Menschenrechte in Tibet:Peking bezichtigt Dalai Lama der Lüge

50 Jahre nach dem Aufstand der Tibeter gegen China wirft der Dalai Lama dem Regime in Peking vor, sein Volk brutal zu unterdrücken - die Antwort folgt prompt.

Nach der heftigen Kritik des Dalai Lama an Chinas Umgang mit den Tibetern hat Peking dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter die Verbreitung von Lügenpropaganda vorgeworfen.

dalai lama tibet afp

Verurteilt Chinas Herrschaft in Tibet: der Dalai Lama während Philippika gegen die Pekinger Regierung

(Foto: Foto: AFP)

"Die Clique des Dalai Lama unterscheidet nicht das Richtige vom Falschen. Sie verbreitet Gerüchte", erklärte ein Sprecher des Außenministeriums am Dienstag in Peking.

"Die demokratischen Reformen in Tibet sind die umfangreichsten und tiefgreifendsten in seiner Geschichte", fügte er hinzu. Zu den "Lügen des Dalai Lama" wolle er sich nicht weiter äußern.

Dalai Lama: China macht Tibet zur "Hölle auf Erden"

Anlässlich des 50. Jahrestags des Aufstands der Tibeter gegen Pekings Herrschaft hatte der Dalai Lama zuvor die Unterdrückung seines Volkes angeprangert.

Seit dem Aufstand vom 10. März 1959 habe China den Tod von Hunderttausenden Menschen verursacht und unaussprechliches Leid über die Region gebracht, sagte der Dalai Lama in seiner Ansprache im indischen Exil. "Dies stieß die Tibeter in solche Abgründe von Leid und Not, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle auf Erde durchlebten."

Die tibetische Kultur und Identität stünden kurz davor, ausgelöscht zu werden, warnte das geistliche Oberhaupt der Tibeter mit einer für ihn ungewöhnlichen Schärfe. Die Angehörigen seines Volkes würden wie Kriminelle behandelt, die den Tod verdienten.

"Auch heute leben die Tibeter in Tibet in ständiger Furcht, und die chinesischen Behörden sind ihnen gegenüber ständig misstrauisch", sagte der Friedensnobelpreisträger.

Der Dalai Lama räumte in seiner Rede ein, dass die Gespräche zwischen der Exil-Regierung in Dharamsala und der Führung in Peking bislang keine Ergebnisse gebracht habe.

"Rückblickend auf 50 Jahre im Exil haben wir viele Höhen und Tiefen erlebt", erklärte der Dalai Lama. Gleichwohl sei es eine "große Errungenschaft", dass das Tibet-Problem nach wie vor lebendig sei und auch die internationale Gemeinschaft großen Anteil daran nehme.

Dabei strebten die Tibeter nach nichts anderem als nach einem Arrangement, wie sie innerhalb der Volksrepublik leben könnten. "Ich habe keinen Zweifel, dass sich die gerechte Sache Tibets letztlich durchsetzen wird", sagte der 73-Jährige.

Allerdings müssten die Tibeter für den Sieg der Gerechtigkeit am "Weg der Wahrheit und Gewaltfreiheit" festhalten.

China riegelt Tibet ab

Der Aufstand vor 50 Jahren wurde niedergeschlagen; der Dalai Lama flüchtete am 17. März ins Exil nach Indien. Von den insgesamt knapp sechs Millionen Tibetern leben etwa 110.000 im indischen Exil. 20.000 Tibeter haben sich in Nepal niedergelassen.

Der Jahrestag war in Tibet seit dem Aufstand immer ein kritischer Zeitpunkt. Im vergangenen Jahr kam es zu wochenlangen Unruhen, denen nach offiziellen Angaben aus Peking 22 Menschen zum Opfer fielen. Exiltibeter sprechen von rund zehn Mal so vielen Todesopfern.

