Menschenrechte:Nur Europa ist der Zukunft näher gekommen

Sehen Staaten ihre Rechte verletzt, können sie mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg Sanktionen erzwingen. Sind die Opfer aber Individuen oder Minderheiten, bleiben selbst schlimmste Menschheitsverbrechen meist folgenlos, trotz der Interventionsrechte des UN-Sicherheitsrats, trotz des Internationalen Strafgerichtshofs, trotz aller humanitären Pakte und vor allem auch trotz der heute völkerrechtlich anerkannten "responsibility to protect", der Schutzverantwortung der Weltgemeinschaft für die Entrechteten.

Noch immer ist das internationale Recht de facto zuallererst ein Völkerrecht und nur sekundär auf Menschenrechte fokussiert. Nur Europa mit seinem durchaus wirkungsvollen Gerichtshof für Menschenrechte ist der versprochenen Zukunft ein Stück näher.

Wer also vom Niedergang des internationalen Rechts spricht, darf die Kluft zwischen Staaten- und Menschenrechten nicht übersehen. Aber es ist nicht nur traurigerweise so, dass das Weltrecht den Handel erheblich besser schützt als die Menschen. Und es ist auch nicht nur einfach so, dass technokratische Regeln weitaus effizienter durchgesetzt werden als humanitäre. Beides stimmt, aber was den Menschenrechten besonders zusetzt, ist ein Rückfall, der dem Populismus und dem religiösen Neofundamentalismus geschuldet ist.

Beide pervertieren das Gleichheitsprinzip. Nichts gegen die rechtliche Gleichheit, sagen Populisten, aber sie gilt nur für uns. Für unsere Gegner gilt eine andere Gleichheit. Wir sehen sie nicht als konkrete Individuen, sondern verallgemeinern sie zu einer Masse von äußerlich Gleichen: zu Muslimen ("no muslims here allowed", lautet die Kampfparole gegen die Rohingya), zu Juden, zu Schwarzen, zu Flüchtlingen.

Daran knüpfen sich konträre Rangordnungen der beiden Gleichheitslosungen. Was Populisten betrifft, kann jeder Volksgenosse dasselbe Gleichheitsrecht beanspruchen, ob Mann oder Frau, Bayer oder Friese. Für unsere Gegner aber rangiert die zugeschriebene ethnische oder religiöse Gleichheit an erster Stelle, das individuelle Gleichheitsrecht tritt zurück. Wir sind rechtlich gleich, ihr seid als Fremde gleich.

In diesem Kampf zweier unverträglicher Gleichheitsprinzipien ist die rechtliche Gleichheit, wie man sieht, vielerorts in der Defensive. Niemand, der auch nur eine Ahnung hat von der zivilisatorischen Leistung, die im Gleichheitsrecht liegt und ohne die keine Freiheit und kein Fortschritt denkbar ist, kann diesen Kampf nur als Zuschauer verfolgen.

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