend in Chennai, Kochs Büroleiter kommt mit einem Fax, von der Deutschen Botschaft in Dubai. Der Ministerpräsident könne gerne kommen, heißt es darin, aber auch, dass es peinlich werden könne. Denn entgegen der Planungen werde er mit keinem Gesprächspartner rechnen dürfen: Der Emir habe soeben ein Dekret erlassen und den Neujahrstag vorverlegt. Wir sind dann alle direkt nach Hause geflogen. Detlef Esslinger

Ente, Ente, Ente, Ente

Auch im Regierungsflieger ist hinten die Holzklasse, und dort sitzen die mitreisenden Journalisten. Allerdings sind, das muss man zugeben, Flüge mit der Flugbereitschaft der Luftwaffe trotzdem viel angenehmer als mit dem Ferienflieger. Das liegt an den oft freien Plätzen zwischen einem selbst und dem nächsten Nachbarn. Vor allem aber liegt es am Essen. Das nämlich wird nicht nur viel schicker serviert (Stoffservietten!), es schmeckt auch besser.

Manchmal aber meint es die Crew zu gut. Etwa im Dezember 2009. Damals hieß der Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, war von der FDP und unternahm seine erste Auslandsreise im Amt nach Peking. Der Hinflug ging über Nacht, am Ende des ersten Tages gab es beim Abendessen Pekingente. Das fanden die meisten prima, allerdings gab es am nächsten Tag mittags auch Pekingente und abends tatsächlich nochmal.

Die ersten Kollegen gaben sich Fantasien hin, was die Luftwaffe auf dem Rückflug wohl auftischen würde. Fisch? Schnitzel? Butterstulle? Doch dann, man ahnt es, verkündete die Crew nach dem Start freudestrahlend, man habe extra noch eine lokale Spezialität besorgt. Nun ja. Ente stand dann für den Rest der Adventszeit vermutlich nicht mehr so hoch im Kurs bei denen, die mit Brüderle gereist waren. Henrike Roßbach

Abflug um Haaresbreite geschafft

Über Johannesburg tobte ein Gewitter, die Theodor Heuss musste mit dem Abflug noch warten. Aber das war nicht weiter schlimm: Ein Triebwerk des Airbus' streikte sowieso, es ließ sich aus dem Cockpit nicht starten. So durfte der Bundespräsident sein Abendessen am Boden einnehmen, während draußen die Techniker werkelten. Erst eine gute Woche ist das her, Frank-Walter Steinmeier war ins südliche Afrika aufgebrochen.

Keine tragische Geschichte, nur dass eben das Triebwerk von außen gestartet werden musste. Nach anderthalb Stunden war der Bundespräsident in der Luft, auf dem Weg nach Kapstadt, später weiter nach Botsuana. Da aber lagen die Dinge schwieriger. Schon nach der Landung in der Hauptstadt Gaborone äußerten die Bordtechniker leise Zweifel, "ob wir hier morgen pünktlich wegkommen". Wie sich später herausstellte, war das nur um Haaresbreite gelungen.

Schon kurz nach dem Start heimwärts meldete sich der Flugzeugkapitän bei Steinmeier und seinem Tross. "Wenn Sie immer schon einmal an Bord eines Flugzeugs klatschen wollten, wäre jetzt der richtige Augenblick." Was war passiert? Unglücklicherweise habe es in ganz Botsuana kein Gerät für den Fremdstart der Turbine gegeben. Das musste erst über Nacht aus Johannesburg hergeschafft werden, und dummerweise war dabei auch der Zoll zu überwinden. Keine Stunde vor dem Abflug aus Botsuana traf das Gerät ein. Und am Ende traf Steinmeier nur eine knappe Stunde verspätet in Berlin ein. Schuld an der Verspätung war aber nicht die Theodor Heuss. Sondern ein Gewitter über Afrika. Michael Bauchmüller

Ein dumpfer Schlag

Anfang des Jahrtausends, der deutsche Außenminister heißt noch Joschka Fischer. Wir fliegen zurück von einer mehrtägigen Asien-Reise. Die Route: Von Singapur nach Berlin. Planmäßiger Zwischenstopp mitten in der Nacht in Male auf den Malediven. Einige Passagiere gehen direkt am Flughafen im Meer schwimmen, andere warten im Terminal. Nach etwa einer Stunde heißt es: wieder einsteigen. Es ist sehr heiß, draußen dampft die schwüle Luft, im Flugzeug läuft die Klimaanlage auf vollen Touren.

