Süddeutsche Zeitung

Memoiren:Ghostwriter Schwan ist Kohls böser Geist 

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Heribert Schwan muss dem Altkanzler Schadenersatz zahlen, entscheidet das Landgericht Köln. Er schlachtete vertrauliches Material aus und machte damit ein gutes Geschäft.

Kommentar von Heribert Prantl

Der Ghostwriter heißt Ghostwriter, weil er normalerweise nicht in Erscheinung tritt: Er ist da, aber man sieht ihn nicht; er schreibt, aber man weiß es nicht. Er ist der in der Regel ordentlich honorierte Geist des Auftraggebers; er ist der unsichtbare Autor, der den Gedanken und Erinnerungen seines berühmten Gesprächspartners kluge schriftliche Form gibt. Es handelt sich beim Ghostwriter also in der Regel um einen guten Geist.

Helmut Kohl hatte das Unglück, dass er an einen zwar versierten, aber auch rach- und geschäftssüchtigen Ghostwriter geraten ist. Als es nach einer zunächst erfolgreichen Kooperation, nach 600 Gesprächsstunden und drei Memoirenbänden zum Bruch kam, verwandelte sich der gute Geist in einen bösen - und produzierte auf eigene Rechnung und unter Verstoß gegen die Vertraulichkeit weiter. Deshalb prozessiert Kohl gegen seinen Ex-Ghostwriter Heribert Schwan.

Das Landgericht gab Kohl jetzt dem Grunde nach recht. Das heißt: Es muss noch die Höhe des Schadensersatzes festgestellt werden; es steht aber schon gerichtlich fest, dass die Erinnerungen Kohls ihm gehören und er entscheiden kann, was von den auf Band aufgezeichneten Gesprächen publiziert wird und was nicht.

Der gute Geist von Bismarck hieß einst Lothar Bucher. Er war Bismarcks Privatsekretär und hatte, bevor er zum Geburtshelfer von Bismarcks Memoiren wurde, schon 22 Jahre lang für ihn als Beamter gearbeitet. Bucher hatte auch seine bittere Not mit Bismarck, weil der sich oft ganz anders an die Dinge erinnerte, als es der Wirklichkeit entsprach.

Warum Bismarck Glück hatte, Kohl aber nicht

Aber Memoiren sind nun einmal Selbstlob-Arien. Wenn sie gut gemacht sind, bestimmen sie den Ruf in der Geschichte. Bismarck und Bucher gelang es jedenfalls, Memoiren zu produzieren, denen, trotz aller Beschönigungen, selbst Nietzsche seinen Respekt zollte.

So viel Glück hatte Kohl nicht. Seine Erinnerungen sind zwar auch, wie die von Bismarck, der Versuch, die angebliche Unfähigkeit seiner Gegner darzustellen. Aber davon, dass es sich um Literatur handele, kann man nicht reden. Kohl hatte also kein echtes Glück mit seinem Privatsekretär, den ihm sein Verlag zur Verfügung stellte.

Dann kam noch Pech dazu: Schwan nahm das vertrauliche Material an sich, schlachtete es aus, bastelte unter Verwendung deftiger Kohl-Zitate ein eigenes Buch und machte damit ein gutes Geschäft. Das ist nicht nur unfein, das ist rechtswidrig.

Nun tut der Ghostwriter so, als sei er als Journalist bei Kohl gewesen, um mit ihm ein langes journalistisches Interview zu führen - das er wegen seiner eigenen Frageleistung und der Wichtigkeit für die Zeitgeschichte nach Gutdünken publizieren dürfe. Das ist Chuzpe. Ein Privatsekretär, der auf eigene Rechnung arbeitet, hat das Wort "privat" falsch verstanden.

Kohl verlangt die exorbitante Summe von fünf Millionen Euro. Sie soll deutlich machen, dass der Streitwert höher liegt als der kommerzielle Geschäftswert, weil es um "reputation in history" geht. Das Gericht muss womöglich nun einen Zipfel vom Mantel der Geschichte wiegen.

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SZ vom 26.08.2016
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