Kanzlerin bei "Anne Will":"Ein Verstoß gegen die Beschlüsse, die wir getroffen haben"

Anne Will

Kanzlerin Angela Merkel äußert sich bei "Anne Will" kritisch zu geplanten Öffnungen im Saarland und in Berlin.

(Foto: Wolfgang Borrs/dpa)

Kanzlerin Merkel fordert bei Anne Will eine strikte Anwendung der Notbremse gegen steigende Infektionszahlen. Notfalls müsse der Bund eingreifen.

Von Nico Fried und Jens Schneider, Berlin

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Länder in der Corona-Krise aufgefordert, die sogenannte Notbremse gegen steigende Infektionszahlen konsequent anzuwenden. Die Umsetzung der Beschlüsse, die ab einer Inzidenz von 100 Fällen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen die Rücknahme von Lockerungen vorsieht, sei "nicht so, dass ich schon überzeugt bin, dass die dritte Welle gebrochen wird", sagte Merkel am Sonntagabend in der Talk-Sendung "Anne Will" in der ARD. "Es gibt mehrere Bundesländer, die eine sehr weite Interpretation haben, und das erfüllt mich nicht mit Freude."

Merkel äußerte unter anderem offene Kritik an Nordrhein-Westfalen, wo der CDU-Vorsitzende Armin Laschet in einer schwarz-gelben Koalition regiert. Laschet will die Notbremse zunächst nur in bestimmten Kommunen anwenden. Sie habe sich die Notbremse "nicht so gedacht", sagte Merkel. Das Instrument sei zwar regional anwendbar, dafür sehe sie aber in Nordrhein-Westfalen nur in sehr wenigen Kreisen die notwendigen Voraussetzungen. Wo die Inzidenzzahl über 100 liege, "gibt es keinen Ermessensspielraum", sagte Merkel unter Verweis auf den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. März.

Die Kanzlerin äußerte sich auch kritisch zu geplanten Öffnungen im Saarland und in Berlin. Wenn die Vereinbarung vom 3. März nicht umgesetzt werde, sei dies "ein Verstoß gegen die Beschlüsse, die wir getroffen haben", sagte sie. Stattdessen forderte Merkel in Regionen mit hohen Inzidenzen Ausgangsbeschränkungen in den Abendstunden und pochte darauf, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter im Home Office arbeiten lassen sollten, wo immer dies möglich ist. Sollten die Länder die nötigen Maßnahmen nicht ergreifen, deutete Merkel auch an, dass der Bund tätig werden könnte. Eine Möglichkeit sei es, "das Infektionsschutzgesetz noch mal anzupacken und ganz spezifisch zu sagen, was muss in welchem Fall geschehen".

Ein vorgezogenes Treffen lehnt Merkel ab

Die jüngste Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), die eine später wieder zurückgenommene Osterruhe beschlossen hatte, nannte Merkel "eine Zäsur". Es könne nun nicht "einfach so weitergehen". Bund und Länder seien aufeinander angewiesen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte zuvor für Anfang der Woche weitere Gespräche zwischen Bund und Ländern angeregt. "Wir sehen halt, die Zahlen rasen förmlich hoch", sagte Kretschmann in Stuttgart. Die nächste Konferenz aller Ministerpräsidenten ist für den 12. April geplant. Merkel lehnte jedoch ein vorgezogenes Treffen noch vor Ostern mit den Ministerpräsidenten ab. Man brauche "im Augenblick keine MPK, sondern wir brauchen Handeln in den Ländern".

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuvor gesagt, wegen der aktuellen Entwicklung "brauchen wir eigentlich noch mal zehn, vierzehn Tage mindestens richtiges Runterfahren unserer Kontakte, unserer Mobilität". Am Wochenende meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) erneut einen starken Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland. Der Wert lag laut dem RKI am Sonntagmorgen bei 129,7 Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche. Die Gesundheitsämter meldeten allein zum Sonntag 17 176 neue Ansteckungen mit dem Virus Sars-CoV-2, deutlich mehr als vor einer Woche.

Wegen stark steigender Corona-Infektionszahlen gilt Frankreich seit Sonntag aus deutscher Sicht als Hochinzidenzgebiet. Damit muss bei einer Einreise nach Deutschland ein negatives Testergebnis vorliegen. Für das an Rheinland-Pfalz und das Saarland grenzende Département Moselle gelten weiterhin strengere Einreiseregeln. Tschechien, das österreichische Bundesland Tirol und die Slowakei wurden dagegen auf der Risikoliste des Robert-Koch-Instituts zurückgestuft und ein Teil der Reisebeschränkungen aufgehoben. Die stationären Kontrollen an den Grenzen zu Österreich und Tschechien bleiben aber vorerst bestehen.

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