Meinungsfreiheit:Saudische Heuchelei in Paris

  • Zwei Tage nach der öffentlichen Auspeitschung eines Bloggers haben Vertreter der saudi-arabischen Regierung offenbar in Paris am Trauermarsch für die Opfer der Attentate teilgenommen - der auch ein Zeichen für Meinungsfreiheit war.
  • Der saudi-arabische Blogger Raif Badawi war am Freitag wegen "Beleidigung des Islam" mit 50 Peitschenhieben bestraft worden. 950 sollen folgen.
  • Der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge nimmt der Druck auf interne Kritiker in Saudi-Arabien massiv zu. Badawi sei insofern ein Einzelfall, als seine Bestrafung ungewöhnlich brutal sei und zudem öffentlich vollstreckt wurde.

Von Barbara Galaktionow

Eineinhalb Millionen Menschen setzten am Sonntag in Paris ein Zeichen gegen den islamistischen Terror zu setzen. Unter den Teilnehmern des Trauermarsches war auch eine beeindruckende Zahl internationaler Regierungsvertreter. Und auch mancher Politiker, dessen Teilnahme an einem Marsch zur Verteidigung der Meinungsfreiheit nicht auf den ersten Blick einleuchtet.

So kam offenbar auch der saudi-arabische Vize-Außenminister Nizar Madani in die französische Hauptstadt, wie BBC und die Saudi Gazette berichten. Auch Riads Botschafter in Frankreich schloss sich den "Je suis Charlie"-Protesten an. Und das nur zwei Tage, nachdem in Saudi-Arabien ein Blogger öffentlich ausgepeitscht wurde.

50 Hiebe trafen Raif Badawi auf Rücken und Beine, vollzogen wurde die brutale Strafe nach dem Freitagsgebet in der Nähe der Al-Dschafali-Moschee in Dschidda. 950 weitere Hiebe sollen in den kommenden Wochen auf ihn niedergehen, so hatte es ein saudisches Gericht im Mai angeordnet. Ausgeführt wird die Strafe eigentlich mit einem Stock, der allerdings sehr dünn ist. Amnesty spricht hier daher von Peitschenhieben.

"Raif hob seinen Kopf in Richtung Himmel, schloss seine Augen und beugte seinen Rücken. Er war still, doch man konnte an seinem Gesicht und seinem Körper sehen, dass er wirklich schlimme Schmerzen hatte", schilderte ein Augenzeuge Amnesty International den Übergriff. Auch auf einem heimlich aufgenommenen Video auf Youtube soll Badawis Auspeitschung zu sehen sein.

Auch Badawis Anwalt verurteilt

Badawis Vergehen: Auf seiner Webseite "Freie saudische Liberale", mit der er ein Forum für eine öffentliche Debatte schaffen wollte, habe er den Islam beleidigt. Neben den Peitschenhieben verurteilte das Gericht den Aktivisten, der an diesem Dienstag 31 Jahre alt wird, deshalb zu zehn Jahren Haft und einer Geldstrafe von einer Million saudischen Rial (etwa 191 000 Euro).

Amnesty zufolge ist Badawi kein Einzelfall. "Wir haben festgestellt, dass in den vergangenen zwei bis drei Jahren in Saudi-Arabien friedliche Aktivisten, Anwälte oder Menschenrechtler, die sich für Reformen in ihrem Land einsetzen und die Einhaltung der Menschenrechte fordern, ganz extrem unter Druck geraten sind", sagte Ruth Jüttner, Expertin für den Mittleren Osten und Nordafrika bei Amnesty Deutschland, zu SZ.de. In dieser Zeit habe es mehr als ein Dutzend ähnlicher Verurteilungen gegeben. So wurde auch der Anwalt Badawis zu einer Gefängnisstrafe von 15 Jahren verurteilt.

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