Süddeutsche Zeitung

Meine Presseschau:Voller Widersprüche

Die geplante Rentenreform in Frankreich polarisiert die Öffentlichkeit. Das zeigen auch die Reaktionen auf den Streik.

Von Nadia Pantel

Frankreich kennt zurzeit fast nur ein Thema: die Rentenreform. Der Streik gegen die Reform ging am Freitag in die zweite Woche, die Bahnfahrergewerkschaft will ihre Blockade mindestens bis Weihnachten fortsetzen. Der konservative Figaro kommentiert, dass Gewerkschaften "zwar eine wichtige Rolle spielen", aber "weit davon entfernt" seien, die französische Gesellschaft zu repräsentieren. Zudem wird daran erinnert, dass die Franzosen vor Mitterrands Reform 1980 bis zum 65. Lebensjahr gearbeitet haben, die aktuelle Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre sei also zu verkraften. Vor Mitterrand habe man nicht "in der neoliberalen Nacht gelebt", so der Figaro.

Für Le Monde ist die von Präsident Emmanuel Macron gewollte Reform ein Beispiel für die inneren Widersprüche seines Programms. Er wolle einerseits "den Arbeitsmarkt flexibler machen", andererseits "den Arbeitern in diesem unsicheren Klima mehr Rechte geben". Es sei ihm gelungen, Frankreich zu einem deutlich attraktiveren Wirtschaftsstandort zu machen, doch "die Sozialbilanz Macrons ähnelt eher einem Minenfeld als einer befriedeten Landschaft". Die "von Macron erhoffte Revolution ist das nicht" - eher ein Erfolg "des rechten Flügels der Regierung", der sich auf "den finanziellen Ausgleich des Systems konzentriert".

Die linke Libération prangert eine "Verachtung" der Minister an, die Angestellte und Arbeiter "für dumm verkaufen". Die Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Regierung verliefen "asymetrisch", die Regierung behalte "immer die Oberhand". Die anhaltenden Streiks und Proteste bewiesen, dass die Demonstrierenden "die Versprechen der Gleichheit nicht glauben". Das geplante Rentensystem nach Punkten "individualisiert die Rente und bricht mit einer Logik der Solidarität", auf der das jetzige System aufbaue.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2019
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