Meinungsforscher Güllner zur SPD-Krise:"Beck muss weg"

Forsa-Chef Manfred Güllner sieht kaum noch Hoffnung für die SPD für die Bundestagswahl 2009. Zumindest nicht mit Kurt Beck an der Spitze.

Thorsten Denkler

sueddeutsche.de: Herr Güllner, die SPD strampelt sich ab und jagt ein inhaltsreiches Papier nach den anderen heraus. Dennoch, in Umfragen kommt sie auf keinen grünen Zweig. Was will der potentielle SPD-Wähler eigentlich?

manfred guellner, dpa

Manfred Güllner ist Gründer und Geschäftsführer des Forsa-Instituts. Wegen seiner Mitgliedschaft in der SPD wurde ihm aus CDU-Kreisen häufig der Vorwurf gemacht, beschönigende Umfragewerte seiner Partei zu veröffentlichen.

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Manfred Güllner: Er will eine kompetente Partei, die ihm das Gefühl gibt, sie könne Probleme vielleicht nicht sofort lösen, aber richtig angehen. Er möchte, dass die SPD eine Vorstellung davon hat, wie die Gesellschaft aussehen sollte. Und er möchte, dass die Partei durch Personen repräsentiert wird, die glaubwürdig und kompetent sind.

sueddeutsche.de: Das alles hat die SPD im Moment nicht?

Güllner: So ist es. Aber das ist nicht nur auf Bundesebene so. Die SPD verliert auf allen Ebenen an Zustimmung, sei es im Bund, in den Ländern oder in den Kommunen. Es gibt bis auf Beck in den westdeutschen Flächenstaaten keinen SPD-Ministerpräsidenten mehr. Früher waren bis auf Stuttgart alle Großstädte über 500.000 Einwohner in SPD-Hand. Heute werden die meisten von der CDU regiert.

sueddeutsche.de: Alles die Schuld des SPD-Parteivorsitzenden?

Güllner: Herr Beck ist nicht die Ursache der Krise, die liegt sehr viel tiefer. Aber Herr Beck hat natürlich die Krise auf Bundesebene erheblich verschlimmert.

sueddeutsche.de: In der SPD gilt die These, Schuld sei vor allem Gerhard Schröder mit seiner verhassten Agenda 2010.

Güllner: Das ist ein ziemliches Missverständnis in der SPD. Die Krise der SPD begann schon weit vor 1998 unter anderem mit einem großen Mitgliederschwund. Schröder hat es geschafft, der Partei wieder ein Zwischenhoch bringen. Es hat nicht lange angehalten und viele die nach 1998 wegen Schröder in die Partei eingetreten sind, sind inzwischen wieder ausgetreten. Auch weil die SPD nie hinter den Schröderschen Reformen stand.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum SPD-Mitglied Güllner glaubt, dass Beck jede Glaubwürdigkeit verloren hat.

"Beck muss weg"

Güllner: Die SPD wird schon noch gebraucht. Ohne die SPD würden viele Menschen ihre politische Heimat verlieren. Viele sind ja auch willens, SPD zu wählen. Das war schon im Wahlkampf 1986/87 so. Aber Johannes Rau musste gegen seine eigene Überzeugung einen Programmwahlkampf führen, den die Wähler nicht akzeptierten. Wir haben kurz vor der Wahl 1987 eine Umfrage gemacht und da haben die Menschen gesagt, die Partei hätte Rau so verbogen, dass er nicht mehr Rau ist. Und dann kam Lafontaine, aber der war überhaupt nicht wählbar, genau wie Scharping. Erst Schröder hat die SPD wieder für eine breitere Mehrheit wählbar gemacht.

gerhard schroeder, ddp

Güllner zur Agenda-Politik von Gerhard Schröder: "Agenda 2010 und Hartz IV sind schreckliche Chiffren"

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sueddeutsche.de: Es kommt also doch auf die Person an, die vorne steht.

Güllner: Sicher. Schon Adenauer hat plakatieren lassen: Auf den Kanzler kommt es an.

sueddeutsche.de: Es sieht so aus, als falle in der SPD die Entscheidung über den Kanzlerkandidaten zwischen Beck und Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Steinmeier hat durch die Bank die bessere Umfragewerte, was auch mit seinem Amt zu tun haben dürfte. Kann er der Retter der SPD sein?

Güllner: Wenn man glaubt, mit Steinmeier alleine könne man die Rettung der SPD herbeiführen, dann ist das natürlich falsch, das wird nicht gelingen. Er ist aber sicher im Moment der Einzige in der Partei, dem zuzutrauen ist, die Vertrauensverluste der Beck-Ära zum Teil wieder gut zu machen.

sueddeutsche.de: Warum kann Beck das nicht mehr?

