Meine Presseschau:Ziemlich unaufgeregt

Christoph Neidhart

"Es reicht", schreibt eine südkoreanische Zeitung. Nicht etwa über die nordkoreanischen Raketentests, sondern über die Demonstrationen in Seoul. Die Medien im Nachbarland des kommunistischen Regimes sind vergleichsweise gelassen.

Ausgewählt von Christoph Neidhart

Wann immer Nordkorea provoziert, sind die Reaktionen in Europa und den USA wesentlich empörter, als in den Nachbarstaaten. So nahmen die Südkoreaner die neueste Rakete kaum zur Kenntnis. Die einzige koreanische Zeitung, die sich lautstark über die Lage auf der Halbinsel aufregte, war Rodong Sinmun, Nordkoreas Parteizeitung. Über die Manöver, mit denen die USA und Südkorea auf den Test vom 4. Juli reagierten, schimpfte das Blatt: "Während sie über 'Dialog' reden, provozieren sie mit ihrem Militär und verletzten damit die Gefühle ihrer Landsleute im Norden ... Dialog ist nicht zu vereinbaren mit Konfrontation."

In Seoul rekapitulierte die führende konservative Tageszeitung JoongAng Ilbo die Position der USA: Falls eine Rakete Amerika erreichen könnte, verändere dies das strategische Gleichgewicht. "Was uns beunruhigt, ist die Unsicherheit, ob die USA uns im Falle einer Attacke Nordkoreas auf Seoul dann verteidigen würden." Das Blatt forderte Präsident Moon Jae-in auf, sein Angebot für eine gemeinsame Olympia-Mannschaft beider Koreas für die Winterspiele 2018 zu überdenken: "Was ist dringender für Südkorea? Die Bildung eines gemeinsamen Hockeyteams mit Nordkorea, oder dass wir uns im Rahmen einer jahrzehntealten Allianz für eine atomare Bedrohung wappnen?"

Der linksliberale Hankyoreh schrieb, Pjöngjang habe kaltes Wasser auf die Versuche geschüttet, den innerkoreanischen Dialog wieder aufzunehmen. "Das ist wirklich bedauerlich. Es ist, als ob Nordkorea nicht weiß, oder sich nicht darum schert, was draußen in der Welt vor sich geht." Aber noch sei es nicht zu spät. Moon sollte an seiner Politik des "Dialogs kombiniert mit Druck" festhalten.

In der englischsprachigen Korea Times schrieb ihr früherer Chefredakteur Park Moo-jong : "Uns reichts". Er entrüstete sich freilich nicht über Nordkorea, sondern über die vielen Demonstrationen in Seoul. "Als die Studenten in den 1980ern mit ständigen Demos die Demokratie erzwangen", so Park, "zeigten die meisten Bürger trotz negativer Auswirkungen wie Verkehrsbehinderungen ein gewisses Verständnis". Aber "heute demonstrieren meist spezielle Gruppen, vor allem militante Gewerkschafter, mit illegalen Mitteln für ihre Partikularinteressen". Die Geduld des Publikums gehe zu Ende - ein halbes Jahr, nachdem Millionen Koreaner Woche für Woche für die Absetzung ihrer korrupten Präsidentin auf die Straße gingen.

Zum Raketentest schrieb die Korea Times, er zeige, dass "Druck auf China, damit es mehr tue, schlechter funktioniert als erwartet. Entweder spielt Peking falsch, oder es hat seinen Einfluss auf Pjöngjang verloren." Dagegen böten Peking und Moskau mit dem Vorschlag, die USA und Südkorea sollten auf ihre Manöver verzichten und der Norden gleichzeitig sein Atom- und Raketenprogramm einstellen, einen Schlüssel zur Lösung. Dieses "Einfrieren" hat Korea-Experte Donald Kirk im gleichen Blatt drei Tage zuvor als "verrückt" abgetan.

Die japanische Presse hat den jüngsten Raketentest spärlich kommentiert. Der Tenor: China habe den Schlüssel zum Nordkorea-Problem, die Nachbarländer müssen zusammenrücken, es gebe keine gute Lösung - und sicher keine militärische. Nur die rechtskonservative Sankei Shimbun warnte Premier Shinzo Abe, ob dem "Ärger über die Rakete, der demnächst überkochen könnte, dürfe er 'das Wichtigste' nicht vergessen ..., die Familien der [vor etwa 30 Jahren nach Nordkorea] entführten Japaner. Sie fürchten, ihre Angehörigen werden im Streit um Atom und Raketen vergessen."

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