Merkel besucht US-Präsident:Trump hat das Image Deutschlands in den USA verändert

Wer als Deutscher durch die USA reist, wird ständig auf die Flüchtlingskrise angesprochen. Weil Trump im Wahlkampf oft über die Kanzlerin sprach, ist der Eindruck verzerrt.

Von Matthias Kolb, Washington

Ein Montagmorgen im Februar 2016. Der Vorwahlkampf in New Hampshire läuft und Donald Trump redet eine Stunde mit Bürgern in Salem. Draußen schneit es, die Luft in der "Elk's Lodge" ist stickig und zunächst geht es um die Drogen- und Schmerzmittelepidemie. Trump verspricht, dass durch seine Mauer zu Mexiko das Heroin draußen bleiben werde. Nach seiner Ankündigung, den "radikalen islamischen Terrorismus" auszurotten, fragt ihn ein Wähler nach Bundeskanzlerin Angela Merkel.

"Was sie mit den syrischen Flüchtlingen macht, ist verrückt. Deutschland ist in Aufruhr. Es wird dort bald eine Revolution geben", ruft er. Ich zucke zusammen, und Trump fährt fort: "Freunde in Deutschland" hätten ihm erzählt, dass Tausende das Land verlassen würden - es sei zu unsicher. Das Publikum nickt, Talkradio-Moderatoren, Fox News und Breitbart haben nach der Silvesternacht von Köln dafür gesorgt, dass Amerikas Konservative "Cologne" gut kennen.

Die Reporter um mich herum sind US-Amerikaner, keiner wirkt verdutzt. Ich poste einen Tweet mit Trumps Aussage, spreche mit Zuhörern (viele wählten 2012 Obama, nun sind sie Fans des Milliardärs) und schreibe meinen Text. Im Laufe des langen US-Wahlkampfs wurde ich unzählige Male gefragt, wie es denn nun wirklich sei in "Germany".

In Iowa will ein Ted-Cruz-Fan wissen, ob sich die Deutschen noch vor die Tür trauen. Ein Ex-Army-Soldat ("in Ansbach hatte ich die beste Zeit meines Lebens") erklärt mir in South Carolina, dass Deutschland "am Abgrund" stehe und seine Identität verliere. Als ich eine Gruppe Trump-Fans in Pennsylvania besuche, dauert es 20 Minuten, bis ich meinen Notizblock aufklappen kann.

Fragen à la "Wie versorgt ihr die Flüchtlinge?" oder "Gibt es mehr Verbrechen?" kann ich beantworten, doch oft genug wird ausgesprochen, was viele Republikaner denken: "Wie könnt ihr so verrückt sein und Hunderttausende ins Land lassen? Die Franzosen machen das auch nicht."

Die Sympathie für Deutschland ist groß

Wenn Kanzlerin Merkel heute US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus trifft, dann vertritt sie für viele Amerikaner ein anderes Deutschland. Sowohl sie als auch ihr Land haben einen anderen Ruf als im Februar 2015, als sie zuletzt in Washington war. Es gibt weiter enorme Bewunderung für "Germany": Vielen imponiert, dass hier noch hochwertige Dinge produziert werden. Fast alle Amerikaner mögen Bier und Autos, immer mehr Latinos schauen die Bundesliga und außerdem haben 46 Millionen US-Bürger deutsche Vorfahren.

Die letzten Umfragen über das bilaterale Verhältnis (Erhebung von Pew vom Mai 2015 und die "German Perceptions"-Studie der deutschen Botschaft) zeigen, dass etwa zwei von drei Amerikanern die Bundesrepublik für einen starken Partner halten. Neuere Zahlen gibt es nicht, aber ich bin überzeugt, dass Donald Trump das deutsche Image verändert hat.

Wenn er die angeblich durch Flüchtlinge drohende Gefahr mit dem "Islamischen Staat" verknüpfte, dann war meist von Deutschland die Rede - siehe die Szene aus New Hampshire. Ja, Trump instrumentalisierte auch die Anschläge von Paris und zitierte einen angeblichen Freund (die Identität dieses "Jim" kann niemand bestätigen), der Frankreichs Hauptstadt nun meide. Aber dass Merkel im September 2015 anwies, die Grenze "aus humanitären Gründen" zu öffnen, zeigt in Trumps Weltsicht, dass Politiker ihre Bürger nicht ausreichend schützen.

