Süddeutsche Zeitung

Unionsstreit:Die CSU-Basis sollte entscheiden

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Die CSU braucht in ihrer Konfusion einen schnellen Sonderparteitag. Die Mitglieder sollten über die Nachfolge von Horst Seehofer bestimmen. Wenn es ums Ganze geht, soll auch das Ganze entscheiden.

Kommentar von Heribert Prantl

Die CSU ist die Partei, die seit Langem für direkte Demokratie wirbt. Jetzt ist es Zeit dafür, sie in der eigenen Partei zu praktizieren. Die CSU steht vor den wichtigsten Entscheidungen ihrer Geschichte. Diese Entscheidungen darf nicht ein schwer angeschlagener Horst Seehofer treffen. Diese Entscheidungen darf auch nicht ein erst vor Kurzem gewählter Ministerpräsident treffen. Diese Entscheidungen darf schon gar nicht ein Landesgruppenchef im Bundestag treffen - auch Seehofer, Söder und Dobrindt miteinander können das nicht.

Es geht um die elementarsten Fragen, die es für die CSU gibt: Soll sie die Regierungskoalition in Berlin fortführen? Soll sie die Fraktionsgemeinschaft aufkündigen? Soll sie, völlig losgelöst von der CDU, ihren eigenen Weg gehen? Und dahinter steht die Frage: Soll die CSU eine proeuropäische Partei bleiben oder nicht? Entscheiden darüber muss die große Kraft, die die CSU noch immer hat: Entscheiden müssen die Bürgermeister und die Landräte, die Stadt- und Gemeinderäte, entscheiden müssen die vielen Kümmerer, die Leute, die die CSU in ihrer Vielfalt, nicht in ihrer Einfalt vertreten - entscheiden muss die Basis. Das heißt: Entscheiden muss ein Sonderparteitag; und über einen neuen Vorsitzenden müssen alle Mitglieder abstimmen.

Wenn es ums Ganze geht, soll auch das Ganze entscheiden. Für die CSU geht es ums Ganze. Zum Ganzen und zum ganz Großen gehört auch die Antwort auf die Frage, die sich die CSU selbst stellen und beantworten muss: Steht uns ein Autokrat wie Viktor Orbán wirklich näher als eine Angela Merkel? Seehofer hat Ungarns Premier zuletzt öfter ins Allerheiligste der Partei eingeladen als die Chefin der Schwesterpartei CDU.

Aus der Christlich-Sozialen Union ist christliche soziale Konfusion geworden. Der Kopf der Partei ist verwirrt. Der Kurs der Partei ist verirrt. Es ist, als sei die CSU von allen guten Geistern verlassen; an ihrer Spitze ist es wohl auch so.

Was soll eine Partei in so einer Situation tun? Soll sie dabei zuschauen, wie es in den Graben und wie die Union zu Bruch geht? Wie die ganze Welt den Kopf schüttelt über ihre Führung? Soll sie dabei zuschauen, wie die CSU-Führung die politischen Verhältnisse in Deutschland italienisiert? Die CSU ist immer eine stolze, oft auch wunderbar auftrumpfende Partei gewesen. Vom Stolz ist nichts mehr zu spüren; auftrumpfen tut nur noch die Verzweiflung.

Man kann nicht für direkte Demokratie anderswo werben und sie im eigenen Laden meiden

Horst Seehofer hat in seinen anfangs ja durchaus erfolgreichen Jahren als CSU-Parteichef immer wieder von möglichst viel "Koalition mit den Menschen" gesprochen, wenn er für ein Plebiszit auf Bundesebene warb. Die Volksabstimmung steht daher im Wahlprogramm der CSU, sie steht auch in ihrem neuen Grundsatzprogramm. Das sollte die CSU als mahnenden Hinweis an sich selbst verstehen: Die Parteiführung braucht erst einmal wieder das Vertrauen ihrer Mitglieder, sie braucht Wort, Weisung und die direkte Mitbestimmung ihrer Basis.

Man kann nicht für direkte Demokratie anderswo werben und sie im eigenen Laden meiden. Die CSU steht auch deshalb so desolat da, weil sie die Mitgliederbefragung im Machtkampf zwischen Söder und Seehofer gescheut hat. Als Ilse Aigner im Herbst 2017 eine solche Mitgliederbefragung ins Spiel gebracht hatte, schlug ihr der Zorn einflussreicher Parteifreunde entgegen. Seitdem ist die Stimmung immer giftiger geworden.

Die Rettung für die CSU heißt: die Basis. Das bringt Klarheit. Das bringt Entgiftung. Die CSU muss dort Hilfe suchen, wo sie noch Kraft hat.

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