Merkel auf dem Weg nach Bozen:Roadtrip mit Hindernissen

Wenn der Protokollchef machtlos ist: Wie der Regierungs-Airbus den Flug aus den USA erlebt, Merkels Heimreise zur Busfahrt nach Südtirol wird - und dann auch noch ein Reifen platzt.

Nico Fried

Die Rückreise von Kanzlerin Angela Merkel aus den USA wird dank der Aschewolke zum Abenteuer durch Europa. Nachdem die Kanzlerin am Freitagabend in Lissabon landen musste, ging es am Samstag um 12 Uhr wieder mit dem Flugzeug weiter - allerdings nach Rom. In der italienischen Hauptstadt landete die Regierungsmaschine um 15 Uhr. Mit drei Bussen und einer gepanzerten Limousine für die Kanzlerin will sich die Reisegruppe nun ihrem Ziel nähern. In Deutschland ankommen wird die Kanzlerin am Samstag indes nicht: Es ist noch eine Übernachtung in Bozen geplant. Doch auch der Roadtrip dorthin bleibt nicht pannenfrei. SZ-Korrespondent Nico Fried hat die Kanzlerin auf ihrer USA-Reise begleitet. Als Teil der 60-köpfigen Reisegesellschaft ist er bei Merkels Irrfahrt live dabei.

Karl Wokalek ist ein kräftiger älterer Herr, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Er war mal Botschafter im Kongo, was schon einige Gelassenheit erfordert. Jetzt ist er der Protokollchef der Bundeskanzlerin.

Das heißt: Karl Wokalek ist dafür verantwortlich, dass es pünktlich zugeht auf den Reisen von Angela Merkel. Am besten auf die Minute. Da sind gute Nerven hilfreich.

Am Donnerstagnachmittag steht Wokalek auf dem Campus der Universität Stanford nahe San Francisco und sagt ganz gemütlich, alles sei im Plan. Die Vulkanasche aus Island werde den Abflug nach Deutschland nicht beeinträchtigen. Der Protokollchef behält Recht.

Um 17.30 Uhr Ortszeit (Freitag, 2.30 Uhr deutscher Zeit) hebt der Regierungs-Airbus in San Francisco ab. Und knapp drei Stunden später landet er sogar fünf Minuten früher als geplant auf dem Luftwaffenstützpunkt Grand Forks, nördlich von Chicago. Hier wird noch mal aufgetankt: 59.000 Liter Kerosin. Nur eines ist offen: Wohin die Maschine nun eigentlich fliegt.

Ein Flugbegleiter sagt, die Route über Nordeuropa sei gesperrt, es geht im Süden über den Atlantik, bei Nantes wird das Flugzeug europäisches Festland erreichen. Und dann mal sehen. Der Flughafen Berlin-Tegel, das eigentliche Ziel der Rückreise, ist geschlossen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm weiß auch nicht, wo die Maschine am Ende landen wird, bietet aber trotzdem an, Busse zu bestellen, um Delegation und Journalisten nach Berlin zu bringen. Von wo auch immer. München ist im Gespräch, Nürnberg, wenn es dumm läuft Wien.

Erfahren Sie auf der nächsten Seite, warum Merkel der Schlaf noch im Gesicht hängt.

Ziel: weiter unbekannt

Um sieben Uhr früh deutscher Zeit startet die Maschine in Grand Forks in Richtung Europa. Im Bordkino beginnt der Film "Haben Sie das von den Morgans gehört?" mit Sarah Jessica Parker und Hugh Grant. Es geht um ein Paar, das sich getrennt hat und sich nun erstmals wieder zum Abendessen verabredet. Dabei geschieht ein Mord, den Parker und Grant beobachten.

"Keiner wird zurückgelassen"

Kurz darauf sitzen sie einem Polizisten gegenüber, der sie in ein Zeugenschutzprogramm aufnehmen und aus der Stadt wegbringen will. "Und wohin fliegen wir", fragt Sarah Jessica Parker. "Das erfahren Sie erst, wenn Sie im Flugzeug sitzen", sagt der Polizist. Es ist für diesen Flug ein wirklich guter Film.

Denn kurz darauf meldet sich der Kapitän: Die Maschine müsse Island wegen der Vulkanasche im Abstand von 2000 Kilometer südlich umfliegen, sagt Oberstleutnant Wolfgang Watz. Dadurch verlängere sich der Flug um 1000 Kilometer, rund eineinhalb Stunden. Ziel: weiter unbekannt.