Für liberale Amerikaner ist Merkel eine Hoffnungsträgerin

Das Bild Deutschlands in den USA verschiebt sich jedoch auch in die andere Richtung, also ins extrem Positive. Denn während die deutsche Reaktion auf die Flüchtlingskrise bei Republikanern auf Unverständnis stößt, sorgt sie bei progressiven US-Bürgern für Begeisterung - und löst Scham aus.

"Ihr tut so viel für die Syrer und wir nehmen nur 10 000 auf, das ist so erbärmlich", schimpft eine junge Barista in einem Café in Columbia. Merkel selbst mag das Etikett der "letzten Anführerin der freien Welt" ablehnen: Als CNN-Moderator Jake Tapper die Kanzlerin vor einer Woche beim SXSW-Festival als "leader of the free world" bezeichnet, klatscht das Publikum voller Überzeugung.

Angela Merkel gilt auch in den USA als Anti-Trump

Weil der Gegensatz zu Trump größer kaum sein könnte, wird die Kanzlerin fast bewundert. Ihr sind als studierter Physikerin Fakten heilig, sie sagt lieber zu wenig als zu viel und twittern tut sie auch nicht. Wenn es ein ausländischer Politiker schafft, Trump zu bändigen, dann wohl die Kanzlerin, so der Konsens vieler Trump-Kritiker. Die Frage, ob die CDU-Chefin die nächste Wahl gewinnt, beschäftigt den Uber-Fahrer in Los Angeles ebenso wie die Jura-Studenten der Yale Law School, die die Klagen gegen Trumps Einreise-Dekret vorbereiten.

Die Frage "Will Merkel make it again?" lässt sich gut kontern mit einem Vortrag über das parlamentarische System Deutschlands, die Vorteile von Koalitionen (keine Maximalforderungen im Wahlkampf!), Fraktionsdisziplin und staatlicher Parteienfinanzierung. Dass Wahlkämpfe in Europa nicht Milliarden verschlingen, macht viele Gesprächspartner neidisch. Dass Merkel eine konservative Partei anführt, weiß auch nur eine Minderheit: "Oh, das muss ich mal nachgoogeln."

Ob sie das wirklich tun, weiß ich nicht. Viele Begegnungen sind kurz, nicht immer bleibt man in Kontakt. Wenn ich Trump-Wählern sage, dass die Versorgung und Integration von so vielen Flüchtlingen herausfordernd ist und längst nicht alles glatt läuft, dann nicken sie. Sie nicken aber auch, wenn ich sage, dass die Wirtschaft in Deutschland weiter brummt, die Kriminalität nicht gestiegen ist und die Beiträge auf Fox News mit der Realität meiner Heimat nichts zu tun haben.

2012 hatte ich auch schon über den US-Wahlkampf berichtet, und damals merkte ich, dass außerhalb von Washington und den Hochschulen kaum ein Amerikaner die Besonderheiten der Europäischen Union versteht (Donald Trump ist da keine Ausnahme). 2012 wurde ich von Wählern der Republikaner oft ausgefragt - damals verstanden sie nicht, wieso die Griechen nicht einfach aus der EU geschmissen wurden.

Dass sich beide Länder trotz der gegenseitigen Sympathie, vieler Reisen und historischer Verbundenheit mitunter recht fremd sind, offenbarte jede Diskussion über die gesetzliche Krankenversicherung "Obamacare", die schon Mitt Romney abschaffen wollte. "Lass ihn, er weiß nicht, dass er Sozialist ist", sagte eine Frau zu ihrem Mann, der mich nach der letzten TV-Debatte nicht überzeugen konnte, dass eine staatliche Krankenversicherung Teufelszeug sei.

Keine fünf Jahre ist das her, doch es fühlt sich an wie vor einer Ewigkeit und macht fast nostalgisch. Auch das liegt vor allem an Trump.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: