Bundesinnenminister:Seehofer ist für sein schlechtes Image selbst verantwortlich

Horst Seehofer beklagt eine Kampagne der Medien. Dabei hat ja niemand die Sprüche und Begebenheiten erfunden, mit denen er in den vergangenen Wochen in die Kritik geriet.

Kommentar von Detlef Esslinger

Jeder kennt so etwas, kein Betrieb, keine Firma, wo so etwas nicht vorkommt: Die Lieferfrist wurde verpasst, und jetzt gibt's einen gewissen Ärger mit dem Kunden. Mick Jagger war in der Stadt; und keine Zeile dazu auf der Homepage und in der Zeitung. Oder die CSU: Eine neue Umfrage kommt heraus, und noch immer hängt sie unter 40 Prozent. Was ist in solchen Fällen das Wichtigste und Dringendste, in allen Firmen? Die Behebung des Problems? Das konstruktive Zusammenwirken aller? Jeder, der sein Arbeitsleben in einem Betrieb zubringt, weiß, worauf in einem solchen Moment immer alle Energie verwendet wird: die Klärung der Schuldfrage. Und wie die ausgeht, das ist überall ungefähr so gewiss wie der Umstand, dass die Gemeinde Töging am Inn liegt, und nicht an der Isar: Der Dings war's und die Dings, jedenfalls: die anderen.

In Töging am Inn hat am Donnerstagabend Horst Seehofer einen Termin im Bierzelt gehabt. Wer möchte derzeit schon mit ihm tauschen? Seehofer selbst würde ja zu gern wieder nur der Seehofer sein, der er bis zum 13. März war; "das alte Amt war schöner", verriet der nunmehrige Bundesinnenminister seinem Publikum über seine Zeit als bayerischer Ministerpräsident. In den vergangenen Wochen haben er, sein Nachfolger Markus Söder, sein früherer Zögling Alexander Dobrindt sowie viele ihrer Kollegen gemeinschaftlich ihren Wählern etwas liefern wollen, um bei der Landtagswahl am 14. Oktober die absolute Mehrheit ihrer Partei zu verteidigen. Sie taten dies jedoch auf eine Weise, die viele liberale Wähler der CSU abspenstig gemacht und andere wiederum derjenigen Partei zugeführt hat, die weder eine Alternative noch für Deutschland ist. Also, was tun jetzt? Söder hat die Klärung der Schuldfrage bereits vor Wochen absolviert: "Berlin", sagte er - also nicht er, sondern Seehofer.

Der hat nun seinem Publikum in Töging die Retourkutsche nicht zugemutet - und "München" zu sagen vermieden; so viel Instinkt hat der Redner sich bewahrt, im Angesicht der grundsätzlich zugeneigten Zuhörer. Ist ja auch nicht nötig, wenn eine externe Gruppe zur Verfügung steht, die man zu den Schuldigen erklären kann: "die" Medien. Horst Seehofer erklärte, er könne die Menschen schon verstehen, die nach dem unionsinternen Streit über die Asylpolitik ein negatives Bild von ihm hätten. Das sei die Folge einer "Kampagne der Medien".

Die gute alte Medienkampagne. Das Wort hat schon so vielen Menschen Dienste erweisen sollen, die es in der Öffentlichkeit gerade schwer haben. Man benennt diese große, aber nicht präzis definierte Gruppe - die deshalb auch kaum zum Widerspruch fähig ist. Man legt nahe, dass die Mitglieder dieser Gruppe sich auf geheimnisvolle, jedenfalls verwerfliche Weise gegen einen verschworen haben. Da ein Teil des Publikums ohnehin Vorurteile gegen "die" Medien kultiviert, ist der Dung ja vorhanden, auf dem diese Art der Schuldzuweisung gedeihen könnte. Ob's aber in diesem Fall etwas nützt?

Es hat ja niemand die Sprüche und Begebenheiten erfunden, mit denen Horst Seehofer in den vergangenen Wochen in die Öffentlichkeit geriet. Etwas zu lange ließ er den Satz undementiert, wonach er "mit der Frau" (Merkel) nicht mehr arbeiten könne. Niemand hat ihn gezwungen, darüber zu feixen, dass 69 Afghanen an seinem 69. Geburtstag abgeschoben wurden. Niemand vor ihm hat je das Spektakel geboten, als Parteichef und Minister einen Rücktritt anzukündigen und es sich tags darauf anders zu überlegen. Kein Minister vor ihm hat je einen "Masterplan" schreiben lassen, mit dem er wochenlang die Republik beschäftigte, ohne ihn aber derselben auch bekanntzumachen. Horst Seehofer hat den Dung selbst ausgebracht, der ihm nun all die Probleme bereitet. Kampagne der Medien? Eher trifft auf ihn der philosophische Satz zu, den Andreas Brehme, der Fußballer, einst formulierte: "Hast du Scheiße am Fuß, hast du Scheiße am Fuß."

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