Süddeutsche Zeitung

Merkel bei Obama:Narziss und Lästermund

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Kanzlerin Merkel reist nach Washington, um Barack Obama vom Klimaschutz zu überzeugen. Doch der hat andere Probleme: Republikaner gehen gegen die Gesundheitsreform des US-Präsidenten in die Offensive.

Die Bundeskanzlerin auf Klima-Mission: Angela Merkel bricht zu einem Kurzbesuch nach Washington auf - und will dort US-Präsident Barack Obama zu Zugeständnissen in der Klimapolitik drängen.

Merkel wird in Washington auch eine Rede vor dem Kongress halten. Diese Ehre hatte vor ihr bisher als einziger Bundeskanzler Konrad Adenauer im Jahr 1957.

Dabei wolle die Kanzlerin 20 Jahre nach dem Mauerfall den USA dafür danken, dass sie die deutsche Wiedervereinigung mit ermöglicht haben, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Doch Merkels zentrales Anliegen für die Reise ist es, die Vorbereitungen der UN-Klimaschutzkonferenz in Kopenhagen voranzubringen. "Die Welt wird auf Kopenhagen schauen, und die Bekämpfung des Klimawandels ist eine der unaufschiebbaren Aufgaben weltweit", sagte die Kanzlerin in einer Videobotschaft im Internet.

Bei der UN-Klimaschutz-Konferenz in Kopenhagen verhandelt die Weltgemeinschaft im Dezember über ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll, das 2012 ausläuft. Deutschland und die EU wollten weiter auf möglichst ehrgeizige Klimaschutzziele dringen. Die Hoffnungen der Europäer ruhen auf Barack Obama, der vielfach angekündigt hat, den Klimaschutz in den USA voranzutreiben und in den internationalen Gesprächen wieder eine aktive Rolle spielen zu wollen.

Doch der US-Präsident hat derzeit andere Sorgen: Die Republikanische Partei will einen eigenen Vorschlag zur Gesundheitsreform im Repräsentantenhaus einbringen - und so Obamas Prestigeprojekt torpedieren.

Der Vorschlag sehe ein stufenweises Vorgehen vor sowie Krankenversicherungen über die Grenzen der Bundesstaaten hinweg, sagte der Chef der Republikaner in der Kammer, John Boehner, dem Nachrichtensender CNN. Versicherungsnehmer sollen demnach Gruppen bilden können und damit niedrigere Preise durchsetzen.

Das Ziel sei nicht, allen bisher unversicherten US-Bürgern eine Krankenversicherung zu verschaffen. "Wir werden aber weitere Millionen abdecken."

Die Gesetzesvorlage der Demokraten soll 36 Millionen Menschen Zugang zu einer Versicherung geben. Zudem verpflichtet sie die Menschen zu einer Grundsicherung und verlangt bis auf Kleinstunternehmen von allen Arbeitgebern, ihre Mitarbeiter zu versichern.

Daran stören sich Obamas konservative Kritiker. Jüngstes Beispiel: Der landesweit beachtete Radio-Talkmaster Rush Limbaugh. Er geißelte Obamas Reformprojekt als "größten Griff nach der Freiheit" in der Geschichte der USA. Unter Obama sei eine beispiellose "radikale Führung" ins Weiße Haus eingekehrt, sagte Limbaugh dem Fernsehsender Fox. Obama sei ein "unreifer und unerfahrener" Narzisst, "der kein Land mehr sieht".

Obamas Berater David Axelrod reagierte gelassen auf die Breitseite Limbaughs und sprach von einem "surrealistischen" Auftritt.

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