Merkel bei Trump:Mehr als ein Handschlag ist kaum drin

Donald Trump, Angela Merkel

Links Merkel, rechts Trump - Aufeinanderzugehen sieht anders aus.

(Foto: picture alliance/AP Photo)

Die Erwartungen an das Treffen von Merkel und Trump können getrost heruntergeschraubt werden. Macron hatte deutlich mehr zu bieten als sie. Und war auch nicht erfolgreich.

Von Thorsten Denkler, New York

Emmanuel Macron ist schon zurück in Paris. Angela Merkel bereits in Washington. Er hat einen dreitägigen Staatsbesuch hinter sich. Sie kommt zu einem kurzen Arbeitstreffen über Mittag vorbei. Der Rahmen könnte unterschiedlicher nicht sein. Macron wurde mit allem Pomp geehrt, den ein Staatsbesuch mit sich bringt. Mit Staatsbankett und Damenprogramm. Sie haben sich geküsst, betätschelt und auf die Schultern geklopft. Es ist von einem menschlich warmen Umgang zu lesen, von einem liebevollen Miteinander.

Merkel wird allerhöchstens einen Händedruck bekommen. Danach sind 20 Minuten mit Trump alleine vorgesehen. Und anschließend ein Arbeitsessen. Wahrscheinlich ist ihr das auch ganz recht so. Zu große Nähe zu Trump würde zu Hause nicht gut ankommen. Und so ein Kurzbesuch wird die Erwartungen nicht in den Himmel schießen lassen.

Da war der Druck auf Macron größer. Aber er hatte eine Taktik. Er wollte Trump umgarnen, um politisch das Maximale aus dem Besuch herauszuholen. Im Vorfeld hat er die Gemeinsamkeiten zwischen ihm und Trump betont, die unzerstörbare Freundschaft zwischen Frankreich und den USA hervorgehoben. Und er hat Trump während des Besuches immer wieder Komplimente gemacht, ihm zugehört, sein Verlangen nach Anerkennung und Bestätigung befriedigt.

Zwei Tage lang hat Macron das durchgehalten. Am dritten Tag war dann Schluss mit der Schmeichelei. In seiner Rede vor dem Kongress hat er mit Trumps "America First"-Doktrin abgerechnet. Und danach den schwarzen Bürgerrechtler John Lewis getroffen. Einen erklärten Trump-Gegner.

Es wäre Trump nicht zu verübeln, wenn er danach so etwas wie enttäuschte Liebe empfinden würde.

Merkel wird sich nicht auf emotionales Glatteis begeben. Sie ist eine nüchterne Sachpolitikern, die sich selten von Gefühlen leiten lässt. Und wenn, dann ist es ihr nicht anzumerken. Im Umgang mit Trump ist das zunächst nicht unbedingt von Vorteil. Er setzt auf persönliche Sympathie. Mag er sein Gegenüber, dann macht er vielleicht auch Geschäfte mit ihm. Mag er ihn nicht, dann wird er alles versuchen, ihn über den Tisch zu ziehen.

Aber sicher ist auch das nicht. Mit dem japanischen Regierungschef Shinzo Abe soll er sich ganz ausgezeichnet verstehen. Sie spielen sogar Golf zusammen. Auf japanische Produkte erhebt Trump dennoch Strafzölle.

Mit Merkel aber muss auch Trump irgendwie klarkommen. Deutschland ist in der Weltwirtschaft einer der größten Player. Und ein enorm wichtiger Handelspartner für die USA. Deutsche Unternehmen beschäftigen rund 700 000 Mitarbeiter in den USA.

Außerdem ist Deutschland die einflussreichste Stimme in der Europäischen Union. Ohne Deutschland geht in der EU nicht viel. Und gegen Deutschland gar nichts. Das werden Trumps Berater ihm hoffentlich erklärt haben.