Als alle wieder drin sind und die Maschine zum Start vorbereitet wird, hört man einen kurzen dumpfen Schlag, das Licht geht aus und die Klimaanlage auch. Der Strom ist weg, warum auch immer. Nach kurzer Zeit funktioniert die Ersatzversorgung. Doch man bekommt ein mulmiges Gefühl: Was passiert denn, wenn der Strom in der Luft ausfällt? Die Besatzung sagt: Die Fluginstrumente haben eine unabhängige Stromversorgung. Na hoffentlich, denkt man - und zwar acht Stunden lang, bis die Maschine endlich in Berlin landet. Nico Fried

Bananen statt Gänseleber

Eines der beliebtesten Vorurteile über die Brüsseler Kommission lautet, sie bestehe aus einheitlichen Bürokratentypen. Wenig ist falscher. Gut zu sehen war das 2003 an Bord einer EU-Maschine zum Welthandelsgipfel in Cancún/Mexiko. In der ersten Klasse saß der asketische Handelskommissar Pascal Lamy, dessen größte Ausschweifung ein Zigarillo ist. Neben ihm war der Vielesser Franz Fischler platziert, Absolvent der Landwirtschaft, Direktor der Landwirtschaftskammer Tirol, österreichischer Minister für Landwirtschaft und nun seit einigen Jahren Kommissar für - Landwirtschaft.

Der dürre Lamy erzählte dem SZ-Korrespondenten sichtlich stolz, wie er sich bei internationalen Gipfeln vor Krankheiten schützt. Er ernährt sich nur von Wasser aus Flaschen - und Bananen. Beide Lebensmittel berührt nie eine Dritte-Welt-Hand, die dem EU-Verhandlungsführer Lamy eine Infektion reindrücken kann.

Der zweite EU-Verhandlungsführer Fischler hörte sich das fassungslos an. Tagelang Wasser und Bananen? Und das macht einer, dessen Grande Nation die Gänseleber erfunden hat? Fischler sagte nichts. Sein Gesicht mit dem mächtigen Rauschebart sagte alles.

Fischlers Lieblingsrestaurant in Brüssel verteilt an seine Esser überdimensionierte Plastiklätzchen, damit Trüffelpasta und Ossobuco nicht den Anzug kontaminieren. Wer Fischler dort traf, erlebte ihn hochgestimmt. Die EU-Maschine en route nach Mexiko servierte kein Ossobuco. Aber etwas Besseres als Wasser und Bananen findet einer wie Fischler an allen Orten der Welt von Cancún bis Conakry.

Der Welthandelsgipfel, für den sich Pascal Lamy so eisern fithielt, endete übrigens in einem Desaster. Globalisierungsgegner stürmten die Straßen, die mexikanische Polizei prügelte sie zurück. Das geplante globale Handelsabkommen scheiterte. Am Ende stand der Asket mit ebenso leeren Händen da wie der Vielesser. Bei den Bäuchen gab es Unterschiede. Alexander Hagelüken

Hauptsache, die Bar ist gut gefüllt

In der sogenannten guten alten Zeit, als Deutschland (West und später vereint) von Bonn aus regiert wurde, flog die Luftwaffe Jahrzehntelang mit der Boeing 707-307 durch die Welt. Die Maschinen waren zuverlässig, auf die Namen der frühen Luftfahrthelden getauft (Otto Lilientahl), es durfte geraucht werden und die Bar war stets gut gefüllt. Frequent-Flyer-König war neben Außenminister Hans-Dietrich Genscher Verteidigungsminister Volker Rühe, der sich als Nebenaußenminister verstand.

