Meine Presseschau:Putins letzte Krönung

Der Ex-KGB-Agent dreht seine nächste Runde als Russlands Präsident. Viele Hoffnungen verbinden die Zeitungen nicht mit Putins mutmaßlich letzter Amtszeit.

Von Frank Nienhuysen

Es ist wohl das letzte Mal gewesen, dass Wladimir Wladimirowitsch Putin im Großen Kremlpalast als Präsident von Russland vereidigt wurde. Zumindest sieht die Verfassung keine dritte Kandidatur in Folge vor und Putin ist jetzt 65. Dafür hatte er sich seine Amtszeiten auf jeweils sechs Jahre verlängern lassen. Dass es eine erfolgreiche letzte Präsidentschaft wird - daran scheinen die russischen Zeitungen jedoch nicht allzu sehr zu glauben.

"Die lautstarken Erklärungen Putins über einen Durchbruch und künftige Reformen sind wohlklingend für einen großen Teil der Gesellschaft. In Wahrheit aber ist nicht absehbar, dass sich das neue Kabinett als Regierung für jene Modernisierung erweisen wird, die für die Versprechen des Präsidenten nötig wäre", schreibt die Zeitung Wedomosti. "Neue Gesichter gibt es fast nicht." Für kaum glaubwürdig hält die Zeitung auch Putins Worte, dass die junge Generation "mit ihrer Kühnheit" die Veränderungen mit anführen sollten. Sie spricht sogar von "einer Phrase", die sich "wie ein Missklang anhört, nachdem die Polizei sowie Kosaken mit Peitschen die Demonstrationen der Jugend zerschlagen haben, die nach Wahrheit und Gerechtigkeit dürstet".

Die boulevardeske Zeitung Moskowskij Komsomolez zieht ein pessimistisches Fazit. Sie greift Putins Worte auf, dass Russland international ein starker, aktiver und einflussreicher Akteur sei. "Einverstanden", schreibt Autor Michail Rostowskij. "Dank dieser Aktivität sind in Russland zwei neue Subjekte erschienen - die Krim und Sewastopol. Aber im Leben muss man bekanntlich für alles bezahlen." Er erwähnt den Krieg in Syrien, "aus dem wir bereits zweimal feierlich abgezogen sind, die blutende Wunde, in die sich der Donbass verwandelt hat, den verloren gegangenen brüderlichen Charakter in den Beziehungen mit der Ukraine", auch die Konfrontation mit dem Westen, den "schmerzhaften Sanktionskrieg, den schon niemand mehr als Segen für die russische Wirtschaft" bezeichne. "Ich zähle das alles nicht auf", heißt es im MK, "um den Feiertag zu verderben. Sondern um zu zeigen, wie groß die zusätzliche Last ist, die Putin auf seine Schultern gelegt hat - oder, richtiger: auf die Schultern des Landes." Es gebe keinen Grund für ein Gefühl der Katastrophe, "aber auch nicht für Triumph und Selbstberuhigung".

Die Wirtschaftszeitung RBK geht auf Putins Ziele ein, Russland zu einem der fünf wirtschaftlich stärksten Staaten zu machen, Bildung und Gesundheitsversorgung zu verbessern. "Viele dieser Ziele bleiben abstrakt, und wie solche ehrgeizigen Pläne finanziert werden sollen, wird in der Präsidentenorder nicht erklärt."

Die Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta erinnert daran, dass viele Russen sich ohnehin vor Veränderungen ängstigen, nachdem sie den "Reformschock" der 80er- und 90er-Jahre erlebt haben. "Neue Möglichkeiten schaffen neue Probleme. Wirtschaftliche Entwicklung ist ohne klugen Protektionismus nicht möglich", schreibt sie. Die Rossijskaja Gaseta legt ihr Vertrauen dabei ganz in die Hände Putins. "Welche Wahl am Ende getroffen werden muss, hängt in erster Linie vom Präsidenten ab. Er kennt die Probleme nicht nur gut, er weiß auch, wie man sie löst."

Dass sich überhaupt etwas ändern wird, erwartet die englischsprachige Zeitung The Moscow Times jedoch nicht. "Wenn Putin schon in besseren Zeiten die Strukturen nicht reformiert hat, wird er das sicher nicht jetzt tun", schreibt Andrej Kolesnikow vom Moskauer Carnegie-Zentrum. "Dabei ist es ein Vorurteil, dass Reformen schmerzvoll sind. Wenn das Rentenalter erhöht wird, wird das die jetzige Generation der Rentner gar nicht betreffen." Aber mit Putin selber habe das ohnehin nicht viel zu tun. "Der Präsident kümmere sich um die "symbolische Renaissance von Gefühlen, einer Weltmacht anzugehören. Es sind die Bürgermeister, Regionalführer und Minister, die für Brandherde zuständig sind."

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