Es ist der erste Besuch von Kanzlerin Angela Merkel seit Ausbruch der Finanzkrise - und ein besonderer dazu: Wenn Merkel an diesem Dienstag nach Athen reist, wird sich die griechische Hauptstadt im Ausnahmezustand befinden.
Mit massiven Sicherheitsvorkehrungen bereitet sich die Stadt auf den Besuch vor, denn sie fürchtet die Wut der Bürger. Viele Griechen machen für die strengen Sparauflagen im Land vor allem die deutsche Regierungschefin verantwortlich.
Die Polizei will mit 7000 Mann im Einsatz sein, die nicht nur aus der gesamten Hauptstadtregion Attika, sondern auch aus anderen Landesteilen zusammengezogen werden. Auch deutsche Einrichtungen wie die Botschaft und das Goethe-Institut stünden unter besonderem Schutz, hieß es in griechischen Medien.
Seit dem Besuch des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton 1999 habe es keine derartigen Sicherheitsmaßnahmen mehr gegeben, zitierten griechische Medien die Polizei. Besonders streng bewacht würden der Flughafen und das Hotel, in dem Merkel wohnen wird. In der Innenstadt wird die Polizei vor allem das Parlament und den Syntagma-Platz absichern.
"Was bringt Merkel mit?"
Die beiden größten Gewerkschaften des Landes haben überdies einen dreistündigen Streik mit einer Großdemonstration im Zentrum Athens angekündigt. Auch die Kommunisten und die größte Oppositionspartei im Parlament, das Bündnis der radikalen Linken (Syriza), riefen zu Demonstrationen auf. Wie ein Syriza-Sprecher sagte, werde man "alles mobilisieren, was man auf die Straße bringen kann". Vor der deutschen Botschaft will außerdem die nationalpopulistische Partei der "Unabhängigen Griechen" demonstrieren.
Die Zeitung Ta Nea veröffentlichte eine Karikatur der Kanzlerin, auf der sie sich mit einer Gasmaske gegen Tränen- und Reizgas rüstet. In der anderen Hand hält Merkel Geld. Das konservative Blatt Kathimerini fragte: "Was bringt Merkel mit?". Die Zeitung geht davon aus, dass Merkel auf Reformen und Maßnahmen zur Konsolidierung der griechischen Finanzen pochen wird. Die Regierung unter Premier Antonis Samaras hofft ihrerseits auf eine politische Entscheidung für die Fortsetzung der Hilfe an das von der Pleite bedrohte Land.
Unterdessen warnen Vertreter von SPD und Grünen die Bundeskanzlerin vor Überheblichkeit. Europarlamentspräsident Martin Schulz (SPD) riet, sie solle nicht als "reicher Onkel" in Athen aufzutreten. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte Merkel auf, den Griechen deutlich zu machen, "dass sie auf dem harten, vor ihnen liegenden Weg auf die europäische Solidarität zählen können".
Regierungssprecher Steffen Seibert mühte sich, die Reise als Routinebesuch darzustellen, der gleichwohl unter dem Eindruck der sehr schwierigen Situation des Landes stehe: "Wir wollen Griechenland helfen", sagte er.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach von einem "Akt der Anerkennung für die griechische Regierung, die mit ihrer Reformpolitik unter großem Druck steht". Die Griechen hätten Fairness und Respekt verdient, mahnte er in der Bild-Zeitung.
Pünktlich zum Merkel-Besuch revidierte das Statistikbüro in Athen die Konjunkturdaten für die vergangenen zwei Jahre. Demnach schrumpfte die Wirtschaftsleistung des Landes 2010 um 4,9 Prozent (bisher minus 3,5 Prozent) und 2011 um 7,1 Prozent (bisher minus 6,9 Prozent). Schuld sei ein massiver Rückgang bei den Konsumausgaben der privaten Haushalte. Für dieses Jahr erwartet die Regierung in Athen einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 6,5 Prozent. 2013 soll sich das Minus auf 3,8 Prozent verringern.
Die stark schrumpfende Wirtschaft - seit 2008 ist sie immerhin um rund ein Fünftel einbrochen -, wirkt sich auch auf den Schuldenberg des Landes aus: Nach Informationen der Welt am Sonntag aus Verhandlungskreisen läuft Griechenland mittlerweile auf einen Schuldenstand von 140 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu. Die ursprüngliche Vorgabe von 120 Prozent in den nächsten acht Jahren ist Voraussetzung für das zweite Hilfsprogramm.
Derzeit verhandelt die Regierung in Athen intern aber auch mit Vertretern der Troika von Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank über weitere Sparmaßnahmen. Sie gelten als Bedingung für eine Freigabe der nächsten Tranche von Hilfskrediten über 31,5 Milliarden Euro.