Meine Presseschau:Die Menschen aus dem Blick verloren

Der sozialdemokratische Premier von Spanien, Pedro Sánchez, galt erst als Hoffnungsträger, nun gerät er in seinem Land unter Druck. Spanische Blätter analysieren warum.

Von Thomas Urban

"Ist das Zwischenhoch der spanischen Sozialdemokraten schon wieder vorbei?" Das fragt das Diario de Sevilla , die größte Tageszeitung Andalusiens. Im Mai 2018 konnten sie per Misstrauensvotum die konservative Regierung in Madrid stürzen. Doch danach gelang nichts mehr; Premier Pedro Sánchez, gefeiert als neuer Star der europäischen Sozialdemokratie, brachte nicht einmal eine Mehrheit für seinen Haushalt zusammen. Im Dezember musste dann die Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) nach 36 Jahren an der Regierung in ihrer Hochburg Andalusien in die Opposition.

Die Kommentatoren des Diario de Sevilla sehen zwei Gründe dafür: Der bisherigen Regionalpräsidentin Susana Díaz sei es nicht gelungen, die andalusische Amigo-Wirtschaft zu überwinden; zudem gelte für die PSOE, was für die Sozialdemokratie in vielen europäischen Ländern gelte: "Sie hat die wahren Sorgen der Menschen aus dem Blick verloren." Der Gang in die Opposition könne auch heilsam sein; die PSOE müsse wieder lernen, Kontakt zur Realität aufzunehmen.

Die traditionell der PSOE zugeneigte Madrider Tageszeitung El País räumt ein: "Nach 36 Jahren PSOE-Herrschaft hat in Andalusien eine starke Wechselstimmung geherrscht." Die PSOE müsse nun analysieren, warum ein Teil ihrer Stammwähler, gerade aus sozial schwachen Gruppen, zur nationalistischen Gruppierung Vox abgewandert sei. Vox mache die Rechtsextremen salonfähig; dass die Konservativen und Liberalen sich nun von den Rechten dulden lassen, sei ein großer Erfolg für die Gruppierung. Die neue Partei werde möglicherweise auch nach den nächsten landesweiten Wahlen in der Lage sein, den anderen ihre Bedingungen zu diktieren.

Die rechtsliberale Tageszeitung El Mundo sagt heftige Spannungen in dem neuen Dreibund voraus: "Es wird keinen ruhigen Machtwechsel geben." Vor allem Vox und die Ciudadanos dürften aneinandergeraten. Die PSOE aber werde davon kaum profitieren.

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