Merkel beim UN-Gipfeltreffen:Unbeirrt in New York

German Chancellor Merkel waves to a crowd as she walks with former Mayor of New York City Bloomberg to the The National September 11 Memorial and Museum in New York

Kanzlerin Merkel lässt sich in New York von Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg (r.) die Geschichte des "Baumes der Überlebenden" am Ground Zero erklären.

(Foto: REUTERS)
  • Kanzlerin Angela Merkel war drei Tage in New York.
  • Beim Gipfeltreffen der Vereinten Nationen ging es um die Agenda 2030, eine Art Weltarbeitsprogramm gegen Armut, Hunger, Klimawandel und Umweltzerstörung.
  • Mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg sprach Merkel über den leichtfertigen Umgang von Facebook mit rassistischen Kommentaren.

Von Robert Roßmann, New York

Eigentlich ist es nur ein Baum. Ein Birnbaum, um genau zu sein. Aber die Kanzlerin ist ziemlich beeindruckt. Michael Bloomberg, der New Yorker Ex-Bürgermeister, hat Angela Merkel gerade die Geschichte der Pflanze erklärt. Der Baum war nach dem Einsturz des World Trade Centers unter Trümmern entdeckt worden. Er schien tot zu sein. Aber die New Yorker gaben den Baum nicht auf, sie pflanzten ihn wieder ein, hegten und pflegten ihn. Und siehe da: Er wuchs einfach weiter. Man kann an seinen Ästen den Tag des Terroranschlags exakt ablesen. Was nach dem 11. September 2001 gewachsen ist, ist glatt - alles andere schrumpelig. Für die New Yorker ist das der "Baum der Überlebenden" - und auch Merkel ist ganz ergriffen, sie streichelt sogar über einen Ast.

Dass der Baum "überlebt hat und dann so weitergewachsen ist", sei "wie ein Wunder", sagt Merkel. Dass der neue Wolkenkratzer am Ground Zero bereits fast komplett vermietet ist, gefällt der Kanzlerin genauso. Auch unter schwierigen Umständen einfach weitermachen, so etwas imponiert Merkel. In diesen Tagen muss sie diese Kunst aber auch selbst beherrschen.

Weltarbeitsprogramm gegen Armut, Hunger und Klimawandel

Die Kanzlerin ist für drei Tage nach New York geflogen. Beim Gipfeltreffen der Vereinten Nationen geht es um die Agenda 2030, eine Art Weltarbeitsprogramm gegen Armut, Hunger, Klimawandel und Umweltzerstörung. Die UN wollen nicht die Flüchtlinge bekämpfen, sondern die Fluchtursachen. Mehr als 150 Staats- und Regierungschefs sind gekommen, es ist das größte Gipfeltreffen in der Geschichte der UN. Merkels Terminkalender ist übervoll mit Auftritten, Arbeitsessen, Empfängen und bilateralen Treffen. In New York preisen sie die Kanzlerin bei fast jeder Gelegenheit. Hier gilt die ehemalige Umweltministerin als überzeugte Kämpferin für die neue Agenda der UN.

Aber aus Deutschland kommen ständig schlechte Nachrichten nach New York. In der CDU rumort es wegen der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Die Umfragewerte Merkels und der Union sinken. Horst Seehofer und seine CSU proben den Aufstand gegen Merkels Kurs. Und dann meldet sich auch noch SPD-Chef Sigmar Gabriel mit einem unabgesprochenen Vorschlag zur Russland-Politik zu Wort, den Merkel nicht teilt. Die Kanzlerin hält es für grundfalsch, die Sanktionen gegen Russland schnell zu lockern, nur weil der Westen Moskau zur Befriedung Syriens braucht. Dies wäre ihrer Ansicht nach ein Verrat an der Ukraine.

Die Attacken Seehofers auf Merkel erinnern in ihrer Schärfe bereits an die Angriffe Herbert Wehners auf Willy Brandt oder an das Dauerfeuer von Strauß gegen Kohl. Sie könnten das wichtigste Pfund der Union, die Reputation Merkels, gefährden. Aber offenbar ist sich die Kanzlerin noch nicht sicher, ob und wie sie auf die Attacken reagieren soll.

Merkel trifft auch Bill Gates und Mark Zuckerberg

In New York verliert sie jedenfalls kein Wort über den CSU-Chef. Stattdessen zieht die Kanzlerin unbeirrt ihre Kreise. Merkel redet mit den Regierungschefs der Türkei, Tunesiens und Pakistans sowie dem ägyptischen Präsidenten darüber, wie man den Flüchtlingsstrom nach Europa unter Kontrolle bringen kann. Sie bespricht mit dem ukrainischen Präsidenten, wie man die Lage in seiner Heimat verbessern sollte. Sie besucht die G 77, die Gruppe der armen Staaten. Sie treibt eine Initiative zum Kampf gegen Infektionskrankheiten wie Ebola voran. Sie beteiligt sich an einem Forum zur Gleichstellung der Frauen. Und sie bemüht sich darum, die Wirtschaft für Entwicklungshilfe zu begeistern. Dazu trifft sie in New York auch Bill Gates und Mark Zuckerberg.

Die Begegnung mit Zuckerberg verschafft dann noch einen überraschenden Einblick in die Welt der Diplomatie. In der heißt es oft, ein Thema sei "angesprochen" worden. Meistens geht es dabei um Menschenrechte oder andere strittige Dinge. Wie aber so ein "Ansprechen" abläuft, davon hat kaum jemand eine Vorstellung. In New York hat jetzt eine technische Panne offenbart, wie profan dieses Ansprechen sein kann.

Journalisten können wegen einer Panne Gespräch mithören

Weil versehentlich ein Mikrofon offen war, konnten Journalisten im Livestream zu der Veranstaltung mithören, wie die Kanzlerin Mark Zuckerberg auf den leichtfertigen Umgang von Facebook mit rassistischen Kommentaren hinweist: Merkel fragt Zuckerberg, ob er schon von dem Problem gehört habe. Der Facebook-Chef antwortet: "Ich denke, wir müssen daran arbeiten." Auf Merkels Nachfrage, ob Facebook das künftig "besser machen" wolle, sagt Zuckerberg: "Yeah". Das war's.

In den Nachrichten heißt es seitdem, "Facebook-Chef verspricht Kampf gegen Hassparolen".

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