Süddeutsche Zeitung

Meinungsfreiheit:"Was wir nicht brauchen"

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Bundespräsident Steinmeier rügt die studentischen Proteste gegen Bernd Lucke und Thomas de Maizière als "Gesprächsverhinderungen".

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat angesichts zahlreicher Vorfälle in der jüngsten Zeit für eine schonungslos ehrliche, aber respektvolle Auseinandersetzung in der Gesellschaft geworben. "Was wir gewiss nicht brauchen - lassen Sie mich das auch aus gegebenem Anlass klar sagen -, das sind aggressive Gesprächsverhinderungen, Einschüchterung und Angriffe", sagte Steinmeier am Freitag in Berlin. "Angriffe auf vermeintlich unbequeme Politikerinnen und Politiker, wie es sich jüngst in Göttingen und Hamburg zugetragen hat. Oder auf umstrittene Professoren in Hörsälen und Seminaren", ergänzte er. Niemand müsse schweigen, wenn ihm etwas nicht gefalle. "Aber andere zum Schweigen bringen zu wollen, nur weil sie das eigene Weltbild irritieren, ist nicht akzeptabel", sagte Steinmeier.

In der vorigen Woche und am Mittwoch hatten Demonstranten eine Vorlesung des AfD-Mitbegründers Bernd Lucke gestört, der als Wirtschaftsprofessor an die Universität Hamburg zurückgekehrt war. Am Montag verhinderten linke Aktivisten beim Göttinger Literaturherbst eine Lesung des Ex-Innenministers Thomas de Maizière (CDU). "Der offene Streit - selbstverständlich im Respekt für den jeweils anderen - das ist etwas, was wir uns gegenseitig zumuten müssen", sagte Steinmeier. Das sei das Herzstück der Demokratie. Zur Demokratie gehöre die Beteiligung am Streit, nicht dessen Verhinderung, sagte Steinmeier bei der Gesprächsreihe "30 Jahre Friedliche Revolution".

In Berlin gab es derweil einen weiteren Angriff auf ein Parteigebäude. Am Donnerstagabend warfen vermummte Unbekannte Kleinpflastersteine und mit Farbe gefüllte Flaschen gegen das Willy-Brandt-Haus, die Parteizentrale der SPD, wie die Polizei mitteilte. Mehrere Glasscheiben sowie Teile der Fassade wurden beschädigt. Zuvor hatte es nächtliche Angriffe auf Büros von CDU-Politikern gegeben. Betroffen waren zwei Bundestags- und ein Landesabgeordneter. Auch in diesen Fällen ermittelt der Staatsschutz. Täter schlugen jeweils die Scheiben der Büros ein. Zwei der Betroffenen vermuteten unterschiedliche politische Hintergründe - einmal wurden Rechtsextremisten als Täter angenommen, einmal linksextremistische Mietaktivisten.

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SZ vom 26.10.2019 / SZ
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