Beate Baumann, die Büroleiterin der Kanzlerin, kommt zu den Journalisten. Sie sagt, man solle sich keine Sorgen machen: "Keiner wird zurückgelassen." Wo auch immer.

Eine Stunde später erleben Sarah Jessica Parker und Hugh Grant ein Happy End. Ansonsten passiert nicht mehr viel im Flugzeug. Die Kanzlerin schläft in ihrer Kabine. Viele andere im Airbus Konrad Adenauer versuchen das auch.

Um 14.25 Uhr kommt Beate Baumann wieder. Alle Flughäfen nördlich der Alpen sind zu. Das Ziel des Fluges liegt deshalb südlich: Lissabon. Ankunft in zwei Stunden. Vom Flugzeug aus würden bereits Hotels organisiert. Auch die Kanzlerin ist wach. Die Haare sind noch verstrubbelt, ein wenig hängt Merkel der Schlaf noch im Gesicht. Doch in gewisser Weise handelt es sich jetzt um eine Ausnahmesituation, Äußerlichkeiten sind da nicht so wichtig.

Ihr weiterer Zeitplan ist völlig offen. Am Samstag wird sie zum Wahlkampf für Ministerpräsident Jürgen Rüttgers im nordrhein-westfälischen Neuss erwartet, aber mit dem Airbus darf sie da nicht hinfliegen: Es ist eine Regierungsmaschine, nach Neuss reist sie aber als CDU-Vorsitzende. Flugzeugkapitän Watz sagt später, die Entscheidung sei "nach sorgfältiger Abwägung und in enger Abstimmung mit der Flugsicherung" getroffen worden. Das Wetter in Lissabon: zehn Grad, vereinzelt Schauer.

Und dann kommt auch Karl Wokalek noch einmal. Der Protokollchef. Vier Tage lang sind die Kanzlerin und ihre Delegation zu keinem Termin mit mehr als ein paar Minuten Verspätung erschienen. Für Wokalek war es eine perfekte Reise. Aber gegen die Vulkanasche aus Island ist er machtlos.

Weil der Protokollchef aber weiß, was seine Pflicht ist, hat er schon den nächsten Zeitplan. Um 16.15 Uhr deutscher Zeit landet die Konrad Adenauer mit Angela Merkel in Lissabon. Die Crew muss nach der Landung von Gesetzes wegen zwölf Stunden Zeit zum Schlafen haben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Überraschung die Straße für die Reisegesellschaft noch bereithält.

Was schiefgehen kann, geht schief

Am Samstag um 12 Uhr geht es dann mit dem Flugzeug weiter nach Rom. Die Delegation ist inzwischen größer geworden: Jörg Asmussen, Staatssekretär im Finanzministerium, kam aus Madrid nach Lissabon geflogen, um sich anzuschließen. Er musste in Spanien Minister Schäuble beim EU-Finanzministertreffen vertreten.

Murphys Gesetz

Nach der Ankunft in Rom gegen 15 Uhr bricht die Reisegesellschaft gen Heimat auf. Der Plan: Mit Bussen und einer gepanzerten Limousine für die Kanzlerin soll es zunächst nach Bozen gehen, nach einer Übernachtung dort am Sonntag endlich zurück nach Deutschland.

Doch auch für den Roadtrip der Kanzlerin gilt offenbar Murphys Gesetz: Was schiefgehen kann, geht auch schief. Gerade einmal zwei Stunden ist die Truppe unterwegs, da platzt kurz hinter der toskanischen Kleinstadt Montepulciano einem der Busse bei Tempo 90 der rechte Hinterreifen. Die ganze Reisegesellschaft, einschließlich der Kanzlerin in ihrer Limousine, muss am Seitenstreifen stehen bleiben.

Dann die nächste Hiobsbotschaft: Der Bus, der mit Teilen der Delegation und den Journalisten besetzt war, hat möglicherweise einen Schaden an der Achse. Ein Ersatzbus wird angefordert.

Nur für Merkel hat das Warten schnell ein Ende: Weil es zu gefährlich für die Bundeskanzlerin ist, mitten in der Toskana stundenlang auf dem Seitenstreifen herumzustehen, fährt ihre Limousine schon einmal weiter nach Bozen. Dort will sie auf den Rest der Gruppe warten - eine Entscheidung, die auf allgemeine Zustimmung stößt.

Nach einigem Hin und Her kann der Reifen dann doch gewechselt werden. Der Bus fährt zwar weiter, trotzdem sollen Delegation und Journalisten aber später in den Ersatzbus umsteigen, der ihnen entgegenfährt. Sicher ist sicher.

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