Meine Presseschau:Schlaraffenland Italien

Meine Presseschau: Oliver Meiler ist Korrespondent der SZ in Italien.

Oliver Meiler ist Korrespondent der SZ in Italien.

Italien merkt: Die neue Regierung ist beim Schuldenmachen noch frivoler, als es die alten waren.

Von Oliver Meiler

Die barocken Budgetpläne der populistischen Regierung in Rom lösen Aufregung in Brüssel und an den Finanzmärkten aus. Sie treiben die Risikoaufschläge auf italienische Staatsanleihen in die Höhe und könnten eine einzigartige Konfrontation innerhalb der Europäischen Union verursachen. Wirklich neu ist die haushalterische Bedenkenlosigkeit der Italiener jedoch nicht, und vielleicht ist das die erstaunlichste Erkenntnis von allen: Die "Regierung des Wandels", wie sich die Koalition aus Cinque Stelle und Lega gerne selbst nennt, ähnelt beim Schuldenmachen jenen Kabinetten der vergangenen Jahrzehnte, die sie als "altes System" verdammt. Sie ist nur noch frivoler dabei.

"Die Abneigung unserer Politiker gegenüber der Mathematik und deren Gesetzen", schreibt die Mailänder Zeitung Corriere della Sera, "ist ein Wesenszug der nationalen Kultur." Wenn sie mal an der Macht seien, glaubten die italienischen Politiker, sie wären automatisch auch von den Zwängen der Arithmetik befreit. So erklärt sich wohl auch die Bezeichnung "Budget des Volkes", die der "Capo politico" der Fünf Sterne, Luigi Di Maio, jetzt ständig wiederholt. Er sagt, er interessiere sich nicht für "kleine Zahlen", sondern nur für die "Bürger". Klingt natürlich toll.

Das kleine bürgerliche Intelligenzblatt Il Foglio beschreibt den Haushaltsplan der Populisten deshalb mit Ironie als Frucht aus dem "Schlaraffenland". Weniger Steuern, bessere und frühere Renten, ein Grundeinkommen für einige Millionen Italiener, aber keine Kostenschnitte: Wer mag da nicht in ein lautes Halleluja einstimmen?

Il Foglio hat mit dem Christdemokraten Paolo Cirino Pomicino gesprochen, heute 79 Jahre alt, der in der Ersten Republik für einige Jahre Schatzminister war und gerne viel Geld ausgab. "Diese Leute an der Regierung sind wie wir in den Achtzigern", sagt Cirino Pomicino, "mit einem Unterschied allerdings: Zu unserer Zeit wuchs die Wirtschaft des Landes jeweils zwei Prozent pro Jahr, und wir mussten gegen Superinflation und Terrorismus kämpfen." Die Populisten würden einfach nur die laufenden Ausgaben erhöhen. "Das alles ist verrückt, eine Farce."

Etwas nüchterner im Ton ist Carlo Cottarelli in seinem Leitartikel für die Turiner Tageszeitung La Stampa. Cottarelli, muss man dazu wissen, ist der angesehenste Finanzexperte im Land, er hat viele Jahre lang bei der italienischen Zentralbank und beim Internationalen Währungsfonds gearbeitet. Im vergangenen Mai sah es einmal eine Weile so aus, als würde er Premierminister Italiens werden, doch daraus wurde nichts, als sich Lega und Cinque Stelle doch auf ein politisches Regierungsbündnis einigten.

Nun, dieser Cottarelli schreibt über den denkwürdigen Triumph der Populisten angesichts ihres expansiven Budgets: "Ich war verwundert, als ich die Bilder von Di Maio sah, der auf dem Balkon des Palazzo Chigi eine Hymne auf den Sieg sang. Was für ein Sieg wurde da gefeiert? Sie haben nur beschlossen, uns noch weiter zu verschulden. Na ja, für ein Land mit 2300 Milliarden Euro Staatsschulden ist das nicht gerade ein Zeichen des Wandels."

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