Merkel besucht USA:Partner aus Vernunft

Angela Merkel träumte als Teenager davon, einmal die USA zu bereisen. 20 Jahre nach dem Mauerfall hat sie als Kanzlerin die Ehre, zum Kongress zu sprechen. Aber wie versteht sich Merkel mittlerweile mit Präsident Obama?

Nico Fried

Damals, beim Alten, lagen die Dinge andersrum: Konrad Adenauer hatte die nächsten Bundestagswahlen noch vor sich, als er im Mai 1957 in Washington vor dem amerikanischen Repräsentantenhaus sprach. Seine Themen waren die Abrüstung, die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung und das Versprechen, dass die Bundesrepublik Deutschland ein friedlicher Staat sei. Wie hoch der Bundeskanzler bei der US-Regierung im Kurs stand, belegt auch seine Einladung auf die private Farm von Präsident Dwight D. Eisenhower. Innenpolitische Hintergedanken wies Adenauer mit Blick auf das gemeinsame Kommuniqué zurück: "Die Aussichten der CDU sind bereits so gut, dass es nicht notwendig war, sie zu steigern."

Merkel besucht USA: Nach kleineren Anlaufschwierigkeiten pflegen sie ein unkompliziertes Verhältnis: Kanzlerin und Präsident, aufgenommen anlässlich ihres Treffens im Juni in Dresden.

Nach kleineren Anlaufschwierigkeiten pflegen sie ein unkompliziertes Verhältnis: Kanzlerin und Präsident, aufgenommen anlässlich ihres Treffens im Juni in Dresden.

(Foto: Foto: Reuters)

Angela Merkel hatte nicht nur die Wahlen hinter sich, als sie am Montag ins Flugzeug stieg, um nach Washington zu reisen - es gäbe bekanntlich keine Kanzlerin Merkel, hätten die Deutschen mittlerweile nicht die Wiedervereinigung erlebt. Merkel wird am Dienstagmorgen (US-Zeit) Präsident Barack Obama treffen und danach im Kongress sprechen - und zwar vor den Abgeordneten der beiden Häuser zusammen, was protokollarisch noch ehrenvoller ist als Adenauers Auftritt vor mehr als fünfzig Jahren. Es ist zu erwarten, dass sie in dieser Rede auch ihre persönliche Erinnerung an den Mauerfall vor 20 Jahren und ihr damaliges Bild von den Vereinigten Staaten und deren Politik formulieren wird.

Eine persönliche Note

Merkels Reisen in die USA haben meistens auch eine persönliche Note. Nicht einmal ihr selbst in bester Erinnerung ist der Besuch der Unions-Fraktionsvorsitzenden Angela Merkel 2002 bei George W. Bush. Die forsche Oppositionspolitikerin überbrachte dem Präsidenten die Botschaft, dass nicht alle Deutschen hinter der Irak-Politik des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder stünden. Die innenpolitische Kritik via ausländische Medien (Merkel hatte einen Gastbeitrag für die Washington Post geschrieben) brachte ihr zu Hause Spott und Schmähungen ein.

In den drei gemeinsamen Jahren als Kanzlerin mit US-Präsident George W. Bush von 2005 bis 2008 war gleichwohl eine starke persönliche Zuneigung der beiden Politiker zu erleben. Merkel, die Ostdeutsche, war für Bush ein wandelndes Symbol für die Freiheit. Er fragte sie aus über ihr Leben in einem Staat, den er sich nicht vorstellen konnte. Merkel wurde später mal mit den Worten vernommen, der Präsident habe sich mehr für ihre ostdeutsche Vergangenheit interessiert als manche Westdeutsche. Wie seinerzeit Adenauer zu Eisenhower durfte auch Merkel auf die private Ranch von Bush.

In der weltweiten Begeisterung für Barack Obama hielt sich Merkel lange Zeit zurück. Sie nahm viel Kritik dafür in Kauf, dass sie Obama nicht gestattete, als Präsidentschaftskandidat eine Rede vor dem Brandenburger Tor zu halten. Nach ihren ersten Begegnungen mit Obama zeigte sich Merkel beeindruckt, aber nicht fasziniert. Mittlerweile gehört sie dennoch zu seinen wichtigsten Partnern, das persönliche Verhältnis ist unkompliziert. Obama selbst hat in einer Pressekonferenz bei Merkels letztem Besuch in Washington viel Zeit darauf verwendet, Spekulationen über eine Belastung der Zweier-Beziehung zu zerstreuen.

Merkel bemüht sich, Obama im Rahmen der Möglichkeiten einer deutschen Kanzlerin zu unterstützen. Stets weist sie mit Blick auf die nächsten Kongresswahlen im Herbst 2010 darauf hin, dass Obama nur wenig Zeit bleibe, seine innenpolitischen Projekte wie die Gesundheitsreform voranzubringen, aber auch seine außenpolitischen Akzente zu setzen. Vor allem im Umgang mit Russland warb Merkel wiederholt bei Präsident Dmitrij Medwedjew und Ministerpräsident Wladimir Putin dafür, mehr Offenheit gegenüber den Anliegen des US-Präsidenten zu zeigen, vor allem in der Abrüstungspolitik.

Neben der Krise in Afghanistan und dem Nuklear-Programm Irans wird der bevorstehende Klima-Gipfel in Kopenhagen im Mittelpunkt des Besuches von Merkel stehen. "Die Welt wird auf Kopenhagen schauen, und die Bekämpfung des Klimawandels ist eine der unaufschiebbaren Aufgaben weltweit", sagte sie am Wochenende. An den Reaktionen auf ihre Rede im Kongress wird sie vielleicht schon ablesen können, welche Erfolgsaussichten der Klima-Gipfel haben wird. Denn Repräsentantenhaus und Senat müssen letztlich ihr Einverständnis geben, wenn Obama in Kopenhagen amerikanische Vorschläge präsentieren möchte. Wie es anderenfalls laufen kann, hat Angela Merkel seinerzeit in Kyoto erlebt, beim ersten Klima-Abkommen, das sie noch als Umweltministerin aushandelte. Präsident Bill Clinton stimmte der Vereinbarung zu. Im Kongress fiel sie sang- und klanglos durch.

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