Menschenrechte weltweit:Pranger des Schreckens

Willkür, Misshandlung, Folter: Der Bericht von Amnesty International legt offen, dass in 159 Ländern der Erde Menschenrechte missachtet werden. sueddeutsche.de zeigt exemplarisch, wie und wo Menschen besonders leiden.

Hanna Ziegler

10 Bilder

Afghanische Frauen mit und ohne Burka, 2002

Quelle: ag.ap

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Jahr für Jahr dokumentiert Amnesty International die Lage der Menschenrechte in aller Welt - und Jahr für Jahr legen die Aktivisten ein Dokument des Schreckens vor. Der jetzt erschienene Bericht für das Jahr 2009 beschreibt Fälle von Folter und Misshandlung in 111 Ländern. In 48 Staaten sitzen Menschen aus politischen Gründen in Haft. Von unfairen Gerichtsverfahren berichtet Amnesty in mindestens 55 Staaten und in mindestens 96 Ländern erkennt die Organisation Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit. Im Zuge des andauernden Antiterrorkampfes hat sich dem Bericht zufolge die Situation religiöser Minderheiten in zahlreichen Ländern der Erde verschärft. Die Ausübung ihres Glaubens für Angehörige aller Religionen sei auch im vergangenen Jahr mit erheblichen Risiken, Folter, Haft und sogar Tod verbunden gewesen.

sueddeutsche.de zeigt entlang einiger Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von Amnesty International angeprangerte Verstöße.

Artikel 1: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.

Die Realität: Der 541 Seiten starke Bericht enthält auf praktisch jeder Seite Verstöße gegen diesen Artikel. Auf Seite 65 berichtet Amnesty über die Sitaution von Frauen und Mädchen in Afghanistan. Diskriminierung und häusliche Gewalt sind für viele Frauen schrecklicher Alltag, junge Mädchen werden zur Heirat gezwungen und als Pfand benutzt, um Streit zu schlichten oder Schulden zu begleichen.

Kalsoom, 6, who was fleeing a military offensive in South Waziristan, sits in a queue with others to receive food handouts at a distribution point for IDPs in Dera Ismail Khan

Quelle: ag.rtr

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Artikel 3: Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.

Die Realität: Der sechsjährige Kalsoom (Foto) und seine Familie müssen vor den Kämpfen zwischen Regierung und bewaffneten Gruppen aus ihrer Heimat, der pakistanischen Region Süd-Waziristan, fliehen. Wie eine halbe Million Pakistaner vor ihnen werden sie durch die tödlichen Konflikte zwischen Regierung und radikalislamischen Taliban aus ihrem Stammesgebiet vertrieben und gelten als IDPs, Internally Displaces Persons. Andere Pakistaner fliehen über die Landesgrenzen hinaus.

File photo shows detainees sitting in a holding area watched by military police at Camp X-Ray inside Naval Base Guantanamo Bay, Cuba

Quelle: ag.rtr

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Artikel 5: Niemand darf Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.

Die Realität: US-Präsident Barack Obama will das Lager Guantanamo (Foto), das zum Inbegriff für systematische Folter wurde, schließen. Doch in 111 Ländern berichten die Menschenrechtler Fälle von Folter und Misshandlung. In der Türkei müssen sich zum Beispiel 60 Staatsbedienstete für den Tod von Engin Ceber vor Gericht verantworten, der durch Folter in einem Untersuchungsgefängnis ums Leben gekommen sein soll.

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Quelle: ag.ap

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Artikel 7: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz (...) und gegen jede Diskriminierung (...).

Die Realität: Wer in Ägypten homosexuell ist, macht sich strafbar. Die sexuelle Orientierung von schwulen Männern wird in dem nordafrikanischen Staat unter dem Begriff "gewohnheitsmäßige Ausschweifung" geahndet. Zehn Männer werden im Januar aus diesem Grund von der Sittenpolizei verhaftet. Sie müssen erniedrigende Untersuchungen und Gewalt über sich ergehen lassen, Menschenrechtler bezeichnen das als Folter.

Das Archivbild zeigt vermeintlich homosexuelle Männer, die sich vor einem Gericht in Kairo verantworten mussten.

Maricopa County Sheriff Runs Tent City Jail For Immigrant Prisoners

Quelle: John Moore/AFP

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Artikel 9: Niemand darf willkürlich festgenomnmen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden.

Die Realität: In den USA werden Menschen, die Asyl suchen, routinemäßig in Haft genommen. Die Bedingungen in den Gefängnissen sind meist katastrophal: Neben mangelnden Bewegungsmöglichkeiten fehlt häufig der Zugang zu medizinischer Versorgung sowie juristischem Beistand. Immerhin kündigt die Regierung 2009 an, Alternativen zur Inhaftierung zu prüfen. Das Foto zeigt Immigranten in einem Gefängnis in Phoenix, Arizona.

French language teaching assistant Clotilde Reiss testifies during her trial at the Revolutionary court in Tehran

Quelle: ag.rtr

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Artikel 10: Jeder hat (...) bei einer gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Beschuldigung in voller Gleichheit Anspruch auf ein gerechtes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht.

Die Realität: Nach den Unruhen im Zuge der iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 werden bis zum Ende des Jahres 5000 Oppositionelle, darunter Studenten, Journalisten und Anwälte, inhaftiert. Im August beginnen Schauprozesse, die mit unabhängigen Verfahren wenig gemein haben. Die Angeklagten sind zuvor von der Außenwelt isoliert, haben keine Verteidiger. Misshandlungen und erzwungene Geständnisse sollen die Regel sein. Zu den Angeklagten gehörte auch die Französin Clotilde Reiss (Foto). Sie soll Texte und Bilder über die Proteste gegen den iranischen Präsidenten Ahmadineschad verbreitet haben. Am 16. Mai 2010 wurde die junge Französin wieder freigelassen und nach Frankreich ausgeflogen.

A woman bathes her child in the open next to remains of her home in the Baghdad settlement in Angola's capital Luanda

Quelle: ag.rtr

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Artikel 12: Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden.

Die Realität: 3000 Familien werden in Angolas Hauptstadt Luanda allein im Juli aus ihren Wohnungen und Häusern vertrieben. Die Regierung lässt die Viertel Bagdad und Iraque der Hauptstadt zwangsweise räumen, etwa 15.000 Menschen verlieren ihr Zuhause. Von dem Haus dieser Frau im Viertel Bagdad sind nur noch Trümmer übrig. Die Regierung behauptet, dass sie und ihre Nachbarn die Grundstücke illegal besetzt und bebaut haben.

Mord an Menschenrechtsanwalt Markelov in Rußland, 2009

Quelle: ag.ap

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Artikel 19: Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung.

Die Realität: Im Januar 2009 werden die Journalistin Anastasia Baburowa und der Menschenrechts-Anwalt Stanislaw Markelow in Moskau auf offener Straße getötet. Gewalt und Repressionen sind für Oppositionelle und Menschenrechtler in Russland beinahe alltäglich.

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Quelle: ag.afp

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Artikel 21: Jeder hat das Recht, an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter mitzuwirken.

Die Realität: Ein vom Militär unterstützter Staatsstreich untergräbt die Rechtsstaatlichkeit in dem mittelamerikanischen Land Honduras. Die putschende Opposition treibt den amtierenden Präsidenten José Manuel Zelaya Rosales aus dem Land. Einige Monate später folgen offizielle Wahlen. Das Ergebnis ist jedoch umstritten.

Zerstörungen in Gaza

Quelle: ag.dpa

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Artikel 25: Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen (...):

Die Realität: Israelische Streitkräfte zerstören im Januar 2009 während der militärischen Offensive "Gegossenes Blei" weite Teile des Gazastreifens. 1380 Palästinenser sterben, darunter auch Zivilisten. Tausende verlieren ihr Obdach. Infrastruktur wird zerstört, selbst Krankenhäuser werden zum Ziel der israelischen Armee.

Bereits vor der Offensive herrscht im Gazastreifen extreme Armut, Arbeitslosigkeit und Lebensmittelknappheit. Verschärft wird die Situation seit 2007 im Zuge der Militärblockade Gazas durch Israel.

© sueddeutsche.de/hana/woja
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