Meine Presseschau:Ungarn zwischen Orbán und Europa

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Das Europäische Parlament hat ein Strafverfahren gegen Ungarn angestoßen, das die Grundwerte verletzt. Dort freut man sich in oppositionellen Zeitungen über das Votum. Ein regierungsnahes Blatt spricht dagegen von "ehrlosen Halunken" in den EU-Gremien.

Von Alexander Mühlauer

Viktor Orbán hat in dieser Woche gezeigt, was er von demokratischen Entscheidungen hält. Noch bevor das Europäische Parlament ein Strafverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags gegen sein Land angestoßen hatte, warf der ungarische Ministerpräsident den Abgeordneten vor, "die Ehre des ungarischen Volkes zu verletzen". Mit Orbáns Worten und der Tatsache, dass eine deutliche Mehrheit der Parlamentarier die europäischen Grundwerte in Ungarn gefährdet sieht, setzte sich die Presse in ganz Europa auseinander.

In Orbáns Heimat wertete die oppositionelle Zeitung Népszava das Votum "nicht als Kritik an Ungarn, sondern an der Politik der ungarischen Regierung". Das EU-Parlament habe sich dazu bekannt, "dass Illiberalismus keinen Platz hat in der Gemeinschaft der Europäer". Das Abstimmungsergebnis richte sich aber auch an die ungarische Nation: "Früher oder später wird sie sich zwischen Orbán und Europa entscheiden müssen." Schließlich könne Ungarns Regierung nicht von Brüssel oder Straßburg aus gestürzt werden. Ganz anderer Meinung war das regierungsnahe Budapester Blatt Magyar Idők. In Hinblick auf die kommende Europawahl hieß es: "In einem halben Jahr werden wir all diese ehrlosen Halunken aus den EU-Institutionen hinauswerfen und die Demokratie wiederherstellen können."

Auch in Westeuropa waren die Pressestimmen über das Ungarn-Votum geteilt. So konstatierte die Londoner Times eine Spaltung zwischen Ost und West, zwischen "selbst ernannten Regelgebern in Paris und Berlin und kleineren Ländern, die diese Regeln grundsätzlich zu befolgen haben". Insbesondere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hätte in der Migrationsfrage zwischen diesen beiden Positionen eine Brücke bauen sollen; doch "stattdessen hat er sie niedergebrannt". Die Brüsseler Zeitung De Morgen warnte wiederum vor "Orbán-Nachahmern im rechten Polen und linken Rumänien". Deshalb sei die Abstimmung im Europäischen Parlament "wichtig und notwendig" gewesen.

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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