Güllner: Beck hat zur aktuellen Misere der SPD ganz erheblich beigetragen. Er hat jede Glaubwürdigkeit verloren. Beck ist dabei, die SPD zu ruinieren. Das heißt: Beck muss in jedem Fall weg. Wenn er ein bisschen Größe hätte, würde er das einsehen und die Konsequenzen ziehen.

sueddeutsche.de: Ist das dann die Lösung?

Güllner: Nein, aber die Voraussetzung für einen Neuanfang und vielleicht sogar für eine Renaissance der SPD. Steinmeier würde sicher ein besseres Ergebnis für die SPD erzielen als Beck. Aber seine Nominierung alleine rettet noch nicht die SPD.

Lesen Sie im dritten Teil, warum beide große Volkparteien derzeit in Meinungsforschungen so schlecht abschneiden

"Beck muss weg"

Meinungsforscher Güllner zur SPD-Krise: Güllner zu SPD-Chef Beck: "Wenn er ein bisschen Größe hätte, würde er die Konsequenzen ziehen"

Güllner zu SPD-Chef Beck: "Wenn er ein bisschen Größe hätte, würde er die Konsequenzen ziehen"

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sueddeutsche.de: Warum schneidet die SPD eigentlich in den Umfragen ihres Hauses regelmäßig schlechter ab als in allen anderen Umfragen?

Güllner: Das stimmt so nicht. Vor allem nicht, wenn man das über die Jahre vergleicht.

sueddeutsche.de: Aktuell ist das augenscheinlich.

Güllner: Die SPD behauptet das gerne. Ich sehe dafür keine Anhaltspunkte. Bei uns kommt die SPD derzeit auf 22 Prozent. Andere führen sie mit 23 Prozent. Ich kann nicht erkennen, wo da die großen Unterschiede liegen sollen. Die CDU-Werte klaffen viel weiter auseinander.

sueddeutsche.de: Bleiben wir bei der Union. Die hat ähnliche Probleme wie die SPD nur auf etwas höherem Niveau. Haben wir es vielleicht doch mit einer allgemeinen Parteienkrise zu tun?

Güllner: Das ist Unfug. Die Leute sind weder politik-, noch staats-, noch demokratieverdrossen. Sie erkennen an, dass es Parteien geben muss. Was sie abschreckt ist die Art und Weise, wie die politischen Akteure Politik machen. Die taktischen Spielchen, die Blockadepolitik.

sueddeutsche.de: Also hilft doch nur die viel gepriesene Geschlossenheit?

Güllner: Die Leute wollen, dass sich Politiker über Sachfragen auseinandersetzen. Sie ertragen nur den gespielten Streit um des Streites willen nicht mehr. Nehmen Sie die Gesundheitsreform. Die hat doch bis heute kein Mensch verstanden. Und schon gar nicht den Streit, den es darum gibt. Da haben die Menschen doch nicht Unrecht. Man kann sie nicht dafür beschimpfen, wenn die Politik Murks macht.

sueddeutsche.de: Nur, dass die Union dabei immer noch besser wegkommt als die SPD.

Güllner: Man darf dabei nicht übersehen, dass auch die CDU erheblich an Vertrauen einbüßt. Helmut Kohl, der immer noch als größter Wahlkämpfer aller Zeiten gefeiert wird, hat seit dem Wahlsieg 1983 bis zur Bundestagswahl 1998 die Wählersubstanz der Union um ein Drittel reduziert. Und seit 1998 hat die CDU bis heute nichts hinzugewonnen.

sueddeutsche.de: Wo sind die Wähler alle hin?

Güllner: Sie suchen ihr Glück bei den kleinen Parteien oder gehen gar nicht wählen. Das führt zu dieser Zerfransung des Parteiensystems, wie wir es derzeit beobachten können. Bei den vergangenen Landtagswahlen hat ein Viertel bürgerlich gewählt, ein Viertel links, aber die Hälfte ist gar nicht zur Wahl gegangen. Das ist das eigentliche Problem.

sueddeutsche.de: Sind sie eigentlich noch SPD-Mitglied?

Güllner: Das ist kein Geheimnis.

sueddeutsche.de: Sie hätten ja inzwischen ausgetreten sein können. Haben sie noch Hoffnung für ihre Partei zur Bundestagswahl 2009?

Güllner: Für 2009 ist die Ausgangslage extrem schlecht. Da ist die Hoffnung sehr gering. Aber man weiß nie, was noch alles passiert und ob sich eine SPD ohne Beck wieder erholt. Viel wichtiger aber ist die Frage, was passiert nach 2009? Schafft die SPD einen Neuanfang, einen Wiederaufbau? Darauf bin ich sehr gespannt.

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