Dem einstigen US-Präsidenten George W. Bush wurde bereits vorgeworfen, in seinen Memoiren Decision Points zu lügen - nun soll er auch noch bei anderen Autoren abgekupfert haben. Was die Sache noch pikanter macht: Einige der Quellen sind Bücher, die von der Bush-Regierung einst als fehlerhaft kritisiert wurden.
Fesselnde Details über die US-Politik sollte Bushs Buch bieten, Details, von denen man zuvor nie gehört habe. Die Leser sollten das Gefühl bekommen, die Augenblicke der Entscheidung, etwa über die Konsequenzen nach dem 11. September, mitzuerleben - oder den Weg in den Krieg gegen Saddam Hussein nachvollziehen zu können.
Mag sein, dass manche bislang unbekannte Details tatsächlich in dem Buch enthalten sind. Doch es ist offenbar schwierig, zu entscheiden, um welche es sich handelt. Denn etliche Darstellungen in den Memoiren des früheren Präsidenten konnte man auch schon woanders lesen.
Wie der Journalist Ryan Grim dem Ex-Regierungschef in der Online-Zeitung Huffington Post vorwirft, erzähle Bush in seinem Buch immer wieder Anekdoten, die offenbar aus bereits veröffentlichten Erinnerungen seiner Untergebenen stammen - "aus denen Bush gelegentlich sogar ohne Quellenangabe Wort für Wort zitiert, als seien es seine eigenen".
Darüber hinaus habe sich der Texaner aus Sachbüchern und Artikeln bedient, die sich mit seiner Präsidentschaft und politischen Ereignissen in dieser Zeit beschäftigt hatten. So beschreibt Bush etwa die Ankunft von Hamid Karsai am Flughafen in Kabul, der das Amt des afghanischen Präsidenten übernehmen sollte. Doch Bush selbst war nicht dabei, und seine Darstellung geht offenbar auf einen Artikel im New York Review of Books zurück.
"Eine Sammlung der Versionen anderer Leute"
Dieses und weitere Beispiele lassen den Kritiker Grim darauf schließen, Bush habe nicht, wie es sich für Memoiren gehört, seine Versionen von Ereignissen dargestellt - sondern "Bushs Buch ist eine Sammlung der Versionen anderer Leute von diesen Ereignissen".
Zwar hat George W. Bush selbst erklärt, er habe seine Erinnerungen anhand von Regierungsdokumenten, Interviews, Medienberichten und anderen - auch geheimen - Quellen überprüft. Einen großen Teil dieser Arbeit dürfte auch sein Assistent Peter Rough übernommen haben. Doch gerade die wörtlichen Zitate, die Bush in Decision Points übernommen hat, "stellen in Frage, an was er sich selbst tatsächlich erinnert", schreibt Grim. Vor allem weil sogar dort, wo er sich selbst zitiert, häufig nicht mehr zu finden ist, als in früheren Darstellungen der betreffenden Situationen bereits zu lesen war.
Bezeichnend ist, dass Bush offenbar ausgerechnet bei den Journalisten Bob Woodward und Robert Draper abgeschrieben hat. Deren Bücher über die Politik der Regierung Bush waren bei ihrem Erscheinen vom Weißen Haus als fehlerhaft kritisiert worden.
Zwar sind viele Passagen aus Decision Points, die Grim und die Huffington Post als Beispiele anbringen, bearbeitet. Doch die Ähnlichkeit in den Formulierungen ist tatsächlich auffällig.
So ist in Decision Points zu lesen: The second option was to combine cruise missile strikes with manned bomber attacks. ... The third and most aggressive option was to employ cruise missiles, bombers and boots on the ground.
In Bob Woodwards Buch Bush at War heißt es: The second option combined cruise missiles with manned bomber attacks ... the third and most robust option as cruise missiles, bombers and what the planners had taken to calling "boots on the ground".
In seinem Buch erinnert sich Bush an eine Erklärung des Vier-Sterne-Generals Tommy Franks: Tommy told the national security team that he was working to apply the same concept of a light footprint to Iraq ... "If we have multiple, highly skilled Special Operations forces identifying targets for precision-guided munitions, we will need fewer conventional grounds forces," he said. "That's an important lesson learned from Afghanistan." I had a lot of concerns. ... I asked the team to keep working on the plan. "We should remain optimistic that diplomacy and international pressure will succeed in disarming the regime," I said at the end of the meeting. "But we cannot allow weapons of mass destruction to fall into the hands of terrorists. I will not allow that to happen."
General Franks freilich hatte die entsprechende Situation in seinem Buch American Soldier sehr ähnlich dargestellt: For example, if we have multiple, highly skilled Special Operations forces identifying targets for precision-guided munitions, we will need fewer conventional ground forces. That's an important lesson learned from Afghanistan." President Bush's questions continued throughout the briefing. ... Before the VTC ended, President Bush addressed us all. "We should remain optimistic that diplomacy and international pressure will succeed in disarming the regime." ... The President paused. "Protecting the security of the United States is my responsibility," he continued. "But we cannot allow weapons of mass destruction to fall into the hands of terrorists." He shook his head. "I will not allow that to happen."
Die Beispiele stammen aus einer Sammlung, die die Huffington Post im Internet veröffentlicht hat.
Bushs Verleger betrachtet die Übereinstimmungen zwischen den Worten des Ex-Präsidenten und anderen Autoren als Bestätigung für dessen Genauigkeit.
Journalist Grim schlägt eine andere Erklärung vor: "Er ist zu faul, um seine Memoiren selbst zu schreiben."