Eine der Weltumrundungen führte über die USA nach Lateinamerika. Nach dem Start in Texas und einer Zwischenlandung in tropischer Schwüle in Ecuador hob die vierstrahlige Maschine erneut ab. In bedeutender Höhe tat es dann einen fürchterlichen Schlag und in der Nähe der hinteren Kabinentür konnte man durchaus einen kühlen Luftzug verspüren.

Die Mannschaft blieb aber gelassen, der Pilot wurde nicht weiter nervös. Die Tür mache immer mal wieder Probleme, hieß es, kürzlich habe sie sich gar geöffnet. Der Flug landete planmäßig in Santiago de Chile. Wichtigstes Gesprächthma war, wie die Bar - bereits über Costa Rica leergetrunken - mit ausreichenden Vorräten von Pisco befüllt werden könnte. Stefan Kornelius

Ein flitzendes Nagetier

War es eine Maus? Ein Marder? Gar eine Ratte? Jedenfalls entdeckte die Crew des deutschen Regierungsflugzeugs Konrad Adenauer an einem Samstagmorgen im Oktober, als sie die extra wegen der Erdbebengefahr auf einer Nachbarinsel von Bali geparkte Maschine zum Rückflug nach Deutschland vorbereiten wollte, ein durch die Gänge flitzendes Nagetier. Augenzeugenberichten zufolge verschwand das Tier in der Verkleidung und ward zunächst nicht mehr gesehen. Dafür fand die Crew angeknabberte Kabel. Die Konrad Adenauer wurde für fluguntauglich erklärt und musste auf einer Insel im Indischen Ozean zurückbleiben, während Finanzminister Olaf Scholz und ranghohe Delegationsmitglieder umgehend umdisponierten - und den Rest der Delegation in der Aufregung zurückließen.

Die Ironie der Geschichte: Die Korrespondentin hatte die Reise zur Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds nach Bali absagen müssen. Und doch wurde sie unfreiwillig Zeugin des Dilemmas: Weil nämlich ein Teil der deutschen Delegation mitten in einem Meeting auf Bali über den Nager und die Umbuchung informiert wurde, rauschten die überraschten Deutschen sofort ab. Zurück blieben ebenso überraschte Gesprächspartner, die dann die freie Zeit nutzen, um die Information aus dem indischen Ozean in die Bundeshauptstadt weiterzutragen.

Dass selbst penible Planer immer wieder vom Leben überrascht werden, zeigt auch folgendes: wegen der unterschwelligen Gefahr eines Erdbeben oder eines Tsunamis dem Rat der indonesischen Gastgeber gefolgt, die Konrad Adenauer besser nicht auf Bali zu parken, sondern auf eine Nachbarinsel auszuweichen, die als weniger erdbebengefährdet gilt. Dass ein Nagetier dazwischen kam, damit hatte niemand gerechnet.

Die Konrad Adenauer blieb einige Zeit auf der Insel. Sie musste auf den Kammerjäger warten, um die Eindringlinge unschädlich zu machen. Dazu wird das Flugzeug versiegelt, also hermetisch abgeschlossen. Dann wird Gas in den Innenraum geleitet; später wieder gelüftet, Kabel neu verlegt, alles getestet. Und noch mal getestet. Der Rückflug gelang.

Es ist übrigens bis heute nicht ganz klar, ob der Nager ein indonesischer war oder schon von Berlin aus mitgeflogen ist. Gesichert dagegen ist die Erkenntnis, dass er über die Radaufhängung eingedrungen sein muss. Und klar: In den sozialen Medien witzelte man natürlich, dass die strenge deutsche Migrationspolitik Passagieren ohne Papieren die Einreise nicht erlaube. So ein Spaß. Cerstin Gammelin

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