Merkel und die Union:Wie ein kaputter Reißverschluss

Christian Democratic Union party congress in Hamburg

Distanziert sich langsam von ihrer Partei: Angela Merkel beim CDU-Parteitag im Dezember.

(Foto: REUTERS)

CDU und CSU machen zusammen Europawahlkampf - nur die Kanzlerin ist kaum dabei. Dass Merkel Distanz zur Union sucht, ist kein Wunder. Trotzdem hat ihre Haltung ein schweres Manko.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Die Union präsentiert sich an diesem Samstag im Reißverschlussverfahren. Zum Auftakt des Europa-Wahlkampfes treten in Münster die CDU-Vorsitzende auf und der CSU-Vorsitzende; der CDU- Generalsekretär und der CSU-Generalsekretär; außerdem der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, den die CDU stellt, und der gemeinsame Spitzenkandidat für Europa, den wiederum die CSU stellt. Zipp, zapp, eins ins andere. Nur die Kanzlerin kommt nicht.

Man könnte nun davon sprechen, dass die verjüngte Führungsgeneration der Union ihre neue Verantwortung annimmt. Man könnte konstatieren, dass CDU und CSU in der Stadt des Westfälischen Friedens nach Jahren des Streits eine neue Gemeinsamkeit zelebrieren. Aber man muss angesichts der Abwesenheit Angela Merkels und am Ende einer Woche, in der sich Manfred Weber so offen von ihr distanziert hat, wohl vor allem festhalten, dass der Trennungsprozess Merkels und der Union in vollem Gange ist.

Manfred Weber hat diese Woche gesagt, dass das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 nicht im europäischen Interesse sei. Das heißt im Umkehrschluss, dass wider europäisches Interesse handelt, wer dieses Projekt unterstützt, also die Kanzlerin. Das ist schon ein robuster Vorwurf unter Unions-Freunden. Und er wird nicht dadurch abgemildert, dass Weber schon immer gegen Nord Stream 2 war, nur weniger laut, und schon gar nicht dadurch, dass er diesen Vorwurf kalkuliert und demonstrativ in Polen platziert hat, wo die Regierung nicht nur das europäische Interesse anders definiert als Merkel, sondern bisweilen sogar manchen europäischen Grundwert.

Während namhafte SPD-Politiker die Haltung der von ihr mitgetragenen Bundesregierung und den jüngsten Kompromiss des Europäischen Rates verteidigten, dröhnte Merkel von der Prominenz der Union nur betretenes Schweigen entgegen. Wenn einer CDU-Kanzlerin die Sozialdemokraten Manuela Schwesig und Thomas Oppermann beispringen, aus den eigenen Reihen aber nur noch der Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul, dann kann sich der Eindruck einer gewissen Einsamkeit einstellen, der womöglich nicht mehr nur ein Eindruck ist.

Richtig ist aber auch: Merkel sucht von sich aus ebenfalls die Distanz. Die Wiederannäherung ihrer Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer an die CSU findet sie gewiss nicht falsch, deren Hemmungs- und Bedingungslosigkeit eher schon.

Immerhin führt nun in Markus Söder ein Mann die CSU, der im Asylstreit vor nicht einmal einem Jahr auch das Ende der Kanzlerschaft Merkels in Kauf nahm, weil er sich davon Vorteile für die bayerische Landtagswahl erhoffte.

Bis auf zwei Auftritte, einer in Deutschland, einer im Ausland, beteiligt sich Merkel nicht am Wahlkampf für das europäische Parlament. Diese Entscheidung ergibt sich für sie als Konsequenz ihres Verzichts auf den Parteivorsitz. Und dieser Verzicht wiederum war eine Konsequenz aus der anschwellenden Bedrängnis, unter die sie von den eigenen Leuten geraten war.

Die Kanzlerin residiert noch immer als Deutschlands beliebteste Politikerin an der Spitze der Umfragen. Soll sie wegen dieser Beliebtheit für dieselbe Partei um Wählerstimmen werben, die den Beginn ihres Abschieds begrüßte? Es ist nachvollziehbar, wenn Merkel das nicht ganz so konsequent findet.

Trotzdem hat Merkels Haltung ein schweres Manko: Für die Zeit ihrer restlichen Kanzlerschaft gibt es kein wichtigeres Thema als Europa, weil die meisten Probleme nur in und mit Europa zu lösen sind. Und bei der Wahl des Parlamentes geht es nicht nur um dessen Zusammensetzung, sondern um die europäische Idee insgesamt. Es hätte Möglichkeiten für Merkel gegeben, sich mehr Präsenz in diesem Wahlkampf zu schaffen, um für diese Idee zu werben, auch ohne dabei gleich wieder auf einer Bühne mit Markus Söder stehen zu müssen.

Es spricht viel dafür, dass Merkel und die Union nur noch aneinanderhängen wie ein kaputter Reißverschluss: Wo der Schieber steht, hält er die zwei Teile noch zusammen, aber darüber und darunter fällt alles auseinander.

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