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Meinungsumfrage in den USA:Unterstützung für Afghanistan-Einsatz schwindet rapide

Die US-Bürger sind kriegsmüde. Nach dem Amoklauf eines US-Soldaten und Koranverbrennungen hat sich die Einschätzung des Einsatzes in Afghanistan sprunghaft verschlechtert. Mehr als zwei Drittel der Amerikaner halten die Lage am Hindukusch für "schlimm" - so viele wie noch nie.

Die Unterstützung der amerikanischen Bevölkerung für den Militäreinsatz in Afghanistan ist dramatisch gesunken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Meinungsumfrage von New York Times und CBS News, die in dieser Woche veröffentlicht wurde. Demnach wollen zwei Drittel der Befragten, dass der Kampfeinsatz endet. Es ist der höchste je ermittelte Wert, seitdem New York Times und CBS News diese Frage im Jahr 2009 erstmals stellten.

Wie CBS berichtet, lag die Zahl derer, die sich gegen den Militäreinsatz aussprachen, im November 2011 noch bei 53 Prozent. Doch seit der letzten Umfrage ist viel passiert: Ende Februar kam es infolge der Koranverbrennungen in mehreren Städten Afghanistans zu massiven Protesten. Einen Monat später lief ein US-Soldat in der afghanischen Provinz Kandahar Amok, 17 Menschen fielen der Bluttat zum Opfer.

In Amerika grassiert nach dem Krieg in Irak und dem schon mehr als zehn Jahre andauernden Afghanistan-Einsatz Kriegsmüdigkeit. So sagten 68 Prozent der insgesamt 996 Befragten, dass der Kampf in Afghanistan "einigermaßen schlimm" oder "sehr schlimm" verlaufe. Zum Vergleich: Im November 2011 waren lediglich 42 Prozent der Befragten dieser Meinung.

Und selbst Republikaner und Demokraten unterscheiden sich in ihren kriegsskeptischen Äußerungen nicht großartig voneinander: Während 60 Prozent der befragten Republikaner finden, dass der Afghanistan-Einsatz "einigermaßen schlimm" oder "sehr schlimm" verlaufe, waren es bei den Demokraten 68 Prozent, die diese Einschätzung teilen.

Fast die Hälfte der Befragten will einen früheren Truppenabzug

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 begann mit den Luftangriffen am 7. Oktober der Militäreinsatz in Afghanistan und gleichzeitig George W. Bushs Mission "Enduring Freedom". Die Nato plant, ihre Truppen Ende 2014 aus Afghanistan abzuziehen und den Afghanen die Verantwortung für die Sicherheit zu übergeben.

Geht es nach den Amerikanern, so wollen 44 Prozent der Befragten, dass die Vereinigten Staaten ihre Truppen früher abziehen. 33 Prozent sind der Meinung, dass die Regierung sich an den aktuellen Plan halten solle. Dass die Streitkräfte so lange in Afghanistan bleiben sollten, bis sich die Lage stabilisiert hat, finden 17 Prozent der Umfrageteilnehmer. Nur drei Prozent sind der Meinung, dass die Truppen sofort abgezogen werden müssten.

Die Umfrageergebnisse von New York Times und CBS News stehen nicht für sich allein. Auch anderen Umfragen zufolge unterstützen immer weniger Amerikaner den Militäreinsatz am Hindukusch.

Mehrheit der Afghanen ist für eine Aussöhnung mit den Taliban

Aber auch in Afghanistan wurde die Bevölkerung befragt. Eine überwältigende Mehrheit ist demnach für eine politische Lösung im Land. 94 Prozent der Befragten unterstützen ein Aussöhnungsprogramm mit den Taliban und anderen Aufständischen. Das ergab eine Untersuchung der Peace Training and Research Organization (PTRO).

Für die Untersuchung befragte die PTRO, die ihren Sitz in der afghanischen Hauptstadt Kabul hat, 4763 Afghanen aus 16 der 32 Provinzen des Landes. Nach Angaben der Organisation ist die am Dienstag veröffentlichte Studie repräsentativ.

Als ein Hindernis für einen Friedensprozess bezeichneten fast die Hälfte der Befragten den Einfluss von Pakistan und Iran. 42 Prozent nannten bei dieser Frage die Anwesenheit der internationalen Truppen, 23 Prozent gaben als Grund die mangelnde Glaubwürdigkeit der Regierung an.

Die Bedingungen der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft für eine Friedenslösung unterstützen 83 Prozent der Befragten. Demnach müssten sich die Aufständischen vom Terrornetz al-Qaida lossagen, ihre Waffen niederlegen und die afghanische Verfassung anerkennen. 58 Prozent befürworten die Forderung der Taliban, dass vor einer Verhandlungslösung alle ausländischen Truppen abziehen müssen. Eine große Schnittmenge unterstützt beide Positionen.

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