Meine Presseschau:"Wir haben gewonnen"

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Während andernorts die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels umstritten ist, jubeln dort selbst regierungskritische Zeitungen. Ein anderes Thema: Korruption.

Ausgewählt von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Trump und Korruption: Auf diese beiden Themenkomplexe konzentrieren sich die Medien in Israel seit Wochen, auch in der Kommentierung. Da die Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und israelischen Einsatzkräften abflauen, stehen nun die politischen Folgen im Mittelpunkt. Kritik an der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, gibt es auch in der israelischen Presse kaum - genauso wenig wie in der Bevölkerung.

Manche Medien schaffen es sogar, ein eindeutiges Mehrheitsvotum umzudeuten. Obwohl 128 Staaten vor der UN-Generalversammlung für eine Resolution stimmten, in der die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA kritisiert wird, und nur neun dagegen votierten, verkündete Israel Hayom groß auf der Titelseite: "Erfolg für Israel." Das Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zugetane Boulevardblatt lieferte auch gleich die Erklärung mit: "Israels Lobbyismus und Trumps Drohungen wirkten." Sogar die 35 Staaten, die sich der Stimme enthalten haben, werden in der auflagenstarken Gratiszeitung positiv gedeutet: "Die UN-Stimmtafel zeigte, dass 35 Quadrate gelb aufleuchteten, blinkend wie ein Zeichen, dass sich die Geschichte ändert."

Selbst die Zeitung Yedioth Ahronoth, die normalerweise sehr kritisch über Regierungschef Netanjahu berichtet, verkündete in einer Kolumne auf Seite eins: "Wir haben gewonnen." Der Kolumnist Noah Kliger räumte allerdings ein, dass Israel nur deshalb auf der Siegerseite sei, weil ursprünglich eine noch größere Mehrheit für die Resolution erwartet worden sei. Die Palästinenser hätten jedoch höchstens einen Pyrrhussieg errungen. "Siegesbekundungen würden dem Nicht-Staat Palästina oder seinen Führern nicht helfen. Sogar Mahmud Abbas versteht, dass er einen harten Schlag erlitten hat. Und wenn er jemals einen souveränen palästinensischen Staat will, dann wird er gar keine andere Wahl haben, als Israels Bedingungen akzeptieren zu müssen."

Weniger einig sind sich die Zeitungen, wenn es um die Beurteilung von Regierungsmitgliedern geht, gegen die wegen Korruption ermittelt wird. Die linksliberale Tageszeitung Haaretz enthüllte neue Vorwürfe gegen Innenminister Arye Deri, der umgerechnet 48 200 Euro von einem Geschäftsmann angenommen haben soll. Außer Deri sind noch ein weiterer Minister sowie Regierungschef Netanjahu mit Ermittlungen in Korruptionsverfahren konfrontiert. Dem Widerstand in der Bevölkerung haben sich auch Journalisten angeschlossen - als Organisatoren von Demonstrationen, neuerdings auch von rechter Seite. Yoaz Hendel nutzt seine Kolumne in Yedioth Ahronoth, um für die Anti-Korruptionskundgebung in Jerusalem zu werben. Die Konkurrenz Israel Hayom vermutet dagegen eine politische Verschwörung gegen den Likud-Politiker Netanjahu. Der Kolumnist Moti Tuchfeld stellt die Frage: "Ist dieser Anti-Korruptionsprotest nichts anderes als die Gründungsveranstaltung für eine neue Bewegung, die bei den nächsten Wahlen gegen den Likud antreten will?" Die Antwort gibt er selbst: "Die Zeit wird es zeigen."

Schon bald dürfte die Entscheidung fallen, ob gegen Netanjahu Anklage erhoben wird. Einer der Fälle betrifft Zeitungen: Der Regierungschef soll dem Verleger von Yedioth Ahronoth angeboten haben, die Aktivitäten von Israel Hayom zu beschneiden - gegen positivere Berichterstattung.

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