Wer sich in Israel, und sei es nur auf einer privaten Party, als ausländischer Journalist zu erkennen gibt, hat sein Recht auf Small Talk verwirkt. Jeder will sofort wissen, auf welcher Seite im Nahost-Konflikt man steht - und kaum einer will glauben, dass man nirgendwo stehen möchte. Zu den nicht ganz so ernst gemeinten Ratschlägen zählt dann noch der Satz: "Du musst aber auch gut über uns schreiben - das macht nämlich sonst keiner."
Dass die internationalen Medien allesamt voreingenommen und negativ über Israel berichten, gehört zu den verbreiteten Glaubenssätzen im Land. Befördert wurde dies durch staatlich finanzierte Videoclips, in denen Auslandskorrespondenten als tumbe Gesellen karikiert werden, die durch ihr Berichtsgebiet stolpern und so ahnungslos wie bösartig ein falsches Bild verbreiten. Der Ärger über die Berichterstattung schwillt besonders in Kriegs- und Krisenzeiten an. Gerade erst wurden die Vertreter der Auslandspressevereinigung zu einer einschlägigen Anhörung in die Knesset geladen. Anlass war eine tatsächlich tumbe Überschrift auf der Webseite des US-Senders CBS. "Drei Palästinenser bei andauernder Gewalt getötet", hatte dort gestanden - womit die Täter zu Opfern gemacht wurden. Die drei hatten am Jerusalemer Damaskustor eine israelische Grenzpolizisten erschossen, ehe sie selbst getötet wurden. Abgeleitet wurde daraus aber sogleich wieder die pauschale Klage über die "Einseitigkeit der Medien".
Unterstützung bekamen die Korrespondenten von der Tageszeitung Haaretz, die der Regierung "Inquisition der internationalen Medien" vorwarf. "Ausländische Journalisten stehen hier unter dem dauernden Druck, Fernsehzuschauer, Zeitungsleser und Radiohörer in der Welt mit einer Version der Geschehnisse zu versorgen, die so nah wie möglich an der offiziellen Propaganda ist", heißt es in dem linksliberalen Blatt. "Jeder, der es wagt, die Version der anderen Seite, der Palästinenser, zu bringen, steht im Verdacht, Israel gegenüber feindlich gesinnt zu sein."
Von den Kollegen anderer israelischer Zeitungen gab es weniger Solidarität mit der Auslandspresse - was auch daran liegen mag, dass die These von der internationalen Medienverschwörung auch unter Journalisten ihre Anhänger hat. Deutlich wurde das, als diese Woche der Korrespondent der Washington Post wegen "Aufhetzung" von der Polizei abgeführt und verhört wurde, nur weil er vor dem Damaskustor Interviews mit Palästinensern geführt hatte. Es folgten sogleich Entschuldigungen ob dieses "Missverständnisses", doch in Jedioth Achronoth riet der Kommentator Ben-Dror Yemini dringend zu "mehr Training für die Polizei im Umgang mit Journalisten. Denn in diesem Kampf gibt es Leute, die nur darauf warten, dass Israel einen Fehltritt macht. (. . .) Wir müssen Situationen dieser Art vermeiden, selbst wenn Israel zu Recht über einseitige Berichterstattung klagt."
In Maariv geißelt die Kolumnistin Lilac Sigan die vermeintliche Einseitigkeit als "destruktiv" und macht sie verantwortlich dafür, dass "der Hass auf Israel bis zu einem beängstigenden Niveau verstärkt wird". Wiederum in Haaretz versucht Daniella Peled vom Londoner "Institute for War and Peace Reporting", die Perspektiven zurechtzurücken. "Jede Nation, die in einen Konflikt verwickelt ist, hat das Gefühl, in einzigartiger Weise verleumdet zu werden", schreibt sie - und warnt, dass in "Israel Kritik an Medienberichten zum Ersatz für Politik geworden ist".
Wer sich übrigens bei den Palästinensern als ausländischer Journalist zu erkennen gibt, wird genauso mit dem Vorwurf der Einseitigkeit konfrontiert - nur andersherum natürlich.