Und auch, dass er Deutschland und Frankreich nicht wird auseinanderdividieren können. Die Interessen von Deutschland und Frankreich sind gegenüber den USA abgestimmte europäische Interessen. Und damit nahezu deckungsgleich. Die Europäer wollen:

  • Das Atomabkommen mit Iran retten.
  • Die EU aus dem Handelsstreit heraushalten, den Trump gerade mit China und dem Rest der Welt anzettelt.
  • Die USA wieder an das Klimaabkommen von Paris binden.
  • Den Krieg in Syrien beenden und einen belastbaren Zukunftsplan für die Region entwerfen. Vor allem aber Syrien nicht Russland und Iran überlassen, weil das die Lage noch instabiler machen würde.

Macron war mit seiner Kuschel-Taktik nicht besonders erfolgreich. Die Konfliktlinien mit dem USA bleiben auch nach seinem Besuch klar erkennbar. Trump wird die USA aus dem Iran-Deal herauslösen, ist sich Macron kurz vor seinem Abflug am Mittwoch sicher.

Und mit Trump über Klimafragen zu reden, ist wie mit Nordkoreas Regimeführer Kim Jong-un über Menschenrechte zu sprechen: deprimierend.

Einzig in der Handelsfrage hat es etwas Bewegung gegeben. Trump will die bereits eingeräumte Ausnahmevereinbarung für Strafzölle auf Aluminium und Stahl aus der EU verlängern. Sie würde am kommenden Dienstag auslaufen. Allerdings will er eine Gegenleistung: Die EU soll ihrerseits die Zölle auf Auto-Importe aus den USA senken sowie Zugeständnisse im Steuerrecht machen.

Die Haltung der EU dazu ist klar: Sie erwartet, dass die USA keine Strafzölle auf Waren aus der EU erhebt. Und zwar ohne Bedingungen. In einem Handelskrieg würde beide Seiten letztlich nur verlieren, ist eines der wichtigsten Argumente.

Kann Merkel Trump davon überzeugen? Unwahrscheinlich. Aber möglich. Sie und Trump werden keine Freunde werden. Aber Merkel ist eine verlässliche Gesprächspartnerin. Weswegen sie auch von Autokraten wie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin oder dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan respektiert wird. Auch wenn Verhandlungen gerade mit diesen beiden Staatschefs immer wieder auch Merkel an ihre Grenzen bringen.

Trump kümmert seine internationale Verantwortung wenig

Was den Umgang mit Trump so besonders macht, ist seine Unberechenbarkeit, seine Prinzipienlosigkeit. Es ist schwer, ihn auf ein einmal vereinbartes Verhandlungsergebnis festzunageln. Die Demokraten im US-Kongress haben das oft erlebt. In den Verhandlungen um das Abschiebeschutzprogramm für einst minderjährig in die USA gebrachte Immigranten (Daca) schien es mehrfach, als hätten Trump und die Demokraten einen Deal. Der dann nur wenig später von Trump wieder aufgekündigt wurde.

Trump scheint auch weniger wichtig zu sein, welche Beben er international mit seinen Entscheidungen auslöst, solange sie ihm helfen, seine Wählerbasis zu befriedigen und seine Glaubwürdigkeit im Inland zu bewahren. Macron sagte, Trump werden den Iran-Deal einzig aus "innenpolitischen Gründen" aufkündigen. Eben weil er es seinen Wählern in markigen Worten versprochen hat.

Ähnlich war es im Fall des Vergeltungsschlages gegen Syrien vor zwei Wochen. Trumps Kernwähler wollen die US-Truppen lieber heute als morgen aus der Region abgezogen sehen. Trump aber hatte auf Twitter wegen des vermuteten Einsatzes von Giftgas so heftig gegen den syrischen Machthaber Baschar al-Assad gewettert, dass er lieber einen Militärschlag befahl als seine Vertrauenswürdigkeit in den sozialen Netzwerken zu gefährden. Nicht zu handeln, wäre ihm als Schwäche ausgelegt worden, befürchtete er offenbar. Der Abzug der US-Truppen soll dennoch kommen.

Die Herausforderung für Merkel ist an diesem Freitag also weniger, Trump zu gefallen. Sondern vielmehr, von ihm eine klare und belastbare Ansage zu bekommen, was er wie entscheiden wird. Das Problem ist nur, dass Trump oft selbst noch nicht recht zu wissen scheint, wie er entscheiden wird. Immer wieder hat er bereits unterschriftsreife Entscheidungen verworfen. Oft reicht, dass er auf seinem Lieblingssender Fox News etwas sieht, was der ursprünglichen Entscheidung zuwiderläuft. Seine Berater wissen oft bis zum Schluss nicht, ob Trump sich an einmal gemachte Verabredungen hält.

In der Iran-Frage etwa hatte sich Trump zunächst umstimmen lassen. Er hält das Abkommen selbst für schlimm. Aber der Druck auch aus den eigenen Reihen hat ihn zuletzt immer wieder davon abgehalten, das Abkommen aufzukündigen. Nach US-Recht muss er alle 90 Tage bestätigen, dass sich Iran an die Abmachung hält. Sachlich gibt es keinen Grund für die USA, Iran etwas Gegenteiliges zu bescheinigen. Politisch aber eröffnet das Gesetz Trump alle 90 Tage die Möglichkeit, das Abkommen aufzukündigen. Vier dieser Gelegenheiten hat er seit seinem Amtsantritt ungenutzt verstreichen lassen. Der nächste Überprüfungstermin für das Iran-Abkommen ist der 12. Mai.

Ob Merkel an diesem Freitag mehr Glück mit Trump hat als Macron, ist schwer vorherzusagen. Sehr wahrscheinlich ist aber, dass Trump seine Haltung in keinem der Streitpunkte verändern wird, sich aber wie immer alles offen lässt. Vor allem Merkel gegenüber wird er kaum Zugeständnisse machen. Bei seiner Wählerklientel ist Merkel verhasst. Die vorherrschende Meinung unter den vielen Immigrationsgegnern und Islamhassern unter Trumps Anhängern ist: Merkel hat den europäischen Kontinent von muslimischen Flüchtlingen überschwemmen lassen.

Dazu kommt, dass Merkel in vielfacher Hinsicht nicht liefern kann und wird, was Trump erwartet.

  • Deutschland wird seine Verteidigungsausgaben sicher nicht - wie von Trump gefordert - umgehend auf die Nato-Zielmarke von zwei Prozent der Wirtschaftskraft erhöhen. Allerdings sollen die Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren durchaus erhöht werden. Die Frage ist, ob Trump sich damit zufriedengibt.
  • Deutschland wird auch nicht das Investitions-Budget massiv erhöhen, um den immensen Handelsbilanzüberschuss abzubauen. Die schwarze Null ist offenbar auch der neuen großen Koalition heilig.
  • Und Deutschland wird sich so schnell nicht an neuen Militäraktionen unter US-Führung beteiligen. Selbst dann nicht, wenn die Bundesregierung, wie jetzt in Syrien, eine militärische Antwort für angemessen hält.

Frankreich hat da gegenüber Trump mehr zu bieten. Die Rüstungsausgaben liegen sogar über der Zielmarke von zwei Prozent. An Militäraktionen beteiligt sich das Land regelmäßig. Die Handelsbilanz fällt eher zuungunsten von Frankreich aus. Aber selbst das hat nicht gereicht, Trump zu größeren Zugeständnissen bei den offenen Fragen zu bewegen.

Macron und Merkel bleibt nur, sich eng abzustimmen. Die beiden werden sich in den vergangenen Tagen durchgängig auf dem Laufenden gehalten haben, um Ansätze zu identifizieren, wie sie Trump für ihre politischen Ziele gewinnen können. Letztlich können sie nur hoffen, dass sie zum US-Präsidenten durchdringen. Dass Trump sich zuletzt lauter neue Berater zugelegt hat, die offenem Handel und internationaler Zusammenarbeit eher skeptisch gegenüberstehen, macht es nicht einfacher.

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