Emmanuel Macron ist schon zurück in Paris. Angela Merkel bereits in Washington. Er hat einen dreitägigen Staatsbesuch hinter sich. Sie kommt zu einem kurzen Arbeitstreffen über Mittag vorbei. Der Rahmen könnte unterschiedlicher nicht sein. Macron wurde mit allem Pomp geehrt, den ein Staatsbesuch mit sich bringt. Mit Staatsbankett und Damenprogramm. Sie haben sich geküsst, betätschelt und auf die Schultern geklopft. Es ist von einem menschlich warmen Umgang zu lesen, von einem liebevollen Miteinander.
Merkel wird allerhöchstens einen Händedruck bekommen. Danach sind 20 Minuten mit Trump alleine vorgesehen. Und anschließend ein Arbeitsessen. Wahrscheinlich ist ihr das auch ganz recht so. Zu große Nähe zu Trump würde zu Hause nicht gut ankommen. Und so ein Kurzbesuch wird die Erwartungen nicht in den Himmel schießen lassen.
Da war der Druck auf Macron größer. Aber er hatte eine Taktik. Er wollte Trump umgarnen, um politisch das Maximale aus dem Besuch herauszuholen. Im Vorfeld hat er die Gemeinsamkeiten zwischen ihm und Trump betont, die unzerstörbare Freundschaft zwischen Frankreich und den USA hervorgehoben. Und er hat Trump während des Besuches immer wieder Komplimente gemacht, ihm zugehört, sein Verlangen nach Anerkennung und Bestätigung befriedigt.
Zwei Tage lang hat Macron das durchgehalten. Am dritten Tag war dann Schluss mit der Schmeichelei. In seiner Rede vor dem Kongress hat er mit Trumps "America First"-Doktrin abgerechnet. Und danach den schwarzen Bürgerrechtler John Lewis getroffen. Einen erklärten Trump-Gegner.
Es wäre Trump nicht zu verübeln, wenn er danach so etwas wie enttäuschte Liebe empfinden würde.
Merkel wird sich nicht auf emotionales Glatteis begeben. Sie ist eine nüchterne Sachpolitikern, die sich selten von Gefühlen leiten lässt. Und wenn, dann ist es ihr nicht anzumerken. Im Umgang mit Trump ist das zunächst nicht unbedingt von Vorteil. Er setzt auf persönliche Sympathie. Mag er sein Gegenüber, dann macht er vielleicht auch Geschäfte mit ihm. Mag er ihn nicht, dann wird er alles versuchen, ihn über den Tisch zu ziehen.
Aber sicher ist auch das nicht. Mit dem japanischen Regierungschef Shinzo Abe soll er sich ganz ausgezeichnet verstehen. Sie spielen sogar Golf zusammen. Auf japanische Produkte erhebt Trump dennoch Strafzölle.
Mit Merkel aber muss auch Trump irgendwie klarkommen. Deutschland ist in der Weltwirtschaft einer der größten Player. Und ein enorm wichtiger Handelspartner für die USA. Deutsche Unternehmen beschäftigen rund 700 000 Mitarbeiter in den USA.
Außerdem ist Deutschland die einflussreichste Stimme in der Europäischen Union. Ohne Deutschland geht in der EU nicht viel. Und gegen Deutschland gar nichts. Das werden Trumps Berater ihm hoffentlich erklärt haben.
Und auch, dass er Deutschland und Frankreich nicht wird auseinanderdividieren können. Die Interessen von Deutschland und Frankreich sind gegenüber den USA abgestimmte europäische Interessen. Und damit nahezu deckungsgleich. Die Europäer wollen:
- Das Atomabkommen mit Iran retten.
- Die EU aus dem Handelsstreit heraushalten, den Trump gerade mit China und dem Rest der Welt anzettelt.
- Die USA wieder an das Klimaabkommen von Paris binden.
- Den Krieg in Syrien beenden und einen belastbaren Zukunftsplan für die Region entwerfen. Vor allem aber Syrien nicht Russland und Iran überlassen, weil das die Lage noch instabiler machen würde.
Macron war mit seiner Kuschel-Taktik nicht besonders erfolgreich. Die Konfliktlinien mit dem USA bleiben auch nach seinem Besuch klar erkennbar. Trump wird die USA aus dem Iran-Deal herauslösen, ist sich Macron kurz vor seinem Abflug am Mittwoch sicher.
Und mit Trump über Klimafragen zu reden, ist wie mit Nordkoreas Regimeführer Kim Jong-un über Menschenrechte zu sprechen: deprimierend.
Einzig in der Handelsfrage hat es etwas Bewegung gegeben. Trump will die bereits eingeräumte Ausnahmevereinbarung für Strafzölle auf Aluminium und Stahl aus der EU verlängern. Sie würde am kommenden Dienstag auslaufen. Allerdings will er eine Gegenleistung: Die EU soll ihrerseits die Zölle auf Auto-Importe aus den USA senken sowie Zugeständnisse im Steuerrecht machen.
Die Haltung der EU dazu ist klar: Sie erwartet, dass die USA keine Strafzölle auf Waren aus der EU erhebt. Und zwar ohne Bedingungen. In einem Handelskrieg würde beide Seiten letztlich nur verlieren, ist eines der wichtigsten Argumente.
Kann Merkel Trump davon überzeugen? Unwahrscheinlich. Aber möglich. Sie und Trump werden keine Freunde werden. Aber Merkel ist eine verlässliche Gesprächspartnerin. Weswegen sie auch von Autokraten wie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin oder dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan respektiert wird. Auch wenn Verhandlungen gerade mit diesen beiden Staatschefs immer wieder auch Merkel an ihre Grenzen bringen.