Antrittsbesuch in Berlin:Heikler Gast aus dem "Sehnsuchtsland"

Antrittsbesuch in Berlin: Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz auf einer Pressekonferenz bei ihrem Antrittsbesuch in Berlin.

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz auf einer Pressekonferenz bei ihrem Antrittsbesuch in Berlin.

(Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Bundeskanzler Olaf Scholz empfängt Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni in Berlin und steht dabei vor der Frage: Wie umgehen mit der Postfaschistin, die zumindest in der Europapolitik bislang eine durchaus konstruktive Rolle spielt?

Von Daniel Brössler und Josef Kelnberger, Berlin, Brüssel

Am Ende ist zumindest eine Sache aus der Welt. Giorgia Meloni ist gar nicht allergisch gegen Deutschland. Das werde immer wieder behauptet, aber sie könne sich gar nicht daran erinnern, das mal gesagt zu haben, gibt die Postfaschistin und neue italienische Ministerpräsidentin am Freitagabend an der Seite von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf Nachfrage zu Protokoll. Richtig sei, dass sie an der deutschen Sprache gescheitert sei. Das habe aber nichts mit Allergie zu tun, sondern mit der schweren deutschen Grammatik.

Für einen Moment könnte man also meinen, dass - außer eben der Sprache - nichts zwischen der Rechtsaußen-Frau aus Italien und dem deutschen Sozialdemokraten steht, der sie "herzlich" zum Antrittsbesuch in Berlin willkommen heißt. "Deutschland und Italien sind aufs Engste miteinander verbunden", hebt Scholz hervor, preist Italien gar als der Deutschen "Sehnsuchtsland", woran sich seit Goethes Zeiten nichts geändert habe. "Unsere Regierungen haben sich immer eng miteinander abgestimmt und wir beide sind fest entschlossen, die enge Zusammenarbeit fortzusetzen", verspricht Scholz. Sollte die politische Herkunft seines Gastes Scholz bekümmern, so lässt er es sich nicht anmerken.

Oder höchstens indirekt. Übereinstimmung sehe er in "Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere wenn es um den russischen Überfall auf die Ukraine geht", betont Scholz. Woraus sich schließen lässt, dass es auf anderen Feldern weniger rosig um die Übereinstimmung bestellt ist. Für Scholz ist der Umgang mit Meloni heikel. Einerseits wird von ihm nicht zuletzt in der eigenen Partei erwartet, ein Mindestmaß an Distanz zu der Postfaschistin zu wahren. Andererseits kann er angesichts der Lage in Europa und der Welt keine weitere Problem-Beziehung brauchen. Dem Kanzler kommt entgegen, dass die Vorsitzende der rechtsradikalen Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) es als Regierungschefin bislang vermeidet, mit radikalen Sprüchen oder Schritten den Rest Europas gegen sich aufzubringen und auch in Sachen Ukraine nicht ausschert. Die Probleme liegen anderswo.

Scholz tastet sich an das Streitthema Asyl heran

Eher kein Zufall ist, dass Meloni von Stockholm kommend in Berlin eintrifft. Dort hat sie sich mit dem konservativen schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson abgestimmt - einem Verbündeten für eine restriktivere Migrationspolitik in der EU. Schweden hat derzeit den EU-Ratsvorsitz inne. Beim EU-Gipfel Ende kommender Woche ist Migration eines der zentralen Themen. Entscheidend sei, "dass wir uns auf Grundlage unserer gemeinsamen Werte von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten für ein humanes und krisenfestes Asylsystem einsetzen", tastet sich Scholz an das Streitthema heran. Es gehe da "um eine faire Balance von Verantwortung und Solidarität".

Das Ziel müsse sein, "mit Herkunfts- und Transitländern zusammenzuarbeiten, um effizient den Menschenhandel zu bekämpfen", sagt Meloni. Es gehe darum, "Migrationsströme aufzuhalten, bevor sie an die Grenzen Europas stoßen". Auch sie preist die "wichtige Beziehung", die Deutschland und Italien verbinde, erinnert an die "starke wirtschaftliche Verflechtung" und gibt sich insgesamt moderat. Wie also umgehen mit Giorgia Meloni, die zumindest in der Europapolitik bislang eine durchaus konstruktive Rolle spielt?

Handfester Streit in der CSU

In der CSU sorgt diese Frage gerade für einen handfesten Streit zwischen Parteichef Markus Söder und seinem Stellvertreter Manfred Weber. Weber hat zuletzt als Vorsitzender der Europäischen Volkspartei und deren Fraktionsvorsitzender im Europaparlament mit Meloni Gespräche geführt - offensichtlich auch mit dem Ziel, die Möglichkeit der Zusammenarbeit nach der nächsten Europawahl auszuloten. Söder schloss nun, unabgestimmt mit Weber, am Freitag auf einer Pressekonferenz in München eine formelle Zusammenarbeit der EVP mit Meloni und ihrer Gruppierung aus. Er habe darüber ein langes Gespräch mit Weber geführt, und man habe eine gute Lösung gefunden. Davon kann offenbar keine Rede sein.

Weber sagte der Süddeutschen Zeitung, es seit gut, dass Markus Söder anerkenne, dass Gespräche mit der italienischen Regierung angesichts von Krieg und Migrationskrise "sinnvoll" sind. Das hatte Söder in der Pressekonferenz allerdings gar nicht getan. Aus dem Umfeld von Manfred Weber hieß es: Söder spreche für die CSU, Weber aber für die gesamte EVP. Eine Zusammenarbeit mit den Fratelli sei derzeit kein Thema, aber sollte das einmal der Fall sein, könnte sich Söder gern in die Debatte einbringen.

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