Sie verweisen auch darauf, dass sich mehr als 600 der damals festgenommenen Personen noch heute in Haft befänden. Die Internationale Kampagne für Tibet (ICT) legte anlässlich des Jahrestags eine Namensliste der Betroffenen vor und forderte deren sofortige Freilassung.

Weltweit fanden Solidaritätskundgebungen mit den Tibetern statt. Bei einer Protestkundgebung für die Unabhängigkeit Tibets haben sich in Australien Demonstranten und Polizisten ein Handgemenge geliefert. Vier Demonstranten wurden vorübergehend festgenommen.

An der Kundgebung in Canberra beteiligten sich rund 300 Demonstranten. Sie zogen vom Parlamentsgebäude zur chinesischen Botschaft und durchbrachen dabei Absperrungen. Auch in Südkorea gab es eine Protestkundgebung gegen die chinesische Herrschaft in Tibet.

Die Demonstranten schwenkten vor der chinesischen Botschaft in Seoul tibetische Unabhängigkeitsfahnen und trugen Gesichtsmasken mit der Aufschrift "Frieden in Tibet".

In der indischen Hauptstadt Neu Delhi protestierten Hunderte junge Exil-Tibeter friedlich gegen die chinesische Besatzung. In Sprechchören forderten die Demonstranten ein Ende der Gewalt in Tibet. Zahlreiche Teilnehmer schwenkten tibetische Fahnen und Transparente mit Aufschriften wie "China lügt" oder "Dalai Lama".

"Wir haben keine andere Wahl als friedlich zu protestieren, dennoch verspüren wir große Wut gegenüber China", erklärte einer der Protestteilnehmer. Auch im Nachbarland Nepal gab es Kundgebungen, in weiteren asiatischen Städten waren Demonstrationen geplant.

Die chinesischen Behörden hatten zuvor die Sicherheitsvorkehrungen in allen Regionen mit tibetischen Minderheiten verschärft. Ausländer wurden zum Verlassen dieser Gebiete aufgerufen. Bewohner und Geschäftsleute in der tibetischen Hauptstadt berichteten von verstärkten Straßenpatrouillen bewaffneter Polizisten.

Tibet ist praktisch abgeriegelt und die Militärpräsenz drastisch erhöht. Exiltibetische Gruppen beklagten einen "Belagerungszustand" und ein Klima der Angst und Einschüchterung in dem Hochland.

Auslandskorrespondenten protestieren

Auch außerhalb Tibets in der Nachbarprovinz Qinghai waren Zufahrten zu tibetischen Klöstern nahe der Provinzhauptstadt Xining seit Anfang der Woche gesperrt. Augenzeugen berichteten von Militärkonvois und "Hunderten paramilitärischer Polizisten".

Der Auslandskorrespondentenclub (FCCC) in Peking protestierte gegen eine Reihe von vorübergehenden Festnahmen ausländischer Korrespondenten in von Tibetern bewohnten Gebieten in Nachbarprovinzen.

Die Autonome Region Tibet ist ohnehin für ausländische Journalisten gesperrt. Reporter von mindestens sechs Nachrichtenorganisationen seien im Vorfeld bei ihren Recherchen festgenommen und abgewiesen worden oder hätten Videoaufnahmen abgeben müssen, berichtete der FCCC.

Internationale Menschenrechtsgruppen forderten eine Öffnung Tibets und eine unabhängige Untersuchung der Lage in dem Hochland, der Festnahmen und Verurteilungen von Tibetern seit den Unruhen vor einem Jahr.

Chinas Staatsmedien verbreiteten am Jahrestag den Aufruf von Staats- und Parteichef Hu Jintao zum verstärkten Kampf gegen Unabhängigkeitskräfte und zur Wahrung der Stabilität in Tibet.

Das Parteiorgan Renmin Ribao zeigte den Präsidenten bei einem Treffen mit der tibetischen Delegation während der laufenden Jahrestagung des Volkskongresses.

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