Meine Presseschau:Von der "Kehle und Zunge" der Partei

Meine Presseschau: Kai Strittmatter ist Korrespondent der SZ in China.

Kai Strittmatter ist Korrespondent der SZ in China.

In China sind die Festspiele zu Ehren des Staatspräsidenten Xi-Jinping zu Ende gegangen. Ein Blick in eine verdächtig gleichlautende Presse.

Von Kai Strittmatter

China erlebte in den letzten zwei Wochen wieder Xi-Jinping-Festspiele: Es tagte der Nationale Volkskongress NVK. Zuerst änderte der NVK die Verfassung, jetzt darf Xi, wenn er will, sein Leben lang Staatspräsident bleiben. Außerdem fand das "Xi-Jinping-Denken" Eingang in die Verfassung. Vor einer Woche dann war Wahltag, da wurde Xi als Staatspräsident im Amt bestätigt. Jetzt ist er der "Steuermann", der das Staatsschiff über die Meere segelt, findet die Volkszeitung. Findet aber auch die Wirtschaftszeitung. Und die Bauernzeitung. Und die Jugendzeitung findet es auch. Xi ist aber nicht nur der Steuermann auf hoher See, er ist zudem der "Volksführer", der an Land den Weg weist. Sagt die Volkszeitung. Und die Arbeiterzeitung sagt es auch. Und die Befreiungszeitung.

Und sie alle tun es in exakt den gleichen Worten unter exakt der gleichen Überschrift ("Xi Jinping ohne Gegenstimme zum Staatspräsidenten und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gewählt"). Mit dem exakt gleichen Layout und den exakt gleichen Bildern danach: Man sieht Xi Jinping, wie er einen Eid auf die Xi-Jinping-Gedanken schwört, also eigentlich auf die Verfassung. Chinas Presse ist seit Maos Zeiten "Kehle und Zunge" der Partei. Xi Jinping befahl ihr vor zwei Jahren zudem, sie solle von nun an "die Partei im Familiennamen" tragen. Die Presse ist unter Xi Jinping wieder mehr als in den letzten Jahren dazu da, das "Denken zu vereinheitlichen". Und deshalb gleichen sich an wichtigen Tagen die Zeitungen wie ein Ei dem anderen. Die Wahl ohne Gegenstimmen sei nur der natürliche Ausfluss des "Herzenswunsches von 1,3 Milliarden Chinesen", schreibt die Guangming-Zeitung, das Blatt, das der Parteiapparat den Intellektuellen zugedacht hat. Xis erste Amtszeit sei voller "historischer Errungenschaften" gewesen, vermeldet die Nachrichtenagentur Xinhua; China "wird nun stark". Das liege allein an der "weitsichtigen und strategischen Führung von Generalsekretär Xi Jinping", erklärt die Volkszeitung: an seiner "politischen Weisheit als Marxist" und an seinem "persönlichen Charisma". Xis tiefes Gefühl für das Volk "vereint die majestätische Kraft der chinesischen Nation".

Zu Wort kommen darf in diesen Berichten zum Beispiel jener Volksvertreter, der kaum fassen kann, "in einer so großen Ära, angeführt von einem so großen Mann" zu leben. Ansonsten ist das Volk gerade stumm. Vor Glück? Vor Schreck? Die paar Mutigen, die sich trauten, ihr Entsetzen über eine mögliche lebenslange Herrschaft des Staatspräsidenten in Worte zu fassen, sahen ihre Social-Media-Konten blockiert oder gelöscht. Das Internet ist klinisch sauber in diesen Tagen. Unter den online gestellten Zeitungsartikeln sind die Kommentarspalten blockiert und schon geschriebene Kommentare unsichtbar gemacht. Dafür spricht die Volkszeitung: "Unter tausend Bergen muss es einen Hauptgipfel geben."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: