Meine Presseschau:Im Rausch des Sportgeschäfts

Klimm

Paris ist begeistert - von der Aussicht auf die Olympischen Sommerspiele 2024 und vom Wechsel des brasilianischen Fußballprofis Neymar für eine Rekordsumme zum Club Paris St. Germain.

Von Leo Klimm, Paris

Paris ist im Rausch des Sports - genauer: des Sport-Business. Erst sicherte sich die französische Hauptstadt die Olympischen Sommerspiele 2024, weil nach Hamburg und Rom nun auch der letzte Rivale aufgegeben hat: Los Angeles weicht auf das Jahr 2028 aus. Nach genau 100 Jahren kehren die Spiele damit an die Seine zurück. Grund genug, die Boulevards mit Fähnchen zu schmücken, während die Organisatoren auf allen Kanälen beteuern, das Spektakel werde der Stadt noch mehr Grandeur bescheren; trotzdem bleibe das Budget mit 6,6 Milliarden Euro überschaubar. Die Aufregung wird noch übertroffen von der Euphorie um den Wechsel des brasilianischen Stürmers Neymar, der seinen neuen Klub Paris Saint-Germain (PSG) eine halbe Milliarde Euro kostet. Viele Zeitungen bemühen sich zu erklären, warum sich beides lohnt - Olympia und Neymar. Kritische Stimmen sind selten.

L'Équipe erwartet Neymar seit Wochen als "König von Paris". Am Freitag widmet ihm das Zentralorgan des französischen Sports 19 Sonderseiten. Der Kommentator macht sich keine Illusionen: "Dieser total irre Transfer hat weniger mit der tiefen Kraft des französischen Fußballs zu tun als mit den Gas-Ressourcen und dem politischen Kalkül von Katar." PSG gehört dem reichen Golf-Emirat. "Aber man wird ja noch verblüfft sein, staunen, sich freuen dürfen." Immerhin klärt das Blatt - anders als manch andere Zeitung - in einem Beitrag über die geopolitische Dimension des Rekordtransfers auf: Das Geschäft sei für Katar, das seit Juni von seinen arabischen Nachbarn isoliert und der Terrorfinanzierung bezichtigt wird, eine Möglichkeit, den Rivalen in der Region die Muskeln zu zeigen.

Das liberal-konservative Blatt L'Opinion beklagt eine gewisse Doppelmoral, mit der die übrigen Medien und die Politik Neymar empfangen hätten. "Keine Schmähreden über das Geld, das korrumpiert, kauft, erdrückt, tötet, ruiniert und verdirbt." Nirgendwo werde vorgerechnet, wie viele Mindestlöhner Neymars Jahresgehalt nähren könnte. Dagegen werde Konzernbossen wegen ihrer - komfortablen, aber niedrigeren - Bezüge stets der Prozess gemacht. In der Tat sind in Frankreich, dem Land der Égalité, große Einkommensunterschiede sonst ein zuverlässiger Aufreger. L'Opinion polemisiert, am Ende seien es doch die Fußballfans, "die für das Sportrechte-Kasino bezahlen". Die angeblich unterdrückten Arbeitnehmer hingegen seien oft Nutznießer erfolgreicher Strategien gut bezahlter Top-Manager.

Die linksliberale Zeitung Le Monde hinterfragt derweil mit Blick auf Olympia das Argument, das Ereignis werde armen Vororten im Pariser Norden zugutekommen. Dort sollen das olympische Dorf, das Medienzentrum und das Schwimmstadion gebaut werden. Dort steht seit der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 auch schon das Stade de France. Doch die damals verheißenen Beschäftigungseffekte für die Banlieue, die durch den Bau eines Geschäftsviertels um das Stadion eintreten sollten, ließen immer noch auf sich warten.

Auch Libération zweifelt an den Versprechen zu Stadtentwicklung und Budgetdisziplin. Dennoch, schreibt der Kommentator des linken Blatts, freue er sich auf "ein schönes Fest". Wohl nur halb im Scherz merkt er an: "Was uns eigentlich am meisten stört an den Olympischen Spielen in Paris, ist der Umstand, dass es keine Zeitverschiebung gibt. Olympia muss man vor dem Fernseher oder dem Computer verfolgen." Die Spiele entfalteten ihren Zauber, wenn man nachts den Moment immer weiter hinauszögere, abzuschalten - weil man plötzlich eine Leidenschaft für modernen Fünfkampf verspüre und Länder kennenlerne, von denen man nichts wusste. "Vielleicht unterstützen wir die Spiele in Paris dann voll, wenn sie in die Nacht verlegt